Wie ein Blick durchs Schlüsselloch

Wie ein Blick durchs Schlüsselloch

  • «Für Gott, Kai­ser und Kin­der» heisst die Aus­stel­lung, die vom 10. Sep­tem­ber bis 6. Novem­ber im Muse­um Klo­ster Muri prä­sen­tiert wird.
  • Sie zeigt erst­mals aus­ge­wähl­te Doku­men­te aus dem Pri­vat­ar­chiv der letz­ten Kai­se­rin von Öster­reich, Zita von Bourbon-Parma.
  • Die Aus­stel­lung ver­mit­telt einen fast inti­men Blick in das Wesen die­ser eben­so klu­gen wie auch stol­zen und tief­gläu­bi­gen Frau.

Ein­tau­chen in die Welt­ge­schich­te, in die Geschich­te Euro­pas und in die­je­ni­ge der Schweiz, des Aar­gaus und des Frei­amts, das kann man dank sei­nes Klo­sters in Muri seit bald 1000 Jah­ren. Jetzt setzt die Stif­tung Muri­kul­tur noch einen drauf. In der Kabi­nett­aus­stel­lung im Muse­um Klo­ster Muri, die am Sams­tag, 10. Sep­tem­ber, um 14 Uhr ihre Eröff­nung fei­er­te, kön­nen die Besu­cher einen sehr tie­fen, fast schon inti­men Blick wer­fen auf das Leben der letz­ten Kai­se­rin von Öster­reich und Köni­gin von Ungarn, Zita Maria del­le Gra­zie Habs­burg-Loth­rin­gen, gebo­re­ne Bour­bon-Par­ma (1892–1989).

Sie war die letz­te Kai­se­rin von Euro­pa. Neben ihrem Gemahl, Kai­ser Karl I. von Öster­reich, regier­te sie bis zum Ende des Ersten Welt­krie­ges. Karl trat 1916 die Nach­fol­ge sei­nes Gross­on­kels Franz Joseph I. an. Des­sen Gemah­lin, Eli­sa­beth von Bay­ern, bekannt und beliebt unter ihrem Kose­na­men Sisi, kam 1898 bei einem Atten­tat in Genf ums Leben. 

Nur zwei Jah­re Kaiserin

Attrak­ti­ves Rahmenprogramm

Sams­tag, 10. Sep­tem­ber, 14 Uhr: Ver­nis­sa­ge. Mit Gruss­wort der Fami­lie Habs­burg. Ein­füh­rung in die Aus­stel­lung durch Kura­tor Tho­mas Frei mit anschlies­sen­dem Apé­ro. Ein­tritt: frei.

Sams­tag, 24. Sep­tem­ber, 15 Uhr: Audi­enz bei der Kai­se­rin. But­le­rin Zita Lan­gen­stein, Absol­ven­tin der welt­be­rühm­ten But­ler­schu­le in Lon­don und immer mal wie­der im Dien­ste von Köni­gin Eli­sa­beth II., berich­tet vom Wie­ner Hof­ze­re­mo­ni­ell und über den kor­rek­ten Umgang gemäss diplo­ma­ti­schem Pro­to­koll. Ein­tritt: Fr. 25.–, mit Muse­ums­pass Fr. 20.–.

Sonn­tag, 16. Okto­ber, 15 Uhr: Erin­ne­rungs­or­te – Über Erin­nern, Aus­blen­den und Ver­ges­sen. Georg Kreis spricht mit Kura­tor Tho­mas Frei über Sinn und Not­wen­dig­keit des Erin­nerns und über Erin­ne­rungs­or­te in der Schweiz, die Mythen bil­den und Gemein­schaft stif­ten. Ein­tritt: Fr. 25.–, mit Muse­ums­pass Fr. 20.–.

Sonn­tag, 23. Okto­ber, 14 Uhr: Trou­vail­len im Zita-Archiv von Muri. Das histo­ri­sche Erbe der Kai­se­rin Zita umfasst 120 Kof­fer, Kisten und Tru­hen. Histo­ri­ker Josef Kunz hat alles wäh­rend fünf Jah­ren geord­net und archi­viert. Er zeigt, was die Kai­se­rin in ihren 97 Lebens­jah­ren gesam­melt und für die Nach­welt doku­men­tiert hat: Repor­ta­gen, Pho­tos, Scha­tul­len mit tau­sen­den von Brie­fen an poli­ti­sche und kirch­li­che Füh­rer der Welt. Ein­tritt: Fr. 25.–, mit Muse­ums­pass Fr. 20.–.

Sams­tag, 29. Okto­ber, 15 Uhr: Die Köni­gin­nen und Kai­se­rin­nen in der Schweiz. Micha­el van Orsouw wur­de schon «Spe­zia­list für Fra­gen der Ari­sto­kra­tie» oder auch «schweiz­weit bekann­ter Spe­zia­list für gut erzähl­te Histo­rie» genannt. Der Ver­fas­ser ver­schie­de­ner Sach­bü­cher zu Roy­als in der Schweiz erzählt in die­ser Ver­an­stal­tung, wie sich Köni­gin­nen und Kai­se­rin­nen in der Schweiz bewegt haben – und wie die Schweiz auf sie reagier­te. Ein­tritt: Fr. 25.–, mit Muse­ums­pass Fr. 20.–.

Sonn­tag, 6. Novem­ber, 14 Uhr: Finis­sa­ge. Letz­ter Rund­gang durch die Aus­stel­lung mit Archi­var Josef Kunz und Kura­tor Tho­mas Frei. Ein­tritt: frei.

Öffent­li­che Füh­run­gen unter der Lei­tung von Archi­var Josef Kunz fin­den statt am Sonn­tag, 25. Sep­tem­ber, um 15.15 Uhr; Sonn­tag, 9. Okto­ber, um 11 Uhr; Sonn­tag 23. Okto­ber, um 15.15 Uhr. Ein­tritt: Fr. 25.–, mit Muse­ums­pass Fr. 20.–.

Treff­punkt für alle Ver­an­stal­tun­gen: Besu­cher­zen­trum Muse­um Klo­ster Muri, Markt­stras­se 4, 5630 Muri. Tel. 056 664 70 11, E‑Mail .

Karl von Habs­burg-Loth­rin­gen und Zita von Bour­bon-Par­ma hei­ra­te­ten 1911 in Schwarz­au, süd­lich von Wien. Nach dem Atten­tat von 1914 in Sara­je­vo auf das Thron­fol­ge-Paar Franz Fer­di­nand und sei­ner Gemah­lin Sophie war Karl I. der erste Anwär­ter auf den Kai­ser­thron. Nach dem Tod Franz Joseph I. – mit­ten im Ersten Welt­krieg – wur­de Karl zum Kai­ser von Öster­reich und zum König von Ungarn gekrönt. Nach Kriegs­en­de 1918 brach die Donau­mon­ar­chie zusam­men, die Staa­ten im Osten wur­den eigen­stän­dig und in Öster­reich die Repu­blik ausgerufen. 

Der Kai­ser muss­te ins Exil in die Schweiz. Nach zwei geschei­ter­ten Restau­ra­ti­ons­ver­su­chen in Ungarn, ver­bann­ten die Sie­ger­mäch­te die gan­ze Kai­ser­fa­mi­lie 1922 nach Madei­ra. Dort starb Kai­ser Karl an den Fol­gen der Spa­ni­schen Grip­pe. For­ciert durch pro­mi­nen­te kon­ser­va­tiv-katho­li­sche Krei­se erfolg­te am 3. Okto­ber 2004 die Selig­spre­chung Karls durch Papst Johan­nes Paul II. mit der Begrün­dung, der letz­te Habs­bur­ger auf dem Kai­ser­thron sei ein «vor­bild­li­cher Christ, Ehe­mann, Fami­li­en­va­ter und Herr­scher» gewesen. 

Mit acht noch unmün­di­gen Kin­dern war Zita danach an ver­schie­de­nen Orten in Euro­pa unter­wegs. Sie unter­nahm alles in ihrer Kraft Ste­hen­de, um ihren älte­sten Sohn, Otto, wie­der als Mon­ar­chen zu instal­lie­ren. Ver­geb­lich. Vor und wäh­rend des zwei­ten Welt­krie­ges bedroh­ten Hit­lers Scher­gen die Kai­ser­fa­mi­lie und wie­der wähl­te sie das Exil, dies­mal in Nord­ame­ri­ka, Que­bec und Tuxe­do, N.Y.

60 Lauf­me­ter Akten

Ab 1962 leb­te Zita im St. Johan­nes Stift in Zizers, Bis­tum Chur. Die Wie­der­ein­rei­se nach Öster­reich blieb ihr bis 1982 ver­wehrt, weil sie nie offi­zi­ell auf den Thron ver­zich­te­te. Erst anläss­lich ihres 90. Geburts­ta­ges durf­te sie das Grab ihrer Toch­ter in Tul­fes und spä­ter Wien besu­chen. Zita starb 1989 in Zizers. Sie bestimm­te, dass ihr Herz unter dem­je­ni­gen ihres Gat­ten in der Lore­to­ka­pel­le in Muri bei­gesetzt wer­de. Der Kor­pus der Kai­se­rin liegt in der Kapu­zi­ner­gruft in Wien, wie es sich für Kai­se­rin­nen gebührt. Für Zita läuft das Selig­spre­chungs­ver­fah­ren seit Ende 2009. Zur Begrün­dung wird unter ande­rem auf ihre Pflicht­er­fül­lung in ihrer Funk­ti­on als Kai­se­rin und Köni­gin ver­wie­sen, ihre täti­ge Anteil­nah­me am Leid der Ande­ren sowie ihre Ver­bun­den­heit mit Chri­stus etwa als Obla­tin (Lai­en­mit­glied) der fran­zö­si­schen Bene­dik­ti­ner­ab­tei Saint Pierre de Solesmes.

Kai­se­rin Zita hin­ter­liess ein umfang­rei­ches Archiv mit Doku­men­ten, Brie­fen und Fotos. In vie­len Kisten und Kof­fern hat­te sie es auf allen Rei­sen mit dabei. Ihren Lebens­abend ver­brach­te sie in Zizers bei Chur, wo sie ihr rie­si­ges Archiv wei­ter­pfleg­te und ergänz­te. Heu­te wird die­ses Archiv in Muri auf­be­wahrt und ist noch unter Ver­schluss. Sau­ber geord­net und ver­zeich­net ent­hält es über 60 Lauf­me­ter Akten und ist sicher und kon­ser­va­to­risch ein­wand­frei gela­gert. Die in der Aus­stel­lung prä­sen­tier­ten Doku­men­te geben einen Über­blick über Inhalt und Umfang des Archivs. Gemäss Abma­chung mit den Nach­kom­men durf­ten sie für die­se Aus­stel­lung aller­dings nicht in aller Tie­fe erforscht worden.

Gläu­big, cha­ris­ma­tisch, willensstark

Ein impo­san­ter Turm mit den Ori­gi­nal­ki­sten lässt erah­nen, wie rie­sig das Pri­vat­ar­chiv der Kai­se­rin ist. Ein gros­ser Bild­schirm zeigt den Besu­chern in Dau­er­schlei­fe Pho­tos aus fünf Fami­li­en­al­ben, die die Kai­se­rin in ihren ersten Jah­ren als jun­ge Frau und Mut­ter ange­legt hat­te. In den drei Vitri­nen liegt eine Aus­wahl von Doku­men­ten und Brie­fen, wel­che einen Ein­blick in das Leben der Kai­se­rin erlau­ben. Sie wird als poli­ti­scher Mensch mit ambi­tio­nier­ten Zie­len und auch als besorg­te Gat­tin und Mut­ter sicht­bar. Ein paar Objek­te aus dem Archiv bele­gen auch ihre tie­fe Reli­gio­si­tät. Jedes Doku­ment wird kurz mit dem histo­ri­schen Hin­ter­grund ver­knüpft und sorg­fäl­tig interpretiert.

Eine Spur mit aus­ge­wähl­ten Auf­ent­halts­or­ten der Kai­se­rin führt in den Kreuz­gang des Klo­sters vor die Lore­to­ka­pel­le. Dort haben die Her­zen des Kai­ser­paa­res, Karl und Zita, in einer Stein­ste­le ihre letz­te Ruhe­stät­te gefun­den. Zwei Hör­sta­tio­nen las­sen Men­schen zu Wort kom­men, wel­che Kai­se­rin Zita noch per­sön­lich getrof­fen und gekannt haben. Sie bestä­ti­gen das Bild einer cha­ris­ma­ti­schen, wil­lens­star­ken Frau, deren unver­rück­ba­rer Glau­be an Gott, die Wirk­sam­keit des Gebets und das Ver­trau­en in die gött­li­che Fügung sie alle Schick­sals­schlä­ge ihres Lebens mei­stern lies­sen. Daher wohl auch der abso­lut pas­sen­de Titel der Aus­stel­lung: «Für Gott, Kai­ser und Kin­der».

Christian Breitschmid
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