
Weniger ist mehr — vom Wunder des Verzichts
Wir leben in einer Zeit, die uns unaufhörlich zuflüstert: Mehr ist besser. Mehr Auswahl, mehr Komfort, mehr Sicherheit. Wir sind umgeben von Dingen, die unser Leben leichter machen sollen – und doch spüren viele von uns eine merkwürdige Schwere. Die Fülle der Dinge füllt nicht unser Herz. Oft bleibt ein vages Gefühl von Leere, gerade mitten im Überfluss.
Verzichten – dieses Wort klingt in unseren Ohren oft hart. Es klingt nach Verlust, nach Verzicht auf Genuss, auf Lebensfreude. Doch echter Verzicht ist nicht Verarmung, sondern Befreiung. Er befreit uns von dem Zuviel, das uns den Blick auf das Wesentliche verstellt. Er führt uns zurück zu dem, was wir wirklich brauchen – und was uns im Innersten nährt. Weniger ist mehr. Die Entdeckung der Einfachheit ist so eine Einladung zur Freiheit. Wer loslässt, was er nicht braucht, wird frei für das, was er wirklich braucht.
Wer sich auf den Verzicht einlässt, erfährt: Die Hände werden leerer, das Herz wird weiter. In der äusseren Reduktion wächst innere Fülle. Und plötzlich wird sichtbar, was die vielen Dinge oft verdecken – die Schönheit eines einfachen Moments, die Freude an echtem Kontakt, die Dankbarkeit für das, was wir ohnehin schon haben.
Verzicht ist keine moralische Pflichtübung. Er ist eine Einladung, das Leben leichter zu machen. Sich aus der Umklammerung der Dinge zu lösen. Und zu spüren: Ich bin nicht, was ich besitze. Ich bin nicht, was ich mir leisten kann. Ich bin nicht, was andere in mir sehen. Ich bin einfach – und das ist mehr als genug.
Die Fastenzeit lädt uns ein, diese innere Freiheit einzuüben. Indem wir uns fragen: Was brauche ich wirklich? Was belastet mich mehr, als es mich beglückt? Was kann ich lassen – aus der Hand und aus dem Herzen?
Eine Gelegenheit, dies ganz konkret zu tun, bietet die Kleidertauschbörse «Stoffwechsel» im Matterhaus Muri. Kleider, die wir nicht mehr tragen, finden ein neues Zuhause. Und wir selbst entdecken, dass es oft wenig braucht, um gut angezogen und zugleich leichter durchs Leben zu gehen. Vielleicht ist das ja eine ganz moderne Form von Fasten: Teilen statt Horten. Schenken statt Sammeln. Leichter leben – und freier atmen.
Siehe auch: Kleidertauschbörse «Stoffwechsel» im Matterhaus Muri vom 21. bis 23. März 2025 — Teilen statt Kaufen.
Diakon Karl Scholz, Pastoralraumleiter