Von Mon­stern und vom Weltenende

Von Mon­stern und vom Weltenende

Von Mon­stern und vom Weltenende

Der Theo­lo­ge Tho­mas Johann Bau­er über das letz­te Buch der Bibel und Apo­ka­lyp­se jetzt

Selbst unver­bes­ser­li­che Opti­mi­sten dürf­ten in den ver­gan­ge­nen Mona­ten Anflü­ge von End­zeit­stim­mung ver­spürt haben. Als Bibel­lek­tü­re der Wahl bie­tet sich die Offen­ba­rung des Johan­nes an. Was hat das letz­te Buch der Bibel uns heu­te noch zu sagen?Ein Anruf der Katho­li­schen Nach­rich­ten-Agen­tur (KNA) bei Tho­mas Johann Bau­er (47). Der Pro­fes­sor für Exege­se und Theo­lo­gie des Neu­en Testa­ments an der Uni Erfurt ist ein Spe­zia­list für den eben­so rät­sel­haf­ten wie fas­zi­nie­ren­den Text, des­sen erstes Wort seit Beginn der Coro­na­kri­se fast infla­tio­nä­re Ver­wen­dung fin­det.Herr Pro­fes­sor Bau­er, mit dem grie­chi­schen Begriff «Apo­ka­lyp­se» beginnt die Offen­ba­rung des Johan­nes. Wel­che Bedeu­tung steckt dahin­ter? Bau­er: Mit dem Wort «Apo­ka­lyp­se», auf Deutsch «Ent­hül­lung», führt der Seher Johan­nes den Inhalt sei­nes Buches direkt auf Gott zurück. Die Ent­hül­lung oder Offen­ba­rung gewährt ihm Ein­blick in die Plä­ne und gehei­men Absich­ten Got­tes. Der Seher darf also einen Blick in die Zukunft tun.Das klingt nicht nach jenem gros­sen Unheil, das wir mit der Apo­ka­lyp­se ver­bin­den. … erklärt sich aber, wenn wir durch die Lek­tü­re der Offen­ba­rung erfah­ren, dass die­se Zukunft nichts ande­res ist als der unmit­tel­bar bevor­ste­hen­de Anbruch der End­zeit, ver­bun­den mit einer Abfol­ge von Kata­stro­phen, Seu­chen und Hun­gers­nö­ten, die den Unter­gang der bestehen­den Welt ein­lei­ten und im stren­gen Gericht Got­tes über alle Men­schen mün­den.Aus wel­chen Quel­len schöpf­te Johan­nes sei­ne ver­stö­ren­den und fas­zi­nie­ren­den Bil­der? Das Spek­trum reicht vom äthio­pi­schen Henoch-Buch über die per­si­sche Reli­gi­on bis hin zu den phi­lo­so­phi­schen Strö­mun­gen der Stoa im anti­ken Grie­chen­land. All­ge­mein greift Johan­nes auf Erfah­run­gen zurück, die die Men­schen schon immer mit Sor­gen erfüll­ten: Krieg, Hun­gers­nö­te, Erd­be­ben, Seu­chen. Für die End­zeit erwar­tet der Seher, dass der­ar­ti­ge Kata­stro­phen zuneh­men und sich ins Uni­ver­sa­le stei­gern. Gott erprobt sei­ne Gemein­de und bestraft sei­ne Geg­ner.Mit Mon­ster­heu­schrecken, Feu­ers­brün­sten und dem Zusam­men­bruch des Fir­ma­ments … Man­ches davon erin­nert an die Pla­gen, die im Alten Testa­ment über die Ägyp­ter kom­men, bis der Pha­rao die geknech­te­ten Israe­li­ten weg­zie­hen lässt. Ster­ne, die vom Him­mel fal­len, fun­gie­ren als Sym­bol für die Auf­lö­sung der von Gott zu Beginn der bestehen­den Welt geschaf­fe­nen Ord­nung. Cha­os ist die Fol­ge.Und all die furcht­erre­gen­den Unge­heu­er? Fin­den wir teil­wei­se schon im bibli­schen Buch Dani­el als Sym­bo­le für vier auf­ein­an­der­fol­gen­de Welt­rei­che, in denen sich die Anfein­dun­gen gegen den Gott Isra­els immer wei­ter stei­gern.Wie wür­den Sie die Bot­schaft der Offen­ba­rung zusam­men­fas­sen? Wer das im Buch ver­heis­se­ne Heil der kom­men­den neu­en Schöp­fung erlan­gen möch­te, und wer in der Stadt Got­tes, dem vom Him­mel her­ab­kom­men­den Jeru­sa­lem, leben will, muss Gott in der gegen­wär­ti­gen Welt mit ihren Ver­lockun­gen bedin­gungs­los die Treue hal­ten und bereit sein für das Bekennt­nis zu dem einen, wah­ren Gott, auch wenn er Ver­fol­gung und Tod erlei­det.Eine etwas sper­ri­ge Vor­stel­lung … Der Text spie­gelt die theo­lo­gi­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen in den dama­li­gen christ­li­chen Gemein­den wider. In einem heid­ni­schen Umfeld stell­te sich die Fra­ge, wie weit man gehen durf­te, um sei­nen Glau­ben nicht zu ver­ra­ten. Iso­la­ti­on und Abschot­tung hat­ten auch hand­fe­ste wirt­schaft­li­che Fol­gen. Eine Assi­mi­la­ti­on droh­te nach Ansicht von Hard­li­nern den Glau­ben zu ver­wäs­sern. Johan­nes warnt vor zu viel Anpas­sung.Was lässt sich über die Wir­kungs­ge­schich­te der Offen­ba­rung sagen? Die ist extrem breit und viel­ge­stal­tig. Das himm­li­sche Jeru­sa­lem und das End­ge­richt bestimm­ten Archi­tek­tur und Aus­schmückung vie­ler mit­tel­al­ter­li­cher Kir­chen. Dan­tes «Gött­li­che Komö­die» spielt mit Ver­satz­stücken der Offen­ba­rung. Aber auch die ­Vor­stel­lung eines tau­send­jäh­ri­gen Rei­ches bei den Natio­nal­so­zia­li­sten hat ihre Wur­zeln in den Visio­nen des Johan­nes, wonach der Mes­si­as auf der gegen­wär­ti­gen Welt 1000 Jah­re herr­schen wird, bevor die­se end­gül­tig unter­geht und die neue Schöp­fung Got­tes beginnt.Der Hol­ly­wood-Schau­spie­ler Geor­ge Cloo­ney sag­te unlängst in einem Inter­view, er sei mit apo­ka­lyp­ti­schem Gedan­ken­gut bestens ver­traut. «Ich bin in einer Zeit auf­ge­wach­sen, in der wir immer im Hin­ter­kopf hat­ten, dass die Sowjet­uni­on und die Ver­ei­nig­ten Staa­ten sich gegen­sei­tig ins Jen­seits bom­ben könn­ten.» – Heu­te fürch­ten wir uns vor Coro­na und dem Kli­ma­wan­del. Braucht jede Gene­ra­ti­on ihre eige­ne Apo­ka­lyp­se? Das kann schon sein. Wir erle­ben schliess­lich immer wie­der neu die Bedroht­heit der Welt. Aber es gibt da einen wich­ti­gen Unter­schied zu Johan­nes.Näm­lich? In unse­rer moder­nen Zeit geht es um von Men­schen gemach­te Kata­stro­phen und dar­um, wie wir sie abwen­den kön­nen. In der Johan­nes­of­fen­ba­rung sind die Kata­stro­phen Ein­grif­fe Got­tes. Nie­mand will sie auf­hal­ten, weil auf sie das Jüng­ste Gericht, die Befrei­ung von Ver­fol­gung und Got­tes Heil für alle Chri­stin­nen und Chri­sten fol­gen.Inter­view: Joa­chim Heinz, kna/kath.ch (leicht gekürz­te Fassung) 
Redaktion Lichtblick
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