Wenn das Brot zur Rose wird

Wenn das Brot zur Rose wird

Mat­thä­us 4,4Jesus ant­wor­te­te: In der Schrift heisst es: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, son­dern von jedem Wort, das aus Got­tes Mund kommt.Ein­heits­über­set­zung 2016 

Wenn das Brot, das wir tei­len, zur Rose wird

Von Rai­ner Maria Ril­ke wird die fol­gen­de Geschich­te erzählt:«In Paris ging Ril­ke regel­mäs­sig über einen Platz, an dem eine Bett­le­rin sass, die um Geld anhielt. Ohne je auf­zu­blicken, ohne ein Zei­chen des Bit­tens oder Dan­kens zu äus­sern, sass die Frau immer am glei­chen Ort.Ril­ke gab nie etwas, sei­ne fran­zö­si­sche Beglei­te­rin warf ihr häu­fig ein Geld­stück hin. Eines Tages frag­te die Fran­zö­sin ver­wun­dert, war­um er ihr nichts gebe. Ril­ke ant­wor­te­te: ‹Wir müs­sen ihrem Her­zen schen­ken, nicht ihrer Hand.›Weni­ge Tage spä­ter brach­te Ril­ke eine eben auf­ge­blüh­te weis­se Rose mit, leg­te sie in die offe­ne, abge­zehr­te Hand der Bett­le­rin und woll­te wei­ter­ge­hen. Da geschah das Uner­war­te­te: Die Bett­le­rin blick­te auf, sah den Geber, erhob sich müh­sam von der Erde, taste­te nach der Hand des frem­den Man­nes, küss­te sie und ging mit der Rose davon.Eine Woche lang war die Alte ver­schwun­den, der Platz, an dem sie vor­her gebet­telt hat­te, blieb leer. Nach acht Tagen sass sie plötz­lich wie­der an der gewohn­ten Stel­le. Sie war stumm wie damals, wie­der­um nur wie­der ihre Bedürf­tig­keit zei­gend durch die aus­ge­streck­te Hand. ‹Aber wovon hat sie denn in all den Tagen gelebt?›, frag­te die Fran­zö­sin. Ril­ke ant­wor­te­te: ‹Von der Rose …›»Eine Rose wird zum Brot und nährt. Ein Wun­der. Wie sehr leben wir von Zei­chen, die uns auf­rich­ten, näh­ren, stär­ken. Das Brot wan­delt sich zur Rose, zum Sym­bol der Lie­be. Ein sol­ches Wun­der fin­den wir in der Legen­de der hei­li­gen Eli­sa­beth. Viel­leicht eine der bekann­te­sten Hei­li­gen auch in Basel: Die Eli­sa­be­then­kir­che ist nach ihr benannt, die Eli­sa­be­then­ver­ei­ne tun in ihrem Namen Gutes.Im 13. Jahr­hun­dert hat sie gelebt, war glück­lich ver­hei­ra­tet und sorg­te gross­zü­gig für die Armen und Kran­ken im Herr­schafts­be­reich ihres Man­nes Lud­wig. Der Legen­de nach haben sich die Bro­te, die sie im Korb zu den Armen trug, bei der Kon­trol­le durch ihren Mann, der nicht woll­te, dass sie so frei­ge­big war, in Rosen ver­wan­delt.Als sie mit 20 Jah­ren zur Wit­we wur­de, stand sie mit ihren drei Kin­dern allein da und war nun sel­ber auf die Barm­her­zig­keit ihrer Ver­wand­ten ange­wie­sen. Sie arbei­te­te hart in der Kran­ken­pfle­ge und Dia­ko­nie, leb­te streng aske­tisch und erleb­te Visio­nen vol­ler Glück. Mit nur 24 Jah­ren starb Eli­sa­beth.Die Rosen, mit denen sie häu­fig dar­ge­stellt wird, sym­bo­li­sie­ren die Lie­be, die sie aus­ge­strahlt hat: zu ihrem Mann, ihren Kin­der, zu allen Men­schen. Eli­sa­beth: eine Hei­li­ge auch für unse­re Zeit. Das ist Eli­sa­beths Ver­mächt­nis: Den Armen und Aus­ge­grenz­ten ihre Wür­de wie­der­zu­ge­ben, für die Rand­stän­di­gen und Recht­lo­sen ein­zu­tre­ten.Ein Lied bringt schön in Wor­te, was ihr Leben bedeu­tet:Wenn das Brot, das wir tei­len, als Rose blühtund das Wort, das wir spre­chen, als Lied erklingt,dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut,dann wohnt er schon in unse­rer Welt.Ja, dann schau­en wir heut schon sein Angesichtin der Lie­be die alles umfängt,in der Lie­be die alles umfängt.(Claus-Peter Merz, in: rise up. Öku­me­ni­sches Lie­der­buch für jun­ge Leu­te.)Doro­thee Becker, Theo­lo­gin und Seel­sor­ge­rin, Gemein­de­lei­te­rin der Pfar­rei St. Fran­zis­kus, Riehen-Bettingen  
Regula Vogt-Kohler
mehr zum Autor
nach
soben