Was für ein Tumult im Gänsestall …

Was für ein Tumult im Gänsestall …

Jesa­ja 61,1–3aDer Geist Got­tes, des Herrn, ruht auf mir. Denn der Herr hat mich gesalbt; er hat mich gesandt, um den Armen fro­he Bot­schaft zu brin­gen, um die zu hei­len, die gebro­che­nen Her­zens sind, um den Gefan­ge­nen Frei­las­sung aus­zu­ru­fen und den Gefes­sel­ten Befrei­ung, um ein Gna­den­jahr des Herrn aus­zu­ru­fen, einen Tag der Ver­gel­tung für unse­ren Gott, um alle Trau­ern­den zu trö­sten, den Trau­ern­den Zions Schmuck zu geben anstel­le von Asche, Freu­den­öl statt Trau­er, ein Gewand des Ruhms statt eines ver­zag­ten Gei­stes. Ein­heits­über­set­zung 2016 

Was für ein Tumult im Gänsestall …

Mit etwa 14 Jah­ren begann in mei­nem jugend­li­chen Leben eine gros­se Begei­ste­rung für Gän­se und deren Zucht. Je mehr ich über die­ses Tier wuss­te, umso mehr war ich von ihm begei­stert und woll­te selbst mein Glück als Gän­se­hal­ter ver­su­chen. Beson­ders die Wach­sam­keit der Gän­se und ihr Ter­ri­to­ri­al­ver­hal­ten fand ich fas­zi­nie­rend.Des­halb erstaunt mich der Aus­gang der Über­lie­fe­rung vom hei­li­gen Mar­tin im Gän­se­stall kei­nes­wegs. Was muss das für ein Tumult gewe­sen sein! Mar­tin woll­te sich dar­in ver­stecken, um den Men­schen zu ent­flie­hen, die ihn als Bischof haben woll­ten. Doch er hat in der Eile sei­ner Flucht nicht dar­an gedacht, dass ihn die Gän­se mit ihrem auf­ge­reg­ten Geschnat­ter ver­ra­ten könn­ten. Bald dar­auf fan­den ihn näm­lich die Leu­te und brach­ten ihn nach Tours, wo er zum Bischof geweiht wur­de.Von Mar­tin gibt es eine Viel­zahl an Über­lie­fe­run­gen, die ihn als hilfs­be­rei­ten und beschei­de­nen Men­schen vor­stel­len. Da muss im Kern etwas Wah­res dran sein! Er hat sich vom Schick­sal sei­ner Mit­men­schen berüh­ren las­sen und hielt offen­sicht­lich nicht viel von Macht und Pre­sti­ge. Aus die­sem Grund zog er nicht in den Bischofs­sitz, son­dern bezog eine ein­fa­che Unter­kunft vor den Stadt­to­ren. Sei­ne Kar­rie­re war nicht auf mensch­li­che Attri­bu­te gerich­tet, son­dern auf ein ent­schie­de­nes christ­li­ches Leben.Das passt sehr gut zur Bibel­stel­le, die am Fest­tag des Hei­li­gen gele­sen wird. Man muss dazu wis­sen, dass das Jesa­ja­buch als Buch des Tro­stes geschrie­ben wur­de nach der Erobe­rung des König­reichs Judas durch den baby­lo­ni­schen König Nebu­kad­ne­zar. Des Königs Stra­te­gie bestand dar­in, die gebil­de­te Ober­schicht und die Füh­rungs­eli­te aus der Hei­mat nach Baby­lo­ni­en zu ver­schlep­pen, um Juda zu desta­bi­li­sie­ren. Die Ver­fas­ser des Jesa­ja­bu­ches wol­len Trost spen­den und in die­ser schwe­ren Zeit die Hoff­nung auf eine gute Zukunft nicht auf­ge­ben.Der zitier­te Bote Got­tes will eine fro­he Bot­schaft über­brin­gen, hei­len, befrei­en, trö­sten und auf­bau­en. Auch Mar­tin von Tours wird sein Leben an die­sen Tätig­kei­ten ori­en­tiert haben. Sein Han­deln jeden­falls zeugt davon, dass er einer gewe­sen sein muss, der ande­re Men­schen auf­ge­baut und ermu­tigt hat. Mar­tin ermu­tigt zum Nach­den­ken über das Wesent­li­che des Glau­bens: Wo kann ich ande­re Men­schen auf­bau­en, sie ermu­ti­gen und ihnen zur Sei­te ste­hen? Oder umge­kehrt: Wo erfah­re ich Men­schen in mei­nem Leben, die mir zur Sei­te ste­hen, mich ermu­ti­gen und auf­bau­en? Sei das im Fami­li­en- oder Freun­des­kreis, in der Nach­bar­schaft, am Arbeits­platz oder in den zufäl­li­gen Begeg­nun­gen des All­tags. Über­all da ver­wirk­licht sich etwas vom Wesent­li­chen des Glau­bens, wonach auch Mar­tin von Tours gesucht hat.Mathi­as Jäg­gi, Theo­lo­ge und Sozi­al­ar­bei­ter, arbei­tet als Berufsschullehrer 
Redaktion Lichtblick
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