Was heisst Klimagerechtigkeit?

Was heisst Klimagerechtigkeit?

Was heisst Klimagerechtigkeit?

Sozi­al­ethi­sche Über­le­gun­gen zu unse­rer Ver­ant­wor­tung gegen­über ärme­ren Ländern

Die Ver­ant­wor­tung für den Zustand des Welt­kli­mas tra­gen nicht die Men­schen in Sub­sa­ha­ra-Afri­ka mit ihrem gerin­gen CO2-Aus­stoss pro Kopf. Es sind die Bevöl­ke­run­gen der indu­stria­li­sier­ten Län­der, die das Kli­ma über­nut­zen und ver­schmut­zen. Sie tra­gen daher auch die wesent­li­che Ver­ant­wor­tung für die Bekämp­fung der Klimaschäden.Jede durch­schnitt­li­che Schwei­ze­rin stösst pro Jahr zwölf Ton­nen CO2 aus. Ein Äthio­pi­er ver­braucht einen Hun­dert­zwan­zig­stel davon, näm­lich 0,1 Ton­nen CO2 pro Jahr. Das macht deut­lich: Der Zugriff auf die welt­wei­ten Res­sour­cen ist höchst ungleich ver­teilt. Die Unge­rech­tig­keit wird aber noch wei­ter ver­schärft, indem aus­ge­rech­net jene Län­der der Welt, die nur einen Bruch­teil des glo­ba­len Kli­ma­wan­dels zu ver­ant­wor­ten haben, durch die­sen beson­ders geschä­digt wer­den.

Dop­pel­te Ungerechtigkeit

Hin­zu kommt eine zwei­te Ungleich­heit, näm­lich die extre­me Armut, wel­che für sich allein schon eine glo­ba­le Her­aus­for­de­rung ist. Die glo­ba­le Gemein­schaft hat die welt­wei­te Armut in den letz­ten Jahr­zehn­ten trotz ver­schie­den­sten Pro­gram­men, Ver­ein­ba­run­gen und Visio­nen nicht in den Griff bekom­men. Gemäss Sta­ti­sti­ken der UNO waren 2019 welt­weit immer noch 1,3 Mil­li­ar­den Men­schen mul­ti­di­men­sio­nal arm. Für Kin­der hat die­se Armut oft töd­li­che Fol­gen: In den armen Län­dern ster­ben 66 von 1000 Kin­dern unter fünf Jah­ren in Fol­ge von feh­len­dem Zugang zu Res­sour­cen. Mit dem Kli­ma­wan­del könn­te sich die­ser Miss­stand ver­schär­fen, denn die kli­ma­ti­schen Schä­den betref­fen die ärm­sten Län­der mas­siv. Sie füh­ren zum Ver­lust an Bio­di­ver­si­tät, zur Gefähr­dung von Öko­sy­ste­men, zu Über­schwem­mun­gen, zu regel­mäs­si­gen Dür­ren, zu Ver­lust land­wirt­schaft­li­cher Erträ­ge und in der Fol­ge zu gra­vie­ren­den huma­ni­tä­ren Kata­stro­phen.

Irre­füh­ren­der Begriff Wirtschaftswachstum

Die Schä­den des Kli­ma­wan­dels flies­sen nicht in die Berech­nung des­sen ein, was wir gemein­hin als «Wirt­schafts­wachs­tum» bezeich­nen. Die­se Kenn­zahl ist irre­füh­rend, weil sie auf einer ver­kürz­ten und unvoll­stän­di­gen Rech­nung basiert. Jeg­li­che Umwelt­schä­den und die Über­nut­zung der natür­li­chen Res­sour­cen wer­den dar­in igno­riert, obwohl sie in die Bilanz ein­flies­sen müss­ten. Aus ethi­scher Sicht sind sowohl Armut als auch die Fol­gen des Kli­ma­wan­dels ein Aus­druck von ver­fehl­ter Sozi­al- und Wirt­schafts­po­li­tik. Der von den indu­stria­li­sier­ten Län­dern bean­spruch­te Zugang zu glo­ba­len Res­sour­cen kann weder gene­ra­li­siert wer­den noch ist er nach­hal­tig; er geht auf Kosten der Län­der im glo­ba­len Süden. Eine gerech­te Ord­nung in poli­ti­scher und öko­no­mi­scher Hin­sicht wür­de aller­dings schwer­wie­gen­de Ver­än­de­run­gen unse­rer wirt­schaft­li­chen, poli­ti­schen und sozia­len Rah­men­be­din­gun­gen bedeu­ten, da unser Fuss­ab­druck die Kapa­zi­tä­ten der Erde um ein Viel­fa­ches über­steigt.Der Begriff Gerech­tig­keit impli­ziert aus sozi­al­ethi­scher Sicht einen grund­sätz­li­chen Anspruch aller Men­schen auf Res­sour­cen und damit auch auf den Schutz vor Kli­ma­schä­den. Gemäss dem ame­ri­ka­ni­schen Phi­lo­so­phen John Rawls beinhal­tet die Vor­stel­lung von Gerech­tig­keit, dass alle Wer­te wie Frei­heit, Chan­cen, Ein­kom­men, Ver­mö­gen etc. in einer Gesell­schaft gleich­mäs­sig zu ver­tei­len sind.Lei­der sind wir von einer sol­chen Visi­on weit ent­fernt. Die aktu­el­le Situa­ti­on zeigt deut­lich, dass wir unse­ren Wohl­stand auf Kosten ande­rer und gegen die Rech­te ande­rer ver­tei­di­gen und bean­spru­chen. Die Lebens­be­din­gun­gen in rei­chen Län­dern mit unbe­grenz­tem Zugriff auf natür­li­che und Arbeits­res­sour­cen wer­den durch die gesell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se und Natur­ver­hält­nis­se ande­rer ermög­licht. Es wird damit ganz selbst­ver­ständ­lich vor­aus­ge­setzt, dass die Men­schen in armen Län­dern auf ihren Teil ver­zich­ten sol­len.

Lebens­stil kon­se­quent ändern

Mit dem Kli­ma­ab­kom­men von Paris haben sich die unter­zeich­nen­den Staa­ten 2015 dazu ver­pflich­tet, die glo­ba­le Erwär­mung auf deut­lich unter 2 Grad zu begren­zen. Inzwi­schen wis­sen wir, dass wir kaum noch eine Chan­ce haben, die­ses Ziel zu errei­chen und einen stär­ke­ren Anstieg der Tem­pe­ra­tur abzu­wen­den.Die wich­tig­ste Her­aus­for­de­rung liegt nicht in tech­no­lo­gi­schen Lösun­gen, und auch nicht in der Ver­ein­ba­rung von neu­en Abkom­men und Erklä­run­gen. Die gröss­te Her­aus­for­de­rung ist die Ein­hal­tung und Durch­set­zung bestehen­der Abkom­men, da die­se Ver­pflich­tun­gen kon­se­quen­te Ver­än­de­run­gen in unse­ren Gewohn­hei­ten mit sich zögen. Es geht um Nach­hal­tig­keit, die glo­bal gerecht aus­ge­stal­tet wird. Alle Men­schen haben ein Recht auf die Nut­zung des Gemein­schafts­guts Kli­ma. Bevöl­ke­run­gen von Welt­re­gio­nen, wel­che von Armut und Vul­nerabi­li­tät betrof­fen sind, müs­sen sowohl hin­sicht­lich der Ver­hin­de­rung von Kli­ma­schä­den als auch hin­sicht­lich Armuts­be­kämp­fung beson­ders geför­dert und unter­stützt wer­den. Wir soll­ten uns unse­rer Ver­ant­wor­tung bewusst wer­den, wir müs­sen unse­re Pflich­ten radi­kal erfül­len und die Erlan­gung der Rech­te von ande­ren Gesell­schaf­ten und Bevöl­ke­run­gen kon­se­quent ermög­li­chen. Nur so kön­nen wir Kli­ma­ge­rech­tig­keit erzie­len.Fran­zis­ka Kol­ler, Lei­te­rin Inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit, Mit­glied der Geschäfts­lei­tung der Cari­tas Schweiz
Regula Vogt-Kohler
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