Vor 400 Jah­ren begann mit einem Eklat in Prag der Dreis­sig­jäh­ri­ge Krieg

Vor 400 Jah­ren begann mit einem Eklat in Prag der Dreis­sig­jäh­ri­ge Krieg

Der Sturz in die euro­päi­sche Katastrophe

Vor 400 Jah­ren begann mit einem Eklat in Prag der Dreis­sig­jäh­ri­ge Krieg

Der Pra­ger Fen­ster­sturz am 23. Mai 1618 steht am Anfang eines krie­ge­ri­schen Kon­flikts, der 30 Jah­re dau­ern soll­te. Kon­fes­sio­nel­le Gegen­sät­ze spiel­ten im Dreis­sig­jäh­ri­gen Krieg eine ent­schei­den­de Rol­le, in der Aus­ein­an­der­set­zung, die wei­te Tei­le von Euro­pa erfass­te, ging es aber vor allem um poli­ti­sche Macht.Hun­dert Jah­re nach dem Beginn der Refor­ma­ti­on sah es nicht zwin­gend danach aus, als ob die an ver­schie­de­nen Orten und Ebe­nen im Hei­li­gen Römi­schen Reich schwe­len­den Kon­flik­te zu einem jahr­zehn­te­lang wüten­den Flä­chen­brand füh­ren könn­ten. Ein hal­bes Jahr spä­ter geschah genau das: Ein Fun­ke brach­te das Pul­ver­fass Böh­men zum Explo­die­ren – mit ver­hee­ren­den Fol­gen für Mit­tel­eu­ro­pa. Im Dreis­sig­jäh­ri­gen Krieg star­ben Mil­lio­nen von Men­schen, die mei­sten an Krank­hei­ten und Ent­beh­run­gen. Zurück­hal­ten­de Schät­zun­gen gehen von einem Bevöl­ke­rungs­schwund von rund einem Fünf­tel aus. Gan­ze Land­stri­che blie­ben ver­wü­stet und men­schen­leer zurück.

Ein Adels­putsch

Am Anfang des Dra­mas steht ein Auf­stand in Böh­men. Am 23. Mai 1618 war­fen Ver­tre­ter der böh­mi­schen Stän­de zwei katho­li­sche Statt­hal­ter des Königs und einen Sekre­tär aus einem Fen­ster der Pra­ger Hof­burg. Die drei über­leb­ten den Sturz, doch der Zwi­schen­fall setz­te eine Ent­wick­lung in Gan­ge, die schliess­lich in offe­nen Krieg mün­de­te. «Der Böh­mi­sche Auf­stand war kein Volks­auf­stand, son­dern ein Adels­putsch, den eine klei­ne, ver­zwei­fel­te Min­der­heit radi­ka­ler Pro­te­stan­ten anführ­te», hält der bri­ti­sche Histo­ri­ker Peter Wil­son in sei­ner umfas­sen­den Dar­stel­lung «Der Dreis­sig­jäh­ri­ge Krieg: eine euro­päi­sche Tra­gö­die» fest.Die ver­brei­te­te Ansicht, dass zwi­schen 1559 und 1618 eine ste­ti­ge Zunah­me der kon­fes­sio­nel­len Pola­ri­sie­rung statt­ge­fun­den hät­te, habe kaum eine Grund­la­ge, betont Wil­son. Immer­hin hat­te der Augs­bur­ger Reli­gi­ons­frie­de von 1555 Mit­tel­eu­ro­pa eine län­ge­re Pha­se ohne grös­se­re Krie­ge beschert. Es war dabei aber klar, dass der Frie­dens­schluss nicht in jeder umstrit­te­nen Fra­ge Klar­heit geschaf­fen hat­te.Im Umgang mit den Dif­fe­ren­zen kam dem Kai­ser eine zen­tra­le Rol­le zu. Wäh­rend sich Fer­di­nand I. (1558–1564) und Maxi­mi­li­an II. (1564–1576) für Mäs­si­gung und Kom­pro­mis­se ein­ge­setzt hät­ten, habe Rudolf II. (1576–1612) ein­fach zuge­se­hen, wie das zuvor Erreich­te zunich­te gemacht wur­de. Das Wie­der­erstar­ken des Katho­li­zis­mus sei aufs Eng­ste mit den gleich­zei­ti­gen Bemü­hun­gen um eine Festi­gung der habs­bur­gi­schen Herrschafts­gewalt und Auto­ri­tät ver­knüpft gewe­sen, schreibt Wil­son.Wil­son kommt zum Schluss, dass der Krieg weder unver­meid­lich noch in erster Linie ein Reli­gi­ons­krieg gewe­sen sei. Auf bei­den Sei­ten sei­en gemäs­sig­te und mili­tan­te Posi­tio­nen neben­ein­an­der gestan­den. «Die böh­mi­sche Poli­tik war kon­fes­sio­nell pola­ri­siert, weil die Reli­gi­on die ein­zi­ge Grund­la­ge bot, auf der man die könig­li­che Regie­rungs­wei­se angrei­fen konn­te», heisst es bei Wil­son.

End­zeit­fie­ber

Böh­men stand seit 1526 unter habs­bur­gi­scher Herr­schaft. Zu ihrem König hat­ten die böh­mi­schen Stän­de am 29. Juni 1617 Fer­di­nand von Inner­öster­reich, den spä­te­ren Kai­ser Fer­di­nand II., gewählt. Am 26. August 1619 ersetz­ten sie ihn mit Kur­fürst Fried­rich V. von der Pfalz. Des­sen Zeit als böh­mi­scher König währ­te nur kurz, so kurz, dass er als «Win­ter­kö­nig» in die Geschich­te ein­ge­gan­gen ist.Die von Ver­schwö­rungs- und End­zeit­vor­stel­lun­gen gepräg­te Stim­mung am kur­pfäl­zi­schen Hof hat, so stellt es Wil­son dar, wesent­lich zur Eska­la­ti­on bei­getra­gen. Chri­sti­an von Anhalt, Kanz­ler und star­ker Mann in der Kur­pfalz, sei nach der Ermor­dung Hein­richs IV. von Frank­reich (1610) davon über­zeugt gewe­sen, dass Gott per­sön­lich Fried­rich V. erwählt habe, um die Ver­schwö­rung der Katho­li­ken zu zer­schla­gen.Aus­brü­che von End­zeit­fie­ber hat­te es immer wie­der gege­ben, doch dies­mal sorg­te ein beson­de­rer Umstand für gros­se Gefahr. Das Fie­ber hat­te die radi­ka­len Pro­te­stan­ten unter den Reichs­für­sten befal­len. «Und die­sen Män­nern stan­den alle Mit­tel zur Ver­fü­gung, aus apo­ka­lyp­ti­schen Pro­phe­zei­un­gen schreck­li­che Wirk­lich­keit zu machen», for­mu­liert es Wil­son.

Schlacht mit Folgen

Nach dem Fen­ster­sturz dau­er­te es zwei­ein­halb Jah­re bis zur ersten Schlacht. Am Weis­sen Berg bei Prag erlitt die böh­mi­sche Armee im Novem­ber 1620 eine kla­re Nie­der­la­ge gegen die kai­ser­lich-katho­li­schen Trup­pen. Der erste grös­se­re Waf­fen­gang des Krie­ges war der fol­gen­reich­ste. Fried­rich floh und ver­lor nicht nur das König­reich Böh­men, son­dern nach der Ver­hän­gung der Reichs­acht auch die Pfalz und sei­ne Kur­wür­de. 1623 war der böh­misch-pfäl­zi­sche Krieg und damit die erste Pha­se des Dreis­sig­jäh­ri­gen Kriegs been­det. Auch der näch­ste Abschnitt, der nie­der­säch­sisch-däni­sche Krieg, ende­te mit einer Nie­der­la­ge des pro­te­stan­ti­schen Lagers. 1629 sorg­te Kai­ser Fer­di­nand II. mit dem Resti­tu­ti­ons­edikt, das die Rück­erstat­tung der seit 1555 von pro­te­stan­ti­schen Für­sten ein­ge­zo­ge­nen geist­li­chen Besitz­tü­mern vor­sah, für einen Wen­de­punkt. Der Wider­stand der Pro­te­stan­ten leb­te wie­der auf und erhielt mit Schwe­den mäch­ti­ge Unter­stüt­zung. Mit dem Ein­tritt Frank­reichs 1635 wur­de der Krieg end­gül­tig zum Kampf um die Vor­herr­schaft in Euro­pa.Regu­la Vogt-Koh­ler

Lite­ra­tur

Peter H. Wil­son: Der Dreis­sig­jäh­ri­ge Krieg: eine euro­päi­sche Tra­gö­die (2017, Theiss Ver­lag) Chri­sti­an Pant­le: Der Dreis­sig­jäh­ri­ge Krieg: Als Deutsch­land in Flam­men stand (2017, Pro­py­lä­en Ver­lag) Phil­ipp Blom: Die Welt aus den Angeln: Eine Geschich­te der Klei­nen Eis­zeit von 1570–1700 (2017, Han­ser Verlag)
Redaktion Lichtblick
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