«Was Euro­pa fehlt, ist ein Stück Seele»

«Was Euro­pa fehlt, ist ein Stück Seele»

«Was Euro­pa fehlt, ist ein Stück Seele»

40 Jah­re EU-Bischofs­kom­mis­si­on: vom Club zur offi­zi­el­len Organisation

Am 3. März fei­ert die EU-Bischofs­kom­mis­si­on Come­ce ihren 40. Geburts­tag. Ihr Vor­sit­zen­der, Kar­di­nal Jean-Clau­de Hol­le­rich (61) aus Luxem­burg, hat mit der Katho­li­schen Nach­rich­ten-Agen­tur (KNA) über Her­aus­for­de­run­gen für die Zukunft gesprochen.Herr Kar­di­nal, was hat die Come­ce in den ver­gan­ge­nen 40 Jah­ren erreicht?Jean-Clau­de Hol­le­rich: Die Ent­wick­lung der Come­ce in 40 Jah­ren ist ein klei­nes Wun­der. Ange­fan­gen hat es mit einem Club von eini­gen Bischö­fen der Län­der der Euro­päi­schen Gemein­schaft, die damals noch sehr klein war. Sie haben sich zum Plausch getrof­fen. Dass wir nun im Rah­men von Arti­kel 17 des Ver­trags von Lis­sa­bon regel­mäs­sig einen Aus­tausch mit den EU-Insti­tu­tio­nen füh­ren, ist etwas sehr Schö­nes.Die EU erkennt Kir­chen und Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten als wert­vol­le Akteu­re in den euro­päi­schen Gesell­schaf­ten an. Ins­ge­samt befin­den wir uns als Kir­che in Euro­pa jedoch in der glei­chen Posi­ti­on, wie der Papst die Kir­che vor der Römi­schen Kurie beschrie­ben hat: Die Chri­sten­heit gibt es nicht mehr. Das merkt man auch bei den EU-Insti­tu­tio­nen. Wir sind ein Play­er unter vie­len.Wie bemer­ken Sie das konkret?Nach jeder Wahl des EU-Par­la­ments hat die Zahl der akti­ven Chri­sten abge­nom­men. Das bedeu­tet nicht, dass unse­re Arbeit des­halb schwie­ri­ger wird. Denn wir sind ja kei­ne Lob­by­isten. Wir haben Argu­men­te, die sich auf die Sozi­al­leh­re der Kir­che beru­fen, in die man sich hin­ein­den­ken kann. Die­ser Dia­log kann auch sehr gut mit Nicht­chri­sten gesche­hen. Ich mer­ke, wie zum Bei­spiel die Umwelt­en­zy­kli­ka «Lau­da­to si» von Papst Fran­zis­kus oder auch die Ama­zo­nas­syn­ode die Leu­te begei­stert, die sich gar nicht als Chri­sten sehen wür­den.Ist «Lau­da­to si» womög­lich sogar ein Grund dafür, dass die EU-Kom­mis­si­ons­che­fin Ursu­la von der Ley­en den Green Deal zur Prio­ri­tät der EU in den kom­men­den fünf Jah­ren gemacht hat?Nein, das wäre zu viel gesagt. Die Come­ce ist eine Orga­ni­sa­ti­on von vie­len, die sich für die­ses The­ma ein­setzt, aber wir haben sicher mit­ge­wirkt. Wenn Frau von der Ley­en und EU-Vize­kom­mis­sar Frans Tim­mermans ihre Plä­ne ver­wirk­li­chen kön­nen, ist das zum Wohl der Men­schen in Euro­pa und der gan­zen Welt. Der Green Deal kann jedoch nur Erfolg haben, wenn die ein­fa­chen Bür­ger der EU bereit sind, ihren Lebens­stil zu ändern. Zudem wird aus­rei­chend Geld gebraucht, um unse­re Wirt­schaft grü­ner zu machen. Dar­un­ter dür­fen die Ärm­sten der Gesell­schaft nicht lei­den.40 Jah­re sind ver­gan­gen, wie muss sich die Come­ce in den kom­men­den Jah­ren wandeln?Wir müs­sen den Dia­log unter Bischö­fen inten­si­vie­ren. Empa­thi­sches Zuhö­ren ist wich­ti­ger denn je. Was Euro­pa fehlt, ist ein Stück See­le. Die EU ist in tech­ni­schen Details wun­der­bar. Aber es ent­ste­hen auch die Popu­lis­men, weil die Leu­te das Gefühl haben, dass sie von einer Eli­te regiert wer­den. Die Men­schen haben das Gefühl, dass ihre Mei­nung nicht mehr wich­tig ist.Wenn ich von See­le Euro­pas spre­che, dann mei­ne ich, dass wir wie­der kla­rer wis­sen müs­sen, was euro­päi­sche Iden­ti­tät bedeu­tet. Man kann nicht nur von euro­päi­schen Wer­ten spre­chen, son­dern muss han­deln. Der­zeit sehe ich die­se euro­päi­schen Wer­te zum Bei­spiel nicht so sehr auf der Insel Les­bos oder in den liby­schen Camps.In Ost­eu­ro­pa sieht man Euro­pas Ver­pflich­tung gegen­über Migran­ten aus Afri­ka oder Nah­ost etwas anders. Hat sich der Dia­log mit den ost­eu­ro­päi­schen Bischö­fen über die Jah­re verändert?Der direk­te Kon­takt ist sehr wich­tig. Des­halb bin ich auch viel in Euro­pa unter­wegs und tref­fe die ver­schie­de­nen Bischofs­kon­fe­ren­zen, zuletzt war ich in Rumä­ni­en. In Polen gibt es zum Bei­spiel auch Äng­ste. Was bedeu­tet der Green Deal für die Koh­le­re­gio­nen? Es ist wich­tig, dass die Men­schen mer­ken, dass die Come­ce für sie da ist, ihre Inter­es­sen abge­wo­gen mit dem Gesamt­bild ver­tritt. Wir wol­len kein West­eu­ro­pa, das der EU den Weg dik­tiert. Wir wol­len zusam­men nach neu­en Wegen suchen.Gleich­zei­tig müs­sen wir auch auf Kri­tik hören und dar­aus ler­nen. Nicht alle Bischö­fe sind zu 100 Pro­zent pro EU. Beson­ders der Dia­log mit den Epi­sko­pa­ten aus Zen­tral- und Ost­eu­ro­pa ist des­halb sehr wich­tig. Die Come­ce ist kei­ne Super­kir­che, die von oben her­ab Poli­tik macht. Wir wol­len ein­fach kon­kret im Dienst der Bischö­fe und der Kir­chen in Euro­pa ste­hen. Durch den Dia­log mit der EU.Sie sind regel­mäs­sig in Kon­takt mit Papst Fran­zis­kus. Was denkt er über die Comece?Der Papst schätzt die Come­ce sehr. Das ist auch der Grund, war­um er mich zum Kar­di­nal ernannt hat. Wenn man den Reden von Papst Fran­zis­kus zuhört, merkt man: Er redet Euro­pa ins Gewis­sen. Die EU trägt zum Gleich­ge­wicht in unse­rem mul­ti­po­la­ren System bei. Die Welt erwar­tet von Euro­pa, den Frie­den in der Welt zu bewah­ren. Wer bereit ist, sich mit dem Papst und ande­ren Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten auf den Weg zu machen, wird Euro­pas See­le wie­der­fin­den.Fran­zis­ka Broich, kna/kath.ch   
Redaktion Lichtblick
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