Grüner Kirchenaargau? Horizonte-Sommerserie Teil 2

Grüner Kirchenaargau? Horizonte-Sommerserie Teil 2

  • Neun Aar­gauer Pfar­reien erhiel­ten Ende Juni das kirch­liche Umweltzer­ti­fikat «Grün­er Güggel». Ein Trend? Noch nicht ganz, wie Hor­i­zonte in ein­er Umfrage unter 26 Pfar­reien her­aus­fand.
  • Ger­ade für kleine Pfar­reien auf dem Land hat der Umweltschutz häu­fig eine nach­ge­ord­nete Bedeu­tung. Der Grund: Es fehlt an Leuten und an Frei­willi­gen.
 Energie­ver­brauch reduzieren, Förderung der Bio­di­ver­sität, Kampf gegen «Food Waste», ressourcenscho­nende Tech­nolo­gien oder bio­ther­mis­che Unkraut­bekämp­fung sind nur einige der aus­gewiese­nen Umweltziele. Immer­hin: Knapp die Hälfte der befragten Pfar­reien set­zt sich Umweltziele. Doch nur ger­ade 38 Prozent weisen in ihrem Bud­get einen fes­ten Betrag für Umweltschutz­mass­nah­men aus.

Der Einsatz für die Umwelt ist ein teures Unterfangen

Im Pas­toral­raum Brugg wurde in den ver­gan­genen Jahren zwis­chen 5 000 und 8 000 Franken für Umwelt­mass­nah­men reserviert, Brem­garten bud­getiert nach eige­nen Angaben jew­eils 10 000 Franken pro Jahr, Fis­lis­bach knapp das Dop­pelte. Hohe Sum­men hat der Pas­toral­raum Lenzburg bei seinen drei Pfar­reien für Umwelt­mass­nah­men reserviert: zwis­chen 35 000 und 320 000 Franken. Mit dem Geld wer­den Mager­wiesen angelegt, Solaran­la­gen auf Däch­er gebaut, Pel­letheizun­gen und Wärmepumpen instal­liert, Kirchen­räume bess­er isoliert und energies­parende LED-Beleuch­tun­gen mon­tiert. Die Kosten für solche Investi­tio­nen gehen rasch ein­mal in den sechsstel­li­gen Bere­ich. Der Nutzen: 30 bis 50 Prozent erneuer­bare Energie, im Pas­toral­raum Region Brugg-Windisch sind es 60 Prozent. Doch es geht noch radikaler: Das kleine Meren­schwand im oberen Freiamt speist seinen Energiebe­darf zu 100 Prozent aus erneuer­bar­er Energie.«Oft scheit­ern Umwelt­pro­jek­te an den hohen Kosten», heisst es beispiel­sweise aus Ober­rüti. Und die Umfrage scheint denn auch zu bestäti­gen, dass ger­ade in kleineren ländlichen Pfar­reien der Umweltschutz noch immer eine nach­ge­ord­nete Rolle spielt. In Orten, die je länger je mehr auch Mühe haben, Leute zu find­en, die sich in der Kirchge­meinde engagieren.

Kurt Zaugg: «Schon kleine Massnahmen bringen viel»

Kurt Zaugg, Leit­er der Fach­stelle Oeku Kirche und Umwelt, ken­nt die Prob­lematik. Natür­lich kön­nten nur die wenig­sten Kirchge­mein­den bis zu ein­er Mil­lion Franken in Solaran­la­gen investieren und auf diese Art qua­si selb­st zu Strompro­duzen­ten wer­den. Selb­st das kon­se­quente Umstellen auf Öko-Strom, per Tele­fon an den Stro­man­bi­eter, liege aus Kosten­grün­den nicht drin.«Das Koste­nar­gu­ment dünkt mich gle­ich­wohl wenig stich­haltig», meint Kurt Zaugg. Ger­ade für den «Grü­nen Güggel» müsse man nicht grosse Investi­tio­nen täti­gen. Gefordert sei ein Umwelt­man­age­ment, mit dem eine jährliche Verbesserung erzielt wer­den könne. Und das sei auch mit betrieblichen Mass­nah­men zu leis­ten – beispiel­sweise durch gezieltes Heizen.

Umweltgruppe oder Spezialbeauftragte liegen oft nicht drin

«Allerd­ings braucht Umwelt­man­age­ment schon Leute, die dafür Zeit aufwen­den und das auch mit Begeis­terung machen», weiss Kurt Zaugg. «Das fehlt mancherorts – und das Kirchen­per­son­al kann das nicht auch noch leis­ten.» Nicht jede Kirchge­meinde oder Pfar­rei habe genü­gend Frei­willige für eine Umwelt­gruppe oder, wie im Pas­toral­raum Region Brugg-Windisch, eine Umwelt­beauf­tragte.«Wir wür­den sehr gerne mehr machen», heisst es aus Brem­garten. «Wir find­en lei­der keine Mit­glieder in der ohne­hin schon unterbe­set­zten Kirchenpflege, die fed­er­führend ein engagiertes Umwelt­team etablieren kön­nten.» Man sei jedoch in allen Bere­ichen sen­si­bil­isiert und tue, was man könne.

Selbsteinschätzung: Kritisch

In Punk­to Selb­stein­schätzung sind die ange­fragten Pfar­reien sehr selb­stkri­tisch: Nur 20 Prozent der Befragten schätzen ihr Umwel­tengage­ment als sehr hoch ein – dazu gehören auch Pfar­reien, die Ende Juni mit dem «Grü­nen Güggel» zer­ti­fiziert wur­den. Mit 57 Prozent dominiert die Auf­fas­sung «Wir tun, was wir kön­nen».Die Botschaft, dass auch mit wenig viel erre­icht wer­den kann, haben viele Pfar­reien im Aar­gau aber dur­chaus verin­ner­licht. 80 Prozent aller Befragten verzicht­en bei Anlässen in der Pfar­rei kon­se­quent auf Ein­weggeschirr. 75 Prozent haben Mass­nah­men erlassen, um die Anzahl Papier­aus­drucke mass­ge­blich zu reduzieren. Nur beim Recy­cling­pa­pi­er hapert es noch: Kon­se­quent umgestellt haben erst 46 Prozent der Befragten.

Umweltschutz: Für einen Viertel unwichtig

Aufhorchen lassen sollte der Umstand, dass nur ger­ade die Hälfte der befragten Pfar­reien sich Umweltziele set­zt, beziehungsweise ein Vier­tel sog­ar expliz­it erk­lärt, dass Umweltschutz inner­halb des ganzen Auf­gaben­port­fo­lios nur eine nach­ge­ord­nete Rolle spiele.Oeku-Fach­stel­len­leit­er Kurt Zaugg glaubt die Ursache für den Sachver­halt zu ken­nen: «Unsere kirch­liche Tra­di­tion zen­tri­ert sich sehr stark um den Men­schen. Das Soziale, die Unter­stützung von Men­schen in Drit­tweltlän­dern hat Pri­or­ität. Dass man eine Spir­i­tu­al­ität für die Schöp­fung entwick­elt, sich für die Natur ein­set­zt, ist als Auf­gabe eher neu – trotz Vor­bildern wie Franz von Assisi.»

Oeku: Seit 30 Jahren Werbung für Umweltanliegen

Kurt Zaugg ist gle­ich­wohl opti­mistisch – immer­hin ver­mochte sein­er Ansicht nach die Umwel­tenzyk­li­ka des Pap­stes einiges zu bewe­gen: «Wir arbeit­en mit unser­er Fach­stelle schon 30 Jahre am The­ma und ver­suchen, im Rah­men der alljährlich abge­hal­te­nen Schöp­fungszeitver­anstal­tun­gen Umweltan­liegen in die Kirche zu brin­gen. Ich musste aber ler­nen, dass das wohl ein­fach seine Zeit braucht.»62 Prozent der ange­fragten Pfar­reien erfassen ihren Energie­ver­brauch – und erfahren in diesem Zusam­men­hang auch, dass bere­its ein­fache Mass­nah­men, wie das gezielte Beheizen von Kirchen und nicht per­ma­nent ver­wen­de­ten Räu­men, zu bemerkenswerten Einsparun­gen führt. In 73 Prozent der befragten Pfar­reien gibt es bere­its ein der­ar­tiges, ressourcenscho­nen­des Heizregime. «Wir sparen damit mehrere tausend Liter Heizöl jährlich», heisst es aus Häg­glin­gen.

Umweltengagement fördert Zusammenhalt im Pastoralraum

Dass Umwel­tengage­ment überdies auch das Zusam­menge­hörigkeits­ge­fühl der Pfar­reien inner­halb eines Pas­toral­raums ver­stärkt, bestäti­gen Aus­sagen aus Lenzburg: Man empfehle allen Pfar­reien und Kirchge­mein­den, sich dem The­ma Schöp­fung und Reduzierung des Ver­brauchs von natür­lichen Ressourcen zu wid­men. Mit dem Pro­jekt «Grün­er Güggel» seien die Pfar­reien des Pas­toral­raums überdies «…näher zusam­mengewach­sen, was eine pos­i­tive Neben­er­schei­n­ung ist.»
Andreas C. Müller
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