Wer Schmet­ter­lin­ge lachen hört

Jeweils am Wech­sel der Jah­res­künst­ler kön­nen die Hori­zon­te-Leser bemer­ken, dass das Kir­chen­jahr neu ange­fan­gen hat. Gestar­tet wird mit dem Advent, Aller­hei­li­gen ist der Schluss­punkt. Zeit also, die neue Jah­res­künst­le­rin vor­zu­stel­len und mal zu hören, was der schei­den­de Künst­ler für Erfah­run­gen gemacht hat. Ein Orts­ter­min in Riniken. Was gibt ein Jah­res­künst­ler sei­ner Nach­fol­ge­rin wei­ter? «Früh anfan­gen, sonst gibt es ein Erin­ne­rungs­mail», sagt Tho­mas Mar­kus Mei­er und lacht. Nach einem guten Kaf­fee, mit Kar­da­mon und Zimt gewürzt, geht es los, das Jah­res­künst­ler­ge­spräch zwi­schen «dem Alten» und «der Neu­en». Gemeint sind Tho­mas Mar­kus Mei­er, der die Front des Hori­zon­te im ver­gan­ge­nen Jahr zu den Hoch­fe­sten gestal­te­te und Eri­ka Stei­ner, die sich die­ser Auf­ga­be für das kom­men­de Kir­chen­jahr stellt. «Das wird für mich neu, ich habe bis­her sel­ten auf Auf­trag hin geschafft», stellt Eri­ka Stei­ner fest, ohne sich aller­dings ver­un­si­chert zu zeigen.Fas­zi­na­ti­on Buch­sta­ben Ver­bun­den sind die bei­den Künst­ler in ihrer Fas­zi­na­ti­on für den Buch­sta­ben. Tho­mas Mar­kus Mei­er beschäf­tig­te sich schon von Jugend an mit ori­en­ta­li­scher Kal­li­gra­phie. Eri­ka Stei­ners Metier ist die Kal­li­gra­phie. Viel hat­te sie aus­pro­biert, bis sie sich irgend­wann schwor: «Nie wie­der irgend­ei­nen Kurs» und sich ein Buch über Kal­li­gra­phie kauf­te. Ganz ohne Anlei­tung ging es dann doch nicht; Andre­as Schenk, renom­mier­ter Kal­li­graph in Basel, lehr­te sie den Umgang mit Feder und Tin­te. Spe­zi­ell den mit der Spitz­fe­der. Der Name ist selbst­er­klä­rend. Die Feder wird klas­si­scher­wei­se für die eng­li­sche Schrift ver­wen­det. Die­se besticht durch eine aus­ge­wo­ge­ne Abwechs­lung von brei­ten und haar­fei­nen Lini­en. Eine ver­spiel­te Schrift, die Asso­zia­tio­nen an Lie­bes­brie­fe weckt. Eri­ka Stei­ner lässt sich jedoch nicht davon abhal­ten, die­se Feder auch für Schrif­ten zu ver­wen­den, für die nor­ma­ler­wei­se brei­te Federn benutzt wer­den. So behal­ten die Schrif­ten zwar ihren Cha­rak­ter, doch die Dyna­mik ver­än­dert sich völ­lig, erklärt sie und legt Schrift­pro­ben auf den Tisch.Ver­schie­de­ne Arbeits­wei­sen Die Stab­über­ga­be gestal­tet sich span­nend: Ein Mann über­gibt an eine Frau, ein Katho­lik an eine Refor­mier­te, ein Cross­over-Künst­ler an eine Kal­li­gra­phin. Wen wun­dert es da, dass sich auch die Arbeits­wei­se der bei­den Krea­ti­ven unter­schei­det. «Ich mache von jedem The­ma vie­le ver­schie­de­ne Varia­tio­nen. Bis zu fünf­zehn Stück», stellt Eri­ka Stei­ner fest. Die 63-jäh­ri­ge lässt durch­blicken, dass die End­aus­wahl dann durch­aus auch mal bei den Hori­zon­te Redak­teu­ren lie­gen kann. «Manch­mal kann ich mich ein­fach nicht ent­schei­den, wel­ches Ergeb­nis mir am besten gefällt», fügt sie an. Tho­mas Mar­kus Mei­er staunt, kennt die Pro­ble­ma­tik aller­dings von Kurs­ti­teln. Bei Bil­dern aller­dings ist für ihn klar: «Natür­lich wer­den die Bil­der zum Schluss nie ganz genau so, wie ich das zu Beginn über­legt habe, doch wenn ich ein­mal einen Ent­wurf im Kopf und als Skiz­ze auf dem Papier hat­te, wur­de der umge­setzt. Es muss schon ein sehr gro­ber Schnit­zer pas­sie­ren, dass ich von vor­ne begin­ne.» Ein­mal sei die Idee an der gewähl­ten Tech­nik geschei­tert. Ein Foto liess sich nicht so über­ma­len, wie gedacht, die Zeit reich­te nicht aus, ein neu­es Foto zu bestel­len und so kam letzt­lich was ganz ande­res her­aus. Eri­ka Stei­ner lacht: «So ist mei­ne erfolg­reich­ste Kar­te ent­stan­den; ‚Wer Schmet­ter­lin­ge lachen hört‘. Ich weiss nicht, wie oft ich das geschrie­ben habe. Es hat ein­fach nie geklappt. Zum Schluss habe ich dann die Far­ben wild hin gespritzt und das wur­de die Kar­te. So arbei­te ich manch­mal eben auch.»Arbeit und Ver­gnü­gen Neben der Fas­zi­na­ti­on für Kal­li­gra­phie tei­len Eri­ka Stei­ner und Tho­mas Mar­kus Mei­er einen Teil des beruf­li­chen Wer­de­gangs. Bei­de waren als Leh­rer tätig. Eri­ka Stei­ner erteil­te sowohl kon­fes­sio­nel­len als auch staat­li­chen Reli­gi­ons­un­ter­richt, bevor sie sich schliess­lich zur Sozi­al­dia­ko­nin aus­bil­den liess. Auf den Tag genau zehn Jah­re arbei­te­te sie in die­sem Beruf, bevor sie an ihrem Geburts­tag in Früh­ren­te ging. Am 1. Okto­ber 2014 war das. «Ich freue mich, habe ich jetzt wie­der mehr Zeit, um Kal­li­gra­phie zu machen. Ich wür­de sehr ger­ne wie­der aus­stel­len. Das ist geplant», sagt Eri­ka Stei­ner. «Für mich zum Ver­gnü­gen habe ich lan­ge nichts mehr gemacht», stellt Tho­mas Mar­kus Mei­er im Ver­lauf des Gesprächs fest. Zwar habe er auf Rei­sen meist sei­nen Aqua­rell­ka­sten dabei, doch kom­me er nicht dazu, weil die Ruhe fehlt, oder ihm das Foto­gra­fie­ren in einem Moment näher liege.Mit Ruhe ange­hen Nach einer Wei­le sta­peln sich meh­re­re Ord­ner auf dem Stu­ben­tisch und es wird deut­lich: Eri­ka Stei­ner lässt sich nicht auf die klas­si­sche Kal­li­gra­phie fest­le­gen. «Ich habe schon immer auch mit ver­schie­de­nen Tech­ni­ken gear­bei­tet. Col­la­ge, Über­ma­lun­gen ich pro­bie­re viel aus», betont sie. Das Grund­pa­pier wird gefärbt, geris­sen, beschrie­ben; dann wird es  – bei­spiels­wei­se als Geschenk – auf­ge­rollt und in eine Nuss gesteckt. An die Hoch­fe­ste will sie mit Ruhe gehen. «Viel­leicht schrei­be ich mich auf einem Papier zum Hoch­fest ein. Viel­leicht wird die­ses Papier dann die Grund­la­ge für das Bild. Doch letzt­lich weiss ich das noch nicht. Ich habe noch kei­ne Bil­der im Kopf», über­legt Eri­ka Stei­ner. Dass sie sich als refor­mier­te Chri­stin mit katho­li­schen Festen beschäf­ti­gen muss, schreckt sie nicht: «Maria war für mich immer eine span­nen­de Gestalt, die mich inter­es­siert. Auch die Hei­li­gen, selbst wenn wir nie Aller­hei­li­gen gefei­ert haben.»Vom Text zum Bild und umge­kehrt Auch wenn das Grund­ma­te­ri­al bei­der Jah­res­künst­ler Papier in ver­schie­de­ner Form und Far­be ist, der Aus­gangs­punkt ist ein ande­rer. Bei Tho­mas Mar­kus Mei­er beginnt es mit dem Bild und endet mit Text; Eri­ka Stei­ner star­tet beim Text, den sie zum Bild wer­den lässt. Einig sind sich bei­de, wenn es um das pas­sen­de Zitat oder einen guten und über­ra­schen­den Satz geht: «Es ist eine Kunst, ein neu­es oder berei­chern­des Zitat zu fin­den.» Fün­dig wer­den sie über­all: von der Bibel bis zu Shake­speare, da sind kei­ne Vor­lie­ben zu erken­nen. Ledig­lich eine Aus­sa­ge von Para­cel­sus hat es Eri­ka Stei­ner so sehr ange­tan, dass sie weiss: «Die wird es nie in Druck oder Kopie, son­dern nur im Ori­gi­nal geben». «Die Front von Hori­zon­te wird auf die­sen Text also wohl ver­zich­ten müs­sen», stellt Tho­mas Mar­kus Mei­er schmun­zelnd fest. Befragt nach einem zusam­men­fas­sen­den State­ment erklärt der schei­den­de Jah­res­künst­ler: «Ich habe das sehr ger­ne gemacht und bin doch auch erleich­tert, dass ich den Stab über­ge­ben kann». Und Eri­ka Stei­ner? Was könn­te pas­sen­der sein, als ihre ersten Wor­te als neue Jah­res­künst­le­rin: «Ich bin ein unbe­schrie­be­nes Blatt».
Redaktion Lichtblick
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