Wie war das noch, damals im Jahr 2025?
Ein Gespräch in nicht allzu ferner Zukunft.
Mirko ist erstaunt. Nikki, die fast seine Grossmutter sein könnte, erzählt in der Sitzung von Zeiten, in denen man noch zu Fuss zum Gottesdienst gehen konnte. Denn in fast jeder Kirche in der Region habe fast jeden Sonntag ein Gottesdienst stattgefunden. Und die Mitwirkenden, nicht nur die Seelsorgerin, auch der Sakristan und die Organistin seien für ihren Einsatz bezahlt worden. Denn an jedem Ort habe eine Kirchgemeinde bestanden, die Steuern von ihren Mitgliedern erhielt, und zwar eingezogen durch die jeweilige Einwohnergemeinde.
Mirko ist als Pfadi-Abteilungsleiter Mitglied im Seelsorgerat des Birstals. Er ist stolz auf seine Abteilung, die es schafft, jedes Jahr ein Sommerlager auf die Beine zu stellen, und dass sie bis jetzt auch immer Sponsoren gefunden haben. Auch wenn sie jetzt für die Vorbereitung des SoLa alle Hände voll zu tun haben, würden sie selbstverständlich bei der Durchführung des Jubiläumsfestes mitmachen.
«Muss man das wirklich feiern?» Noah – im Rat duzen sich alle – hat schon mehrmals angemerkt, dass er die Entwicklung der letzten Jahrzehnte durch und durch bedauert. Erst wurden die Pfarrer der einzelnen Gemeinden durch Teams in sogenannten Seelsorgeverbänden ersetzt, dann fand man keine Leitungen mehr für diese Teams, und jetzt könnte man sie, wenn es sie gäbe, nicht mehr bezahlen. Denn die vor zehn Jahren erfolgte Trennung von Kirche und Staat und damit die Auflösung der Kirchgemeinden und das Ende der Kirchensteuern verunmöglicht jetzt Vieles.
„Wir könnten ja eine Trauerfeier, ein Totengedenken, abhalten.“ Ann ist immer wieder für eine Spitze gut. „Lasst uns doch auf das schauen und das feiern, was wir in den letzten Jahren zum Leben gebracht haben. Wir sind weniger Christen auf dem Papier, weniger, die finanziell unterstützen, aber wenn wir in einer unserer verbliebenen Kirchen zusammenkommen, sind wir doch eine grosse Gemeinschaft. Und viele, nicht nur wir hier im Rat, viele engagieren sich doch über alle Massen. Wenn wir uns zum Bibellesen treffen, macht doch mindestens die Hälfte den Mund auf.
Nikkis Blick geht in die Ferne, dann schaut sie Noah an. „Ann hat recht. Wir hatten früher als Kirche mehr Bedeutung, aber nicht mehr Glauben, wir waren nicht lebendiger. Noch Anfang dieses Jahrhunderts spielte an manchem Ort die Dorfmusik beim Einzug der Erstkommunikanten. Und die Finanzchefs der damaligen Kirchgemeinden präsentierten in der Jahresrechnung an jedem Ort sechs- oder siebenstelligen Zahlen. Aber wenn von tausend Christen Dreissig im Gottesdienst waren, sagten wir, er sei gut besucht. Und diese Dreissig haben unter sich kaum je darüber gesprochen, was ihnen das Christsein bedeutet. Jetzt singen und reden wir doch miteinander. Das dürfen wir doch feiern!“
Noah ist nicht einverstanden. Er schweigt. «Nun sag schon, was geht dir durch den Kopf?» «Es gibt Vieles, das wir nicht mehr machen können. Ich verstehe, warum unsere Vorgänger vor 20 oder 30 Jahren Angst hatten.» «Stellt euch vor», fällt ihm Nikki ins Wort. «Man glaubte damals, die Zeit liesse sich aufhalten. Da wurden Seelsorgerinnen und Seelsorger, die sich mit 65 hatten pensionieren lassen, immer wieder neu angestellt. Als Überbrückung. Als wenn dann später alles wieder so wäre wie einst. Die Kirche verlor schon damals, als sie noch genug Geld hatte, massiv Mitglieder. Aber es gab auch damals etliche Christinnen und Christen, die nicht dem Vergangenen nachtrauerten, sondern sich um die Gegenwart kümmerten und sich für die Zukunft einsetzten. Ohne Sie gäbe es uns heute nicht. Was sie gesät haben, können wir jetzt ernten. Und dafür dürfen wir doch danken. Noah, meinst Du nicht, eine Feier wäre angebracht?
Alois Schuler, Diakon/Gemeindeleiter a.i. Angenstein