Wand­lungs­kraft der Tischgemeinschaft

Vor fast zwan­zig Jah­ren begrün­de­te die Grup­pe «Frau­en­per­spek­ti­ve» das öku­me­ni­sche Frau­en­Kir­chen­Fest im Aar­gau. Das dies­jäh­ri­ge Fest wird als erstes Schwei­zer Frau­en­mahl in Lenz­burg gefei­ert. Susan­ne Andrea Bir­ke von der Frau­en­stel­le der Fach­stel­le Bil­dung mobil in Wet­tin­gen ist seit mitt­ler­wei­le zehn Jah­ren mit dabei. Ein Gespräch über das Schwei­zer Frau­en­mahl und spe­zi­el­le Anläs­se für Frauen.Das öku­me­ni­sche Frau­en­Kir­chen­Fest Aar­gau wird die­ses Jahr als erstes Schwei­zer Frau­en­mahl durch­ge­führt. Wie kam es dazu? Susan­ne Andrea Bir­ke: In der Frau­en­per­spek­ti­ve wech­selt immer wie­der die Beset­zung, und die­ses Jahr hat­ten wir Lust, etwas Neu­es aus­zu­pro­bie­ren. Es kam die Idee auf, das Frau­en­kir­chen­fest als Frau­en­mahl durch­zu­füh­ren, ange­lehnt an das Frau­en­mahl in Mar­burg in Deutsch­land. Seit 2011 wird das Frau­en­mahl im Rah­men der Refor­ma­ti­ons­de­ka­de an ver­schie­de­nen Orten in Deutsch­land und Öster­reich durch­ge­führt. Wir ver­an­stal­ten in Lenz­burg das erste Schwei­zer Frau­en­mahl. Ein wei­te­rer Grund war, dass das Essen ein Teil war, der bei den letz­ten Frau­en­kir­chen­fe­sten immer ein biss­chen zu kurz kam, weil das Pro­gramm sehr dicht war.Wie genau muss man sich ein sol­ches Frau­en­mahl vorstellen? Es geht dar­um, ein fest­li­ches Essen zu orga­ni­sie­ren mit allem was dazu gehört und dann Red­ne­rin­nen ein­zu­la­den. Neben musi­ka­li­scher Unter­ma­lung gibt es Sequen­zen mit Tisch­re­den und im Anschluss dar­an Zeit, um mit­ein­an­der ins Gespräch zu kom­men. Der Aus­tausch über das Gehör­te ist ein ganz wich­ti­ges Ele­ment des Frau­en­mahls. Es geht dar­um eige­ne Gedan­ken wei­ter­zu­ent­wickeln, Anre­gun­gen mit­zu­neh­men.Wie wird das Frau­en­mahl the­ma­tisch gestaltet? In Deutsch­land bezie­hen sich die Orga­ni­sa­to­rin­nen ganz klar auf die luthe­ri­sche Tra­di­ti­on der Tisch­re­de. Ich den­ke, es ist grund­sätz­lich wich­tig, Frau­en zu Wort kom­men zu las­sen. Gera­de wenn es um die Per­spek­ti­ven von Zukunft und Reli­gi­on geht. Frau­en wer­den immer noch zu wenig gehört. Im Vor­be­rei­tungs­team haben wir uns ent­schie­den, einen the­ma­ti­schen Schwer­punkt zu set­zen. Wenn wir schon ein Mahl machen, stel­len wir auch das Essen in den Mit­tel­punkt.Besteht Kon­takt mit den Frau­en in Marburg? Wir haben Kon­takt auf­ge­nom­men, um unser Frau­en­mahl in die­sen grös­se­ren Rah­men zu stel­len. Ich den­ke, das gibt dem eine eige­ne Kraft. Mitt­ler­wei­le haben ins­ge­samt fast 2000 Frau­en an einem sol­chen Mahl teil­ge­nom­men. Um die Anlie­gen zu stüt­zen, ist es wich­tig, gemein­sam auf­zu­tre­ten. Eine Ver­net­zung in der Frau­en­kir­chen­be­we­gung, gera­de auch eine Inter­na­tio­na­le, birgt eine eige­ne Kraft. Und es war mir wich­tig, die zu nut­zen. Es ist schön, dass die Reden unse­rer Red­ne­rin­nen dann auf die Home­page hoch­ge­la­den wer­den, so dass man sie dort nach­le­sen kann.Wie prä­sent ist das Frau­en­kir­chen­fest in der Öffentlichkeit? Wir haben sicher nicht mehr die glei­che Öffent­lich­keits­wirk­sam­keit wie zu Beginn. Wir haben unse­re Krei­se, in denen wir wer­ben. Das Frau­en­Kir­chen­Fest hat im Jah­re 2009 zusam­men mit dem Klo­ster St. Mar­tin in Her­met­schwil den Sani­tas-Frau­en­preis ver­lie­hen bekom­men. Das strahlt natür­lich nach aus­sen. Als Red­ne­rin­nen wur­den bewusst nicht nur Kir­chen­frau­en ein­ge­la­den, son­dern auch Bea­tri­ce Burg­herr von Hel­ve­tas, die Kura­to­rin der Aus­stel­lung «Wir essen die Welt» im Natura­ma Aar­au. Wir wol­len damit auch Frau­en anspre­chen, die sich viel­leicht bis­her für ande­re Sachen inter­es­siert haben. Es ist aber viel­leicht auch eine Alters­fra­ge, denn es sind vie­le Kir­chen­frau­en einer bestimm­ten Gene­ra­ti­on, die kom­men.Sind Frau­en­the­men in der Kir­che grund­sätz­lich eine Generationenfrage? Nicht grund­sätz­lich. Wenn ich aber sehe, wer Theo­lo­gie stu­diert, habe ich den Ein­druck, ich gehö­re mit zu den Letz­ten einer Gene­ra­ti­on, die sich trotz einer sehr hier­ar­chie­kri­ti­schen Hal­tung für ein Theo­lo­gie­stu­di­um ent­schie­den hat. Es gibt sicher die Ten­denz, dass die­se The­men ein Stück zurück­ge­gan­gen sind. Aber nicht unbe­dingt an der Basis. Wenn ich zum Bei­spiel die Kate­che­tin­nen in der Aus­bil­dung erle­be, habe ich den Ein­druck, dass für sie Frau­en­the­men ganz klar zur Aus­bil­dung gehö­ren.Aber wel­che Gene­ra­ti­on ist das? Wie jung sind die­se Frauen? Gemischt. Auch jün­ger als ich. Wobei die Fra­ge nach den Jun­gen in der Kir­che eine gene­rel­le ist. Die jun­gen Erwach­se­nen sind ins­ge­samt wenig prä­sent. Und das betrifft nicht nur die Frau­en, auch die Män­ner. Aber es gibt bei den jün­ge­ren Frau­en mitt­ler­wei­le viel­leicht schon eine ande­re Art, die The­men zu behan­deln. Ich habe das Gefühl, dass sie vie­les mit einer grös­se­ren Selbst­ver­ständ­lich­keit ange­hen.Fran­zis­kus sagt, die Tür zum Frau­en­prie­ster­tum ist zu. Gleich­zei­tig spricht er davon, dass eine Theo­lo­gie der Frau stär­ker geför­dert wer­den müs­se. Wird sich etwas verändern? Wenn ich «von unten» her schaue, den­ke ich, dass es noch sehr, sehr viel brau­chen wird. Fran­zis­kus ist nicht weni­ger kon­ser­va­tiv, aber klar zugäng­li­cher und offe­ner. Ich kann mir durch­aus vor­stel­len, dass er sich noch mehr öff­net mit der Zeit. Er spricht von sich immer als Bischof von Rom. Das macht mir Hoff­nung, dass eine stär­ke­re Regio­na­li­sie­rung mög­lich wird, und da hät­ten wir dann in der Schweiz gute Kar­ten, Sachen noch anders anzu­packen, als wir es eh schon machen. Für mich hat das schwei­ze­ri­sche Kir­chen­mo­dell Vor­bild­funk­ti­on in der Welt­kir­che. Ich den­ke, dass dem, was an der Basis ja schon «da ist», mehr Raum gege­ben wer­den soll­te, damit es eine ande­re Selbst­ver­ständ­lich­keit bekom­men kann.Die Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen der Basis und den hier­ar­chisch höhe­ren Ebe­nen sind in der Schweiz im Rah­men der Pfar­rei-Initia­ti­ve erneut The­ma gewor­den. Wie wird die Initia­ti­ve von Sei­ten der Frau­en­per­spek­ti­ve wahrgenommen? Ich bin mit dabei. Nicht von Anfang an, aber ich bin ange­fragt wor­den, ob ich mit­wir­ken will. Ich kann natür­lich nur von mir per­sön­lich spre­chen, aber ich fin­de es eine sehr wich­ti­ge Initia­ti­ve, gera­de auch weil sie inter­na­tio­nal aus­strahlt. Ich fin­de es wich­tig, sich ein­zu­klin­ken und dran­zu­blei­ben. In der katho­li­schen Kir­che kom­men wir mit unse­rer typi­schen Hal­tung «Gutes tun und dar­über schwei­gen» nicht wei­ter. Wir müs­sen offen­siv wer­den, wenn wir nicht bestimm­ten Bischö­fen das Feld über­las­sen wol­len, bis nie­mand mehr in der Kir­che ist aus­ser deren Anhän­gern. Des­halb ist es ganz wich­tig, dass es etwas wie die Pfar­rei-Initia­ti­ve gibt. Dort wird deut­lich: katho­lisch sein ist nicht ein­fach ver­bohrt, ver­stockt oder kon­ser­va­tiv, son­dern kann auch ganz anders daher kom­men.Die Reak­tio­nen der Basis auf die Pfar­rei­initia­ti­ve sind mehr­heit­lich posi­tiv. Die Bischö­fe ihrer­seits reagie­ren sehr unter­schied­lich. Wie ist damit umzugehen? Ich sehe es als Chan­ce, dass ihre Reak­tio­nen nicht einen ein­heit­li­chen Block bil­den. Aus­ser­dem ist es für mich schon ein Schritt zur Ver­än­de­rung hin, dass es mög­lich war, die Initia­ti­ve so weit zu brin­gen, ohne dass es – zumin­dest für einen Teil derer, die mit­ge­macht haben – zu irgend­wel­che Sank­tio­nen kam – das ist für mich schon ein Schritt zur Ver­än­de­rung hin. Aus der Posi­ti­on des Schwei­gens raus­zu­ge­hen. Ich bin opti­mi­stisch.Ein «Ertrag» der Frau­en­Kir­chen­Fe­ste waren die Frau­en­stel­len. Gibt es wei­te­re «Früch­te»? Es war tat­säch­lich so, dass das erste Frau­en­kir­chen­fest wie eine Initi­al­zün­dung zur Schaf­fung der bei­den kirch­li­chen Frau­en­stel­len war. Mitt­ler­wei­le ist es eher ein Anlass zum Auf­tan­ken. Es ist jetzt nicht mehr so, dass vom Frau­en­kir­chen­fest direkt Initia­ti­ven aus­ge­hen. Das geschieht dann unab­hän­gig davon.Was ist ein mög­li­cher Impuls, wenn das Frau­en­Kir­chen­Fest als Frau­en­mahl durch­ge­führt wird? Die deut­schen Begrün­de­rin­nen vom Frau­en­mahl sagen bewusst: «wir sind kein Abend­mahl». Wir wol­len aber doch etwas pro­vo­ka­tiv sein und grei­fen genau das The­ma Mahl bewusst aus Frau­en­per­spek­ti­ve auf. Gera­de die Red­ne­rin Luzia Sut­ter Reh­mann ist da sehr span­nend. Sie hat zur Mahl­the­ma­tik im Neu­en Testa­ment gear­bei­tet und spricht von der «Trans­for­ma­ti­ons­kraft des Tisches». Mahl und Wan­del gehö­ren in der Bibel zusam­men. Das zeigt sich auch in den bibli­schen Geschich­ten aus dem Neu­en Testa­ment: die phö­ni­zi­sche Frau, die Sal­bung oder der Zöll­ner. Jedes Mal kommt etwas in Bewe­gung. Die Tisch­ge­mein­schaf­ten damals bewirk­ten kon­kret greif­ba­ren Wan­del. Die­se Wand­lung wäre für mich das eigent­li­che Zen­trum unse­rer Got­tes­dien­ste heu­te – eine Ver­än­de­rung, die über den Kir­chen­raum hin­aus aus­strahlt. Die Tisch­re­den sind für mich Impul­se, die jede, die sich ange­spro­chen fühlt, an ihrem Lebens- und Wir­kens­ort auf­grei­fen kann.Das heisst, das Frau­en­mahl soll Wand­lungs­kraft für die Frau­en geben? Die früh­christ­li­chen Tisch­ge­mein­schaf­ten stan­den immer ein biss­chen unter Ver­dacht, weil sie Nor­men bra­chen. Es gab immer ver­schie­den­ste Tisch­ge­mein­schaf­ten von Ver­ei­nen oder reli­giö­sen Gemein­schaf­ten. In der Regel waren es homo­ge­ne Gemein­schaf­ten. Die Gemein­schaf­ten der frü­hen Chri­sten waren hin­ge­gen sehr hete­ro­gen, ver­sam­mel­ten Men­schen aus allen Schich­ten. Aus­ser­dem hat­ten sie den Anspruch, wirk­lich zu tei­len – egal wie viel jeder mit­ge­bracht hat­te. Bei ande­ren Gemein­schaf­ten durf­te jeder genau das essen, was er mit­ge­bracht hat­te. Das ist von der römi­schen Gesell­schaft sehr kri­tisch beäugt wor­den. Weil da gesell­schaft­li­ches Wand­lungs­po­ten­ti­al drin steck­te. Vie­le Frau­en am Frau­en­Kir­chen­Fest arbei­ten auch am Wan­del. Ich freue mich, wenn sie dazu etwas vom Frau­en­mahl mit­neh­men kön­nen.www.frauenmahl.de
Redaktion Lichtblick
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