«Weg­lau­fen ist kei­ne Lösung»

  • Nach der Ver­öf­fent­li­chung der Pilot­stu­die zum Miss­brauch in der katho­li­schen Kir­che denkt Bischof Felix Gmür zuerst an die Men­schen hin­ter den 1002 Fällen.
  • Als Ver­ant­wor­tungs­trä­ger tra­ge er Schuld für die Miss­bräu­che, sagt Bischof Felix Gmür.
  • An einen Rück­tritt als Ver­ant­wor­tungs­trä­ger denkt er aber nicht.

Bischof Felix, tra­gen Sie Ver­ant­wor­tung für die Miss­bräu­che in der Kir­che in der Schweiz?
Bischof Felix Gmür: Als Bischof bin ich Ver­ant­wor­tungs­trä­ger und muss die­se Schuld jetzt für die Bis­tums­kir­che von Basel tra­gen. Klar, ist das mei­ne Verantwortung.

Wie neh­men Sie die­se Ver­ant­wor­tung wahr?
Indem wir Bischö­fe hin­ste­hen und eine unab­hän­gi­ge Stu­die machen las­sen, die her­aus­fin­det, was wirk­lich war. Indem wir die Archi­ve öff­nen und Mass­nah­men tref­fen, damit das Risi­ko für Miss­brauch viel klei­ner wird.

Wel­che Kon­se­quen­zen hat die­se Ver­ant­wor­tung für Sie?
Für mich hat es die Kon­se­quenz, dass ich mit mei­nen Mit­brü­dern, den Bischö­fen, zu Ent­schei­dun­gen kom­men muss. Fünf Ent­schei­de haben wir gefällt. Wir haben ent­schie­den, dass es stan­dar­di­sier­te psy­cho­lo­gi­sche Gut­ach­ten geben soll, dass die For­schung wei­ter­ge­führt wird, dass wir in den Archi­ven kei­ne Akten ver­nich­ten. Alle müs­sen sich dar­auf ver­pflich­ten. Wir haben ent­schie­den, dass wir die Per­so­nal­aus­wahl pro­fes­sio­na­li­sie­ren. Die fünf­te und viel­leicht schwie­rig­ste Mass­nah­me ist, dass wir eine zen­tra­le und unab­hän­gi­ge Anlauf­stel­le schaf­fen und die­se finan­zie­ren wol­len. Da ist man schon lan­ge dran. Bis jetzt ist noch nichts pas­siert. Man ist immer an der Kom­ple­xi­tät geschei­tert. Hier dür­fen wir nicht mehr schei­tern. Da arbei­ten wir eng mit den Betrof­fe­nen­or­ga­ni­sa­tio­nen zusammen.

Sie und ihr Han­deln als Bischof ste­hen auch in Fra­ge. Wer­den Sie zurück­tre­ten?
Nein, Weg­lau­fen ist kei­ne Lösung.

Sind Sie über­rascht von den Ergeb­nis­sen in der Stu­die?
Nein, die Ergeb­nis­se haben mich nicht über­rascht. Aber ich bin posi­tiv über­rascht über die Sach­lich­keit und Klar­heit der Studie.

Was zeigt Ihnen die Stu­die?
Für mich ist das Aller­wich­tig­ste, dass 1002 Fäl­le kei­ne Fäl­le sind, son­dern Gesich­ter, Men­schen, zer­stör­tes Leben, miss­brauch­tes Ver­trau­en. Fami­li­en, Freund­schaf­ten, das Umfeld der Betrof­fe­nen geht durch den sexu­el­len Miss­brauch kaputt. Das ist es, was mich fer­tig macht, wenn ich die Stu­die lese. Das pas­siert auf der emo­tio­na­len Ebe­ne. Die Schwie­rig­keit ist jedoch, dass wir den­noch ratio­nal, orga­ni­sa­ti­ons­tech­nisch han­deln müs­sen. Wir ver­su­chen das, so gut es geht. Alles Men­schen­mög­li­che zu machen, ohne das Gefühls­mäs­si­ge ein­fach auszublenden.

Wer­den sich in Ihrem Ver­ant­wor­tungs­be­reich noch wei­te­re Fäl­le zei­gen, wo auch Sie sel­ber nicht rich­tig gehan­delt haben?
Ich hof­fe nicht, aber ich kann nichts aus­schlies­sen. Ich weiss es nicht, weil es sehr vie­le Fäl­le gab. Ich war nicht immer sehr nah dran. Ich möch­te es aber aus­schlies­sen kön­nen und des­we­gen möch­te ich eine unab­hän­gi­ge Stel­le, die die­se Fäl­le prüft. Sei das beim Staat oder unab­hän­gig vom Staat. Es wäre bes­ser bei einer gros­sen Stel­le, weil die Prü­fen­den dort mehr Erfah­rung hätten.

Das heisst Sie wür­den im Grun­de genom­men gern Macht und Ver­ant­wor­tung abge­ben und tei­len mit ande­ren?
Es ist nicht wirk­lich Macht, die ich abge­be, son­dern Ohn­macht. Denn ich bin kein Kir­chen­ju­rist. In die­sen Ver­fah­ren muss ich mich auf Exper­tin­nen und Exper­ten stüt­zen. Ich kann die Geset­ze zwar lesen und stu­die­ren, aber das reicht nicht. Ich muss sie immer im Kopf haben. Und ich kann nicht alles immer im Kopf haben, da wäre ich über­for­dert. Der Per­so­nal­be­stand in den Bis­tü­mern ist viel zu klein. Wenn wir Per­so­nal hät­ten wie bei staat­li­chen Stel­len, wür­de das gehen. Aber ich fin­de es bes­ser, wenn die Stel­le extern wäre. Von mir aus gese­hen, müs­sen das auch nicht Kle­ri­ker sein wie im aktu­el­len Fall von Bischof Bonn­emain: ein Bischof, der ermit­telt. Die­se Ermitt­lun­gen kön­nen ande­re Per­so­nen auch gut machen. Die­ses Anlie­gen wer­de ich jetzt bei der Syn­ode in Rom ein­ge­ben. Auch für die­se orga­ni­sa­to­ri­schen und struk­tu­rel­len Fra­gen gehe ich nach Rom.

Bischof Felix Gmür bit­tet um Vergebung

In sei­ner Stel­lung­nah­me wen­det sich Bischof Gmür zuerst an die Betrof­fe­nen aber auch an alle Gläu­bi­gen und Seel­sor­gen­den sei­nes Bistums.

Eva Meienberg
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