Von Tokio nach Wislikofen

Via inte­gra­lis heisst die Kon­tem­pla­ti­ons­schu­le, die sich an der christ­li­chen Mystik ori­en­tiert und das Sit­zen im kon­tem­pla­ti­ven Gebet mit Ele­men­ten aus dem bud­dhi­sti­schen Zen ver­bin­det. Seit Anfang Jahr hat die via inte­gra­lis in der Prop­stei Wis­li­kofen ihr neu­es Zentrum. Hugo Maki­bi Eno­mi­ya-Lass­alle war Jesu­it und Zen-Mei­ster. Man­chem dürf­te er bekannt sein als Namens­ge­ber für das Bil­dungs­haus Bad Schön­brunn ober­halb von Zug. Nun führt sei­ne Spur indi­rekt auch nach Wis­li­kofen. Clau­dia Not­hel­fer, Theo­lo­gin, Kon­tem­pla­ti­ons­leh­re­rin und Mit­ar­bei­te­rin der Fach­stel­le Bil­dung und Prop­stei, zeich­net die Geschich­te nach.

Lass­alle in Bad Schönbrunn

Wäh­rend des zwei­ten Welt­kriegs leb­te der Jesui­ten­pa­ter Hugo Lass­alle mit den Men­schen in den Slums von Tokio. Um sie tie­fer zu ver­ste­hen, begann er Zen-Bud­dhis­mus zu prak­ti­zie­ren. Das gab ihm den Impuls, die Tra­di­ti­on der christ­li­chen Mystik mit dem Erfah­rungs­weg des Zen zu ver­bin­den. In den 1980er-Jah­ren lei­te­te er dazu Kur­se im Bil­dungs­haus Bad Schön­brunn. In der Begeg­nung mit Pater Lass­alle ent­deck­ten der Jesu­it Niklaus Brant­schen und die inzwi­schen ver­stor­be­ne Pia Gyger, Mit­glied des Katha­ri­na-Werks Basel, den Weg des Zen. Sie absol­vier­ten über Jah­re bei ver­schie­de­nen Leh­rern die Aus­bil­dung zu Zen-Mei­stern und grün­de­ten 2003 die «Lass­alle-Zen-Linie» und die Kon­tem­pla­ti­ons­schu­le «via inte­gra­lis».

Erstes Fazit positiv

Die­se Schu­le war zuerst in Bad Schön­brunn, dann mehr und mehr im Haus Fern­blick in Teu­fen zuhau­se. Nach dem Ver­kauf des Fern­blicks such­ten die Ver­ant­wort­li­chen ver­gan­ge­nes Jahr einen neu­en Ort für die Kon­tem­pla­ti­ons­schu­le. Seit dem 1. Janu­ar 2017 ist die Prop­stei Wis­li­kofen nun neu­es Zen­trum für die via inte­gra­lis. Die Zusam­men­ar­beit zwi­schen Prop­stei und via inte­gra­lis ist ver­trag­lich gere­gelt. Das Fazit nach den ersten zwei Mona­ten fällt laut Clau­dia Not­hel­fer rund­um posi­tiv aus. Ein Umstand freut sie beson­ders: «Kon­tem­pla­ti­on hat in der Prop­stei Tra­di­ti­on, die Kul­tur der Stil­le gehört genau­so zu ihr wie die Leben­dig­keit. Dass die via inte­gra­lis das monasti­sche Ele­ment der Stil­le in Wis­li­kofen wie­der ver­tieft, ist ein Geschenk.»

Zen gestal­tet Stille

Im lau­fen­den Jahr fin­den in der Prop­stei zwei Arten von Kur­sen statt: via inte­gra­lis-Kur­se für alle Inter­es­sier­ten sowie Tref­fen der Aus­bil­dungs­grup­pe für via inte­gra­lis-Lehr­per­so­nen. Clau­dia Not­hel­fer ist seit 2011 sel­ber via inte­gra­lis-Leh­re­rin. Mit «Weg, der alles zu einem Gan­zen führt» kön­ne man «via inte­gra­lis» tref­fend über­set­zen, fin­det sie. Denn Kon­tem­pla­ti­on ist Weg, Übung und Gebet in einem. Der Rah­men für das Sit­zen in Stil­le aus dem bud­dhi­sti­schen Zazen sei ein Mehr­wert, weil er hilft, in den wei­ten Raum der Stil­le zu gelan­gen, wo die Erkennt­nis erwächst, dass alles mit allem ver­bun­den ist. Zwar zie­he sich das kon­tem­pla­ti­ve Gebet wie ein Roter Faden durch den mysti­schen Strom in der Klo­ster­tra­di­ti­on, «jedoch mehr als Zeit der Stil­le, die nicht gestal­tet war. Ele­men­te aus dem Zazen wie Gong, Klang­scha­le, Ver­nei­gung, Schlicht­heit und Ord­nung las­sen die Men­schen zur Ruhe kom­men, um ein­fach nur da zu sein und sich hin­zu­ge­ben in die Gegen­wart Got­tes.

Tie­fe Erfah­rung kann erschüttern

Via inte­gra­lis ist ein Weg vom Vie­len zum Einen auf dem es dar­um geht, zu sei­nem wah­ren Wesen zu erwa­chen. «Dafür muss man nicht Christ sein oder sein Christ­sein auf­ge­ben wol­len», sagt Clau­dia Not­hel­fer. Denn die mysti­schen Erfah­run­gen zei­gen, dass sich die Reli­gio­nen im Inner­sten begeg­nen. Die Pra­xis der Kon­tem­pla­ti­on kann zu einer Erschüt­te­rung füh­ren. Es kann Pha­sen geben, in denen man zu zwei­feln beginnt an der Hier­ar­chie, der Lit­ur­gie­spra­che oder dem Umgang mit Mann und Frau in der katho­li­schen Kir­che. Oder Pha­sen reli­giö­ser Dür­re. Aber mit der Zeit wächst Ver­söh­nung. Die christ­li­che Bot­schaft wird in ihrer Essenz tie­fer ver­stan­den. Clau­dia Not­hel­fer fügt an: «Pia Gyger hat ein­mal gesagt: ‚Ich habe Men­schen erlebt, die von der Kir­che nichts mehr wis­sen woll­ten und Zen-Kur­se besuch­ten. Vie­le von ihnen haben dadurch wie­der tie­fer in den eige­nen Glau­ben gefun­den.’»www.viaintegralis.ch
Marie-Christine Andres Schürch
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