Von Büchern und Menschen

Por­träts sind Ent­deckungs­rei­sen. Man begrüsst einen Men­schen zum Gespräch und beim Abschied hat man das Gefühl, einen ande­ren Men­schen zu ver­las­sen. So auch bei Seel­sor­ger Wil­ly Emi­le Deck Am Anfang steht ein Mann: Eine Sta­tur wie ein Bär. Weiss­grau melier­tes Haupt- und Bart­haar, blau­es Hemd, blaue Augen, Lach­fal­ten hin­ter Bril­len­glä­sern. Es ist Wil­ly Emi­le Deck, Jahr­gang 1958, gelern­ter Drucker, lang­jäh­ri­ges Mit­glied des Redak­ti­ons­aus­schuss von Hori­zon­te und seit Juni 2014 Mit­ar­bei­ter der Jugend­fach­stel­le in Wet­tin­gen. Das Stu­di­um der Sozi­al­päd­ago­gik begann er 2001, schloss es vier Jah­re spä­ter ab.Von der Drucke­rei… Vom lang­jäh­ri­gen Drucker zum Sozi­al­päd­ago­gen; ein Spät­be­ru­fe­ner? «Nein, das stimmt so nicht», sagt Wil­ly Emi­le Deck lei­se und nach­drück­lich. «Ich war etwas län­ger in der Schu­le und habe mit acht­zehn im zweit­letz­ten rei­nen Buch­drucker­lehr­gang das Hand­werk gelernt. Spä­ter lern­te ich Off­set­druck nach. Ich habe dann rund zehn Jah­re als Off­set­drucker gear­bei­tet; den Buch­druck nur neben­bei gemacht.» 15 Jah­re hat Wil­ly Emi­le Deck Drucker­far­be an den Fin­gern. Und dann? Er schmun­zelt: «Ich war im Straf­voll­zug. Als Auf­se­her.»…in den Straf­voll­zug «Ich woll­te mit Men­schen zu tun haben. Als Drucker arbei­te ich allei­ne, mit Blick auf das Druck­gut. Das war mir zu wenig», erklärt Wil­ly Emi­le Deck. Auf den Straf­voll­zug kommt er über sei­nen Göt­ti. Der arbei­tet als Lei­ter der Zen­tral­wä­sche­rei in der alten kan­to­na­len Straf­an­stalt Regens­dorf. Wil­ly Emi­le Deck schaut sich um, zieht eine Bewer­bung in Lenz­burg zurück; die Atmo­sphä­re dort behagt ihm nicht. In der heu­ti­gen Justiz­voll­zugs­an­stalt Pösch­wies, wird er fün­dig. Er darf «schnup­pern», nimmt bewusst kei­nen Bezug auf den Göt­ti und fin­det, was er spä­ter «fast ein Daheim» nennt. Erneut lernt er. Zwei Jah­re lang: Theo­re­ti­sche Grund­la­gen, Sicher­heits­fra­gen, Selbst­ver­tei­di­gung. Letz­te­res ungern; gebraucht hat er sie nie. «Es war wich­tig für den Ernst­fall. Um zu wis­sen, wie man dann mit den Men­schen umgeht und redet. Es sind Men­schen, mit denen man zu tun hat», betont Wil­ly Emi­le Deck. Er lernt die Leit­plan­ken ken­nen, in denen sich der Grup­pen­voll­zug abspielt. Er enga­giert sich zuneh­mend auch für die Mit­ar­bei­ter, grün­det eine Syna-Grup­pe. «Die Zeit im Straf­voll­zug war auch Per­sön­lich­keits­stär­kung, ohne die ich spä­ter den Schritt in die ganz ande­re Welt des Stu­di­ums nicht geschafft hät­te», erläu­tert Wil­ly Emi­le Deck.Jugend­ar­beit Als Sozi­al­päd­ago­ge woll­te Wil­ly Emi­le Deck im Heim arbei­ten. Doch die mei­sten wol­len kei­nen, der ‚im Gefäng­nis war‘. Anders das Jugend­heim Aar­burg: dort ist jemand mit sei­nen Erfah­run­gen gern gese­hen. Es folgt ein kur­zes und prä­gen­des Inter­mez­zo. «Die geschlos­se­ne Wohn­grup­pe wur­de immer mehr zu einer Art Jugend­straf­voll­zug. Und ich woll­te ja als Sozi­al­päd­ago­ge arbei­ten», erklärt er. Schliess­lich kommt er an die Regio­na­le Jugend­ar­beits­stel­le Surb­tal, baut dort die poli­ti­sche und kirch­li­che Jugend­ar­beit mit auf.Balan­ce­akt Wie emp­fin­det Wil­ly Emi­le Deck die bei­den Arbeits­fel­der Straf­voll­zug und Jugend­ar­beit? Er denkt nach und sagt: «Das System des Straf­voll­zug beruht auf Zwang, braucht feste Leit­plan­ken. Die Jugend­ar­beit stützt sich auf Frei­wil­lig­keit. Gleich­zei­tig braucht es stren­ge Kon­trol­len, Haus­re­geln im Jugend­treff müs­sen ein­ge­hal­ten wer­den. Und im Straf­voll­zug muss es Frei­hei­ten und Unter­bre­chun­gen im All­tags­trott geben. Die­se Span­nung fas­zi­niert mich.»Gleich­ge­wicht Ent­span­nung fin­det Wil­ly Emi­le Deck im Gesang. Gleich in drei Chö­ren wirkt er mit. Von Cho­ral bis Jodel reicht das Inter­es­se. Musik ist ihm wich­tig. Dass er Bücher mag, ver­wun­dert bei einem Buch­drucker kaum. So sind zwei der drei Din­ge, die er auf eine gedach­te ein­sa­me Insel mit­neh­men wür­de Bücher und Noten mit Block­flö­te. Und Num­mer drei? «Mir ist die Fami­lie wich­tig. Mei­ne Frau, die Kin­der und auch Onkel und Tan­ten. Ich habe sel­ber kei­ne Geschwi­ster und so ist die Gross­fa­mi­lie von Bedeu­tung für mich. Die wür­de ich auch mit­neh­men», sagt Wil­ly Emi­le Deck. Ob es sonst noch etwas Wich­ti­ges zu erzäh­len gäbe? Wil­ly Emi­le Deck lacht. «Herr­je, nein. Ich den­ke nicht. Das ist doch alles gut so», sagt er und winkt zum Abschied.Anne Burgmer 
Anne Burgmer
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