Vom Umgang mit Wut, Hass und Gewalt in den Religionen

  • Acht Per­sön­lich­kei­ten, sechs Reli­gio­nen: eine ange­reg­te Gesprächs­run­de, die mit einem tibe­ti­schen Berg­lied und sufi­schem Dreh­tanz endet.
  • Das Dos­sier zur Woche der Reli­gio­nen ist eine inter­re­li­giö­se Kopro­duk­ti­on unter der Mit­ar­beit von Pfarr­blatt Kan­ton Bern, «hori­zon­te», «refor­miert», «christ­ka­tho­lisch», «tach­les» sowie Mit­glie­dern der mus­li­mi­schen Glaubensgemeinschaft
  • Die Por­träts der ein­zel­nen Gesprächs­teil­neh­me­rin­nen und ‑teil­neh­mer fin­den Sie, wenn Sie auf die Bil­der klicken.
 Das Ther­mo­me­ter zeigt an die­sem Juni­abend über 30 Grad an. Wir tref­fen uns im Restau­rant ­Lorenz­i­ni in Bern, im «Salot­to Sie­na». Vom ­Fen­ster aus sieht man aufs Mün­ster, Stras­sen­ge­räu­sche drin­gen in den Saal. Am Tisch sit­zen ­die Redak­to­rin Katha­ri­na Kilchen­mann und der Redak­tor Jürg Mei­en­berg und war­ten auf ihre acht Gäste. Als ­erste tref­fen Bro­nis­law Erlich und Eri­ka Rader­ma­cher ein. Redak­ti­on: Frau Rade­ma­cher, als wir Sie zur Gesprächs­run­de über Wut, Hass und Gewalt in den Reli­gio­nen ein­ge­la­den haben, was ging Ihnen da durch den Kopf?Eri­ka Rader­ma­cher: Es war mir eher unan­ge­nehm. Mit ech­ter Gewalt hat­te ich nie rich­tig zu tun. Mit sub­ti­ler Gewalt hin­ge­gen aber schon.Redak­ti­on: Sie bei­de sind Zeu­gen des zwei­ten Welt­krie­ges.Rader­ma­cher: Ich war noch ein Knirps damals. Mei­ne Erin­ne­run­gen an den Krieg sind mehr vom Gefühl der Angst als von Gewalt geprägt. Ich habe immer noch die­ses Bild, wie wir zu Fuss flüch­te­ten und uns immer wie­der hin­le­gen muss­ten, weil die Gra­na­ten flo­gen.Bro­nis­law Erlich: Ich hat­te Glück. Ich erleb­te zwar viel see­li­sches Leid, phy­si­sche Gewalt jedoch kaum. Aber natür­lich ken­ne ich vie­le tra­gi­sche Geschich­ten von Men­schen im Zwei­ten Welt­krieg und die hoff­nungs­lo­se Situa­ti­on vie­ler Juden. Wenn ich dar­an den­ke, was mei­ne Eltern, die im Ver­nich­tungs­la­ger Treb­linka ermor­det wur­den, erlei­den muss­ten, dann habe ich heu­te noch schlaf­lo­se Näch­te. Zu wis­sen, dass man dem Tod aus­ge­lie­fert ist, war das Schlimm­ste.Wäh­rend der Dis­kus­si­on setzt sich Rudolf Szabo an den Tisch.Redak­ti­on: Frau Rader­ma­cher, Sie sind evan­ge­lisch-luthe­risch auf­ge­wach­sen und waren vie­le Jah­re Schü­le­rin von Bagh­wan, einem indi­schen Medi­ta­ti­ons­mei­ster und nicht unum­strit­te­nen Guru. Wie­so spielt Medi­ta­ti­on eine wich­ti­ge Rol­le in Ihrem Leben?Rader­ma­cher: In der Leh­re von Bhag­wan steht der Kör­per im Zen­trum. Man macht vie­le kör­per­be­ton­te Medi­ta­tio­nen, wie etwa die «Dyna­mi­sche Medi­ta­ti­on». Als ich zum ersten Mal bei einer sol­chen dabei war, habe ich gese­hen, wie die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer danach aus­sa­hen: wie Babies, rein und weich. Da dach­te ich: Wenn welt­weit alle Men­schen jeden Tag so medi­tie­ren wür­den, dann gäbe es kei­ne Krie­ge mehr.Redak­ti­on: Bei der dyna­mi­schen Medi­ta­ti­on wird durch die Atmung Ener­gie auf­ge­baut, anschlies­send lässt man die­se raus – die einen toben, die ande­ren schrei­en.Rader­ma­cher: Das kann man, aber man muss nicht. Ich sel­ber muss­te das erst ler­nen. Frü­her hat­te ich viel Wut in mir, die ich ein­fach run­ter­schluck­te. Durch eben sol­che kör­per­be­ton­ten Medi­ta­tio­nen kann man ler­nen, sei­ne Wut zu spü­ren, kann sie in Ener­gie umwan­deln und aus­drücken. So endet sie nicht in Gewalt.Rudolf Szabo: Dem kann ich nur bei­pflich­ten. Und als ein ehe­ma­li­ger Schwer­ver­bre­cher, der selbst Gewalt ange­wen­det hat, spre­che ich aus Erfah­rung. Ich wur­de zu neun Jah­ren Gefäng­nis ver­ur­teilt, weil ich den Ex-Lieb­ha­ber mei­ner Ex-Frau fast zu Tode prü­gel­te und sie­ben bewaff­ne­te Raub­über­fäl­le auf Ban­ken und Post­äm­ter began­gen habe – aus Geld­not wegen der Ali­men­ten­zah­lun­gen für mei­ne fünf Kin­der.Wäh­rend Szabo spricht, steht Erlich am ande­ren Ende des Tisches auf und setzt sich neben ihn. Szabo: Im Gefäng­nis habe ich dann aber dank einem sehr enga­gier­ten Gefäng­nis­seel­sor­ger den Rank gefun­den. Dort begann ich, mich an christ­li­chen Wer­ten und am Vor­bild Jesus Chri­stus zu ori­en­tie­ren. Der Seel­sor­ger sag­te mir Sät­ze wie: «Lie­be ist etwas Uni­ver­sel­les, Jesus hat es vor­ge­lebt.» Das hat mich tief berührt. Bis dahin mein­te ich, Lie­be sei ein Trick der Frau­en, um uns Män­ner zu mani­pu­lie­ren.Redak­ti­on: Frau Rader­ma­cher muss­te erst ler­nen, ihre Wut zu spü­ren. Herr Szabo sei­ner­seits muss­te sie zügeln. Und Sie Herr Erlich, wie haben Sie es mit der Wut?Erlich: Ich habe mei­ne Wut baga­tel­li­siert und igno­riert. Ich erzäh­le ihnen ein Bei­spiel: Wäh­rend des Krie­ges arbei­te­te ich zwei Jah­re mit fal­schen Papie­ren bei einem deut­schen Bau­ern. Die­ser hol­te die Poli­zei, weil er sich von mir bedroht fühl­te. Er behaup­te­te, ich sei mit einer Mist­ga­bel auf ihn los­ge­gan­gen. Die Poli­zi­sten ver­prü­gel­ten mich und droh­ten mir, sie wür­den wie­der­kom­men, um mich umzu­brin­gen. Dar­auf spen­dier­te ich mei­nen Arbeits­kol­le­gen ein Abschieds­bier, denn ich war bereit zu ster­ben. Doch der Tod kam nicht, die deut­schen Poli­zi­sten tauch­ten nicht mehr auf. Als drei Mona­te spä­ter die Ame­ri­ka­ner ein­mar­schier­ten, schenk­ten sie mir eine Schach­tel Lucky Strike-Ziga­ret­ten. Der Bau­er hat­te Angst, dass ich mich rächen wür­de, jetzt, wo die deut­sche Poli­zei nicht mehr im Dorf war. Aber ich ging zu ihm und schenk­te ihm die Ziga­ret­ten – aus Freu­de, über­lebt zu haben. Ich war so glück­lich und spür­te kei­ner­lei Wut in mir. Ich woll­te die gan­ze Welt umar­men. Ein hal­bes Jahr spä­ter lern­te ich ein deut­sches Mäd­chen aus Ober­schle­si­en ken­nen — mei­ne heu­ti­ge Frau. Hass wur­de für mich bedeu­tungs­los.Wäh­rend Erlich spricht, gesel­len sich Nur­gül ­Usluo­g­lu und Laa­van­ja Sin­na­du­rai dazu. Sie set­zen sich neben­ein­an­der an den gros­sen Tisch.Redak­ti­on: Herr Ehr­lich, wie ist ihr Ver­hält­nis zum Juden­tum heu­te?Erlich: Ich bin als Jude gebo­ren, habe die Tra­di­tio­nen mei­ner Eltern über­nom­men. Reli­gi­on ist für mich ein Ver­hal­tens­ko­dex, eine Zusam­men­stel­lung von ethi­schen Hin­wei­sen, wie der Mensch leben soll. Neh­men wir die zehn Gebo­te von Moses. Du sollst nicht töten. Das sind Sät­ze, die vor tau­sen­den von Jah­ren geschrie­ben wur­den und nie ihre Gül­tig­keit ver­lie­ren wer­den. Das ist doch das Schön­ste, was die Mensch­heit von sich geben konn­te.Redak­ti­on: Frau Usluo­g­lu, wie haben Sie es mit der Reli­gi­on?Nur­gül Usluo­g­lu: Ich bin in der Tür­kei in einem mus­li­mi­schen Eltern­haus gross­ge­wor­den. Ich muss­te weder ein Kopf­tuch tra­gen, noch regel­mäs­sig beten. Mei­ne Eltern leb­ten mir eine spi­ri­tu­el­le Art des Islam vor. Seit eini­gen Jah­ren bin ich nun Anhän­ge­rin des Sufis­mus, einer spe­zi­el­len Form des Islam. Die Sufis sehen den eigent­li­chen Kern, die Essenz der Reli­gi­on.Redak­ti­on: Wir hat­ten vor­her drei Bei­spie­le, wie man mit Wut umge­hen kann. Wie ist Ihre Bezie­hung zu Wut und Hass?Usluo­g­lu: Ich bin in einem Eltern­haus auf­ge­wach­sen, in dem man als Mäd­chen kei­ne Wut haben durf­te.Redak­ti­on: Wütend zu sein, war also den Män­nern vor­be­hal­ten?Usluo­g­lu: Ja. Wut ist eine kraft­vol­le Ener­gie.Redak­ti­on: Und der Sufis­mus war dann für Sie eine Mög­lich­keit, Ihre Per­sön­lich­keit als Frau zu fin­den?Usluo­g­lu: Genau. Im Sufis­mus geht es dar­um, die inne­re Stär­ke zu ent­wickeln, die eben einen direk­ten Bezug hat zum Gött­li­chen und zum Gei­sti­gen. Da spielt das Geschlecht kei­ne Rol­le. Durch den Dreh­tanz konn­te ich die Wut direkt in eine Akti­on umset­zen.Redak­ti­on: Ken­nen Sie, Frau Sin­na­du­rai, das Gefühl von Wut und Hass?Laa­van­ja Sin­na­du­rai: In der Puber­tät hat­te ich eine Iden­ti­täts­kri­se. Denn als eine in der Schweiz gebo­re­ne Toch­ter von tami­li­schen Eltern rea­li­sier­te ich, dass ich nicht die glei­chen Frei­hei­ten hat­te wie mei­ne Schwei­zer Freun­din­nen. Ich durf­te nicht gleich lan­ge an Par­ties blei­ben und durf­te auch kei­nen Schwei­zer Freund haben. Das mach­te mich wütend.Johan­na Bun­di gesellt sich zur Runde. Redak­ti­on: Ein anstren­gen­des Dop­pel­le­ben?Sin­na­du­rai: Oh ja. Zwar habe ich das Dop­pel­le­ben einer Schwei­ze­rin mit tami­li­schen hin­du­isti­schen Wur­zeln immer zele­briert. Aber das Leben zwi­schen zwei völ­lig ver­schie­de­nen Kul­tu­ren, das braucht enorm Ener­gie und hat auch eine Kehr­sei­te: Da kann schon mal Wut und Hass auf­kom­men.Redak­ti­on: Machen wir einen Sprung aus Sri Lan­ka in den römisch-­ka­tho­li­schen Teil im Bünd­ner­land. Frau Bun­di, Ihre reli­giö­se Sozia­li­sie­rung als Poli­zi­stin, wie ist die?Johan­na Bun­di: Ich bin in einer Gross­fa­mi­lie mit sie­ben Geschwi­stern auf­ge­wach­sen. Die Reli­gi­on hat­te bei uns einen hohen Stel­len­wert und ich bin über­zeugt, dass mein Glau­be mir in mei­nem Beruf als Poli­zi­stin sehr hilft. Bei­spiels­wei­se wenn wir eine Todes­nach­richt über­brin­gen müs­sen. Ich erin­ne­re mich an eine die­ser schwie­ri­gen Situa­tio­nen, als ich einer Mut­ter mit­tei­len muss­te, dass ihr 13-jäh­ri­ger Sohn ver­stor­ben ist. Da ist ein gutes Fun­da­ment eine gros­se Hil­fe. Und das habe ich dank mei­nem Glau­ben.Redak­ti­on: Als Poli­zi­stin sind Sie immer wie­der Zeu­gin von häus­li­cher Gewalt. Was macht das mit Ihnen?Bun­di: Wenn man ein Kind mit blau­en Flecken, halb tot­ge­schla­gen im Bett­chen lie­gen sieht, da kommt Wut hoch: Wie kann man einem wehr­lo­sen Geschöpf so etwas antun? Das macht mich unglaub­lich wütend und gleich­zei­tig weiss ich, dass ich nicht viel dage­gen unter­neh­men kann.Szabo: Gewalt gegen Kin­der ist sehr schlimm. Ich erin­ne­re mich an einen mei­ner Post­über­fäl­le, bei dem ich ganz in Schwarz geklei­det war, eine Hau­be mit Seh­schlit­zen über dem Gesicht und eine gela­de­ne Waf­fe in der Hand hat­te. Eine Mut­ter mit ihren Kin­dern war in der Filia­le. Sie zog die Kin­der zu sich und zit­ter­te am gan­zen Leib. Sie wein­te und bet­tel­te: Bit­te tun Sie mei­nen Kin­dern nichts. Da habe ich mir gedacht, ich habe Kin­der im genau glei­chen Alter. Denen wür­de ich nie etwas antun. Trotz­dem habe ich die Frau eis­kalt ange­wie­sen, sich in die Ecke zu stel­len und zu tun, was ich ihr sage. Die­se Sze­ne hat mich lan­ge ver­folgt.Jac­que­line Straub und Loten Nam­ling set­zen sich an den Tisch. Die Run­de ist nun komplett.Bun­di: Haben Sie nach­her Kon­takt zu die­ser Per­son auf­ge­nom­men?Szabo: Ja, ich habe mich nach mei­ner Ent­las­sung aus dem Gefäng­nis bei ihr ent­schul­digt. Dabei habe ich erfah­ren, welch tra­gi­sche Fol­gen die­se Sze­ne in ihrem Leben hat­te. Da erst habe ich gemerkt, was ich getan hat­te: etwas, das nicht zu ent­schul­di­gen ist.Redak­ti­on: Herr Nam­ling, Sie set­zen sich gegen die Unter­drückung der Tibe­ter ein. In einer Ihrer Aktio­nen sind Sie mit einem Sarg von Genf nach Bern mar­schiert. Ist das Ihre Art, mit Wut umzu­ge­hen?Loten Nam­ling: Es war nicht Wut, die mich dazu bewegt ­hat­te, son­dern Fru­stra­ti­on. Fru­stra­ti­on, dass sich seit 50 Jah­ren trotz unse­rem gewalt­lo­sen Kampf im Tibet nichts ver­än­dert hat. Auch nach der 35. Selbst­ver­bren­nung von tibe­ti­schen Mön­chen hat nie­mand reagiert – weder die Poli­tik noch die Me­dien. Das brach­te mich zum Wei­nen und ich konn­te nicht mehr schla­fen. Mit mei­nem Marsch woll­te ich auf die hoff­nungs­lo­se Situa­ti­on im Tibet auf­merk­sam machen, denn ich wuss­te, mich sel­ber ver­bren­nen wer­de ich nicht. Dazu fehlt mir der Mut.Redak­ti­on: Frau Straub, Sie sind römisch-katho­lisch und möch­ten seit Jah­ren Prie­ste­rin wer­den, was Sie als Frau in ihrer Kir­che nicht kön­nen. Und Sie boxen. Haben Sie auf Ihrem Box­sack Papst Fran­zis­kus abge­bil­det?Jac­que­line Straub: Mit Papst Fran­zis­kus fah­ren wir Katho­li­ken ganz gut, mit ihm muss man sich nicht anle­gen. Aber es gab schon Situa­tio­nen in mei­nem Leben, bei denen ich in den Box­club ging, um mei­ne gan­ze Wut raus­zu­las­sen. Etwa nach­dem ich eine Hass­mail erhal­ten hat­te. Feind­bil­der jedoch habe ich mir abge­wöhnt. Die brin­gen nichts und rau­ben mir nur Ener­gie.Es ist heiss im Raum. Johan­na Bun­di tupft sich den Schweiss von der Stirn. Eben­so Loten Nam­ling, dann bestellt er einen Grüntee.Redak­ti­on: Sie bekom­men Hass­mails? Löst Ihr Wunsch, Prie­ste­rin zu wer­den, so star­ke Reak­tio­nen aus?Straub: Aller­dings! Ich muss mir bei­spiels­wei­se von gleich­alt­ri­gen Prie­ster­an­wär­tern anhö­ren: «Du kannst nicht Prie­ste­rin wer­den, der Hei­li­ge Geist kann gar nicht in dir wir­ken», oder «Gott kann nun mal kei­ne Frau­en beru­fen». Sol­che Aus­sa­gen ver­let­zen mich. Und dazu kommt: Wenn jemand denkt, dass Gott etwas nicht kann, stellt er des­sen All­macht in Fra­ge. Damit stellt er sich über Gott, was einem Men­schen nicht zusteht.Bun­di: Mit einem Wech­sel zur refor­mier­ten Kir­che könn­ten Sie ganz ein­fach Pfar­re­rin wer­den.Straub: Das stimmt, das habe ich mir natür­lich auch über­legt. Ich will die römisch-katho­li­sche Kir­che aber nicht ver­las­sen. Ich fin­de, man muss sich dafür ein­set­zen. Manch­mal muss man halt – etwas blu­mig gesagt – jeman­dem mit dem Fuss in den Hin­tern tre­ten, damit etwas vor­an­geht.Usluo­g­lu: Das sind Muster, die sich auf der gan­zen Welt wie­der­ho­len: Die Unter­drückung des Weib­li­chen ist prak­tisch über­all zu fin­den. Es ist die Angst des Man­nes vor der Frau. Doch war­um muss der Mann die Frau kon­trol­lie­ren?Straub: Ich den­ke, es ist das Unbe­kann­te.Bun­di: Es ist noch gar nicht so lan­ge, dass es im Poli­zei­dienst Frau­en gibt. Und wir erle­ben heu­te noch, dass die Kol­le­gen Angst vor uns haben. Die Män­ner fürch­ten um ihre Kar­rie­re, ja um ihre Exi­stenz.Erlich: … und ihre Domi­nanz viel­leicht.Bun­di: Ja, auch Domi­nanz. Da hel­fen auch Frau­en­quo­ten wenig.Nam­ling: Ich glau­be, das Ego ist der ent­schei­den­de Punkt. Je nach dem, wie man auf­ge­wach­sen ist, wird das Ego sehr ver­letz­lich. Abschaf­fen lässt es sich nicht, aber man kann es in Balan­ce brin­gen. Zu schnell gera­ten Män­ner in der Schweiz aus der Balan­ce, wenn Frau­en mäch­ti­ger, bes­ser oder intel­li­gen­ter sind.Sin­na­du­rai: In Sri Lan­ka sind die Frau­en stark und haben eine gros­se Bedeu­tung. Aber seit wir in der Dia­spo­ra leben, hat sich vie­les ver­än­dert. Die Frau­en haben es nun schwe­rer, weil die Män­ner vor ihnen hier­her kamen. Nun ver­su­chen wir als zwei­te Gene­ra­ti­on, die Gleich­be­rech­ti­gung wie­der her­zu­stel­len.Redak­ti­on: Im Hin­du­is­mus gibt es die Göt­tin Shak­ti, die für Wut und Zer­stö­rung steht. Spü­ren Sie die­se Shak­ti-Ener­gie manch­mal?Sin­na­du­rai: Ich spü­re immer wie­der die­se inne­re Stär­ke und fra­ge mich stau­nend, woher sie wohl kommt. Als Juri­stin bin ich oft mit trau­ri­gen Schick­sa­len, mit Wut und Hass kon­fron­tiert – vor allem von der älte­ren Gene­ra­ti­on der Tami­len. Aber ich sage mir, ich bin dafür nicht ver­ant­wort­lich, auch nicht für die Gewalt in Sri Lan­ka. Und ich kann nichts dafür, dass ich in der Schweiz gebo­ren wur­de und hier in Sicher­heit lebe. 
Redak­ti­on: Wir haben über Krieg gespro­ chen. Aber auch ande­re Ereig­nis­se kön­nen Wut aus­lö­sen, zum Bei­spiel schwe­re Krank­ hei­ten. Sie, Frau Usluo­g­lu, haben als Onko­ log­in bestimmt Erfah­rung in die­sem Bereich 
Usluo­g­lu: In gewis­ser Wei­se schon, ja. Bei einer Krebs­krank­heit wird unser Fun­da­ment erschüt­tert. Es geht um Leben und Tod. Um grund­sätz­li­che Fra­gen wie: Wofür lebe ich eigent­lich? Was ist wirk­lich wich­tig im Leben? All das, was wir im All­tag ver­ges­sen haben, weil wir dach­ten, das Leben gehe ewig. Dort hole ich die Men­schen ger­ne ab. Es gibt ver­schie­de­ne For­men, sie zu unter­stüt­zen: Che­mo­the­ra­pie, Psy­cho­the­ra­pie, Phy­sio­the­ra­pie und Gesprä­che. Ich ergän­ze die­ses Ange­bot mit dem Dreh­tanz der Sufis. Dabei kommt alles, nicht nur der Kör­per, in Bewe­gung. Und das hat eine star­ke Wir­kung.Redak­ti­on: Was geschieht beim Dreh­tanz?Usluo­g­lu: Beim Dre­hen kommt man zual­ler­erst mit dem Kör­per in Kon­takt und dann, fast auto­ma­tisch, mit dem Gei­sti­gen. Und wenn man das spürt, wer­den alle Fra­gen auf­ge­löst.Szabo: Mir hat die Spi­ri­tua­li­tät auch gehol­fen, aller­dings die christ­li­che. Mit dem Gefäng­nis­seel­sor­ger mach­ten wir eine Art Medi­ta­ti­on. Und im Gebet hat er mich sym­bo­lisch ans Kreuz gena­gelt wie einst die Ver­bre­cher neben Jesus. Zu wis­sen, dass Jesus alle Schuld auf sich nimmt, hat mir enorm gehol­fen. Da spür­te ich auf ein­mal wie­der Kraft in mir. Auch spi­ri­tu­el­le Kraft. Unglaub­lich.Redak­ti­on: Frau Bun­di, wel­che Rol­le spielt die Reli­gi­on bei der Poli­zei­ar­beit?Bun­di: Die mei­sten Poli­zi­sten sind Chri­sten. Nach und nach kom­men auch ande­re Reli­gi­ons­zu­ge­hö­ri­ge dazu. Bei der Arbeit auf der Stras­se stel­le ich einen kul­tu­rel­len Wan­del fest. Da muss­te ich mir von einem Mus­lim auch schon anhö­ren: Du bist ja nur eine Frau. Auch der Umgang mit Ver­däch­tig­ten ist manch­mal hei­kel. Es kann bei­spiels­wei­se vor­kom­men, dass ein Ver­däch­ti­ger sich nackt aus­zie­hen muss, weil er gefähr­li­che Gegen­stän­de auf sich tra­gen könn­te. Das kann sehr ernied­ri­gend sein und Wut und Hass aus­lö­sen. Manch­mal muss man das aber durch­set­zen.Redak­ti­on: Hat Reli­gi­on die Kraft die Welt zu ver­än­dern?Erlich: Die Reli­gi­on hat einen sehr gros­sen Ein­fluss, aber die Men­schen müs­sen sie ernst neh­men. Ich fin­de: Die Reli­gi­on muss lau­ter wer­den und nicht Ruhe geben, bis etwas in Bewe­gung kommt. Es reicht nicht, von 9 bis 10 Uhr einen Got­tes­dienst abzu­hal­ten. Reli­gi­on muss sich aktiv mehr Gehör ver­schaf­fen.Redak­ti­on: Wie ist das für Sie als Holo­caust-Über­le­ben­der, wenn – wie seit eini­ger Zeit fest­zu­stel­len ist – anti­se­mi­ti­sche Äus­se­run­gen zuneh­men? Wenn in Frank­reich bei­spiels­wei­se Juden gebe­ten wer­den, ihre Kip­pa nicht zu tra­gen?Erlich: Das ist tat­säch­lich unglaub­lich und unbe­greif­lich. Das muss bekämpft wer­den durch Auf­klä­rung. Der zwei­te Welt­krieg ende­te mit einer Atom­bom­be. Ich fürch­te, ein drit­ter Welt­krieg wür­de mit einer sol­chen begin­nen. Bewah­re uns Gott davor, denn das wäre das Ende unse­res Pla­ne­ten!Redak­ti­on: Was haben Ihre Erfah­run­gen mit Ihrem Glau­ben gemacht? Hel­mut Schmidt hat ein­mal gesagt: «Die Chri­sten­heit, der Glau­be, hört bei Ausch­witz auf.» Ist das für Sie ähn­lich?Erlich: Nein, der Glau­be hört nie auf. Die Men­schen sind stän­dig Schwan­kun­gen unter­wor­fen, Pro­pa­gan­da, was weiss ich. Aber die Reli­gi­on ist unver­än­der­lich, sie pre­digt das Gute. Was haben die Juden ver­schul­det, dass man sie so hasst? Der Herr­gott hat die Welt doch für alle Men­schen geschaf­fen.Bun­di: Und man hat nichts dar­aus gelernt! Wie vie­le Geno­zid­ver­bre­chen pas­sie­ren heu­te, im 21. Jahr­hun­dert!Erlich: Sie haben Recht. Doch was soll man machen? Wenn Reli­gi­on schon nicht hel­fen kann, was dann?Rader­ma­cher: Alle Reli­gio­nen wol­len eigent­lich im Ursprung das Glei­che: Lie­be und Frie­den. Doch vie­les wird falsch gedeu­tet und miss­ver­stan­den. Des­halb erle­ben wir genau das Gegen­teil davon. Aus mei­ner Erfah­rung als Beglei­te­rin von Men­schen, die ihren Weg suchen, ist eine der gröss­ten Ver­let­zun­gen die, wenn man als Kind nicht wahr­ge­nom­men wird; wenn man nicht als das gese­hen wird, was man ist und immer mehr ein fal­sches Selbst auf­baut.Szabo: Ich gebe Ihnen Recht! Alles beruht auf Krän­kun­gen und Ver­let­zun­gen. Das habe ich in den lan­gen Jah­ren im Gefäng­nis gelernt. Aber dafür fehlt meist das Bewusst­sein. Man gibt instink­tiv immer den ande­ren die Schuld für die eige­nen Ver­feh­lun­gen.Sin­na­du­rai: Und ver­passt dabei, Eigen­ver­ant­wor­tung zu über­neh­men. Das ist die typi­sche Opfer­rol­le.Redak­ti­on: Frau Rader­ma­cher, Sie haben gesagt, wenn die gan­ze Welt so medi­tie­ren wür­de, wie Sie es gelernt haben, gäbe es kei­nen Krieg mehr. Ist das nicht etwas naiv?Rader­ma­cher: Als Kind war ich immer fas­zi­niert vom Zau­bern. Ich glau­be, das hat mei­nen Weg beein­flusst, mei­nen Weg zum Hei­len und in die Ener­gie­welt. Denn dort zau­bert man: Was da genau geschieht, weiss man nicht. Aber es hat eine Wir­kung, und die ist sicht­bar. Wenn zum Bei­spiel an einer Kreu­zung, wo immer Unglücke pas­sie­ren, meh­re­re Leu­te medi­tie­ren, dann gibt es mess­bar weni­ger Unfäl­le. Das ist doch Zau­be­rei. Und mit Zau­be­rei mei­ne ich, dass es Hei­lungs­me­tho­den gibt, die man weder kon­trol­lie­ren noch erklä­ren kann.Sin­na­du­rai: Wenn ich ehr­lich bin, Frau Rader­ma­cher, fin­de ich das etwas naiv. Weder Ihr Zau­ber noch die Reli­gi­on hel­fen für den Welt­frie­den!Nam­ling: Da stim­me ich Ihnen zu. Seit Jahr­tau­sen­den pas­sie­ren im Namen der Reli­gi­on die schlimm­sten Sachen. Im Namen jeder Reli­gi­on – auch der mei­nen, dem Bud­dhis­mus. Ich glau­be, es geht dar­um ein­zu­se­hen: Jeder Mensch will glück­lich sein. Nie­mand will lei­den. Das hat nichts mit Reli­gi­on zu tun, das ist etwas grund­le­gend Mensch­li­ches. Reli­giö­se Ober­häup­ter müs­sen aner­ken­nen und sich dafür ein­set­zen, dass kei­ne Reli­gi­on bes­ser ist als die ande­re. Des­halb müs­sen Mis­sio­nie­run­gen gestoppt wer­den. Sie lösen Angst und Gewalt aus. Es ist wich­tig, dass wir jede Reli­gi­on akzep­tie­ren, nicht nur im Mund, son­dern im Her­zen.Erlich: Genau dar­an schei­tert es mei­stens.Rader­ma­cher: Ach­tung! All­ge­mei­ne For­de­run­gen brin­gen wenig. Wenn man über­haupt Ver­än­de­rung her­vor­brin­gen kann, dann nur da, wo man lebt und arbei­tet.Straub: Der Frie­den fängt in jedem selbst an; wenn jeder ver­sucht, fried­sam zu leben. Das fängt bereits in der Fami­lie an. Wenn dort Streit und Gewalt zum All­tag gehört, dann…Nam­ling: Ja, das ist viel­leicht das Wich­tig­ste über­haupt für einen respekt­vol­len Umgang mit ande­ren Men­schen: ein lie­be­vol­les Eltern­haus.Usluo­g­lu: Für mich gibt es kei­ne Ver­än­de­rung, solan­ge alles nur im Kopf bleibt. Neh­men wir das Bei­spiel des Vati­kans, der den Anti­se­mi­tis­mus «ver­bie­ten» will, das ist doch…Nam­ling: …Das ist genau das Pro­blem. Es ist eine Anord­nung von oben! Es muss von unten kom­men…Usluo­g­lu: Ja, aber es ändert sich nichts, wenn die Ein­sicht nur im Kopf statt­fin­det. Des­we­gen brau­chen wir auch die Medi­ta­ti­on. In der Medi­ta­ti­on kom­men wir in das Erleb­nis. Reli­gi­on wur­de immer miss­braucht, um Dog­men zu kre­ieren. Doch die Men­schen heut­zu­ta­ge wol­len kei­ne Dog­men mehr. Sie wol­len Frei­heit. Reli­gi­on muss Men­schen frei machen und nicht ein­sper­ren. Wenn wir ein­ge­sperrt wer­den, ent­steht Wut.Seit ein­ein­halb Stun­den dis­ku­tie­ren die Gäste. Laa­van­ja Sina­du­rai muss los. Sie steht auf und ver­ab­schie­det sich.Redak­ti­on: In sei­nem letz­ten Buch hat der Dalai Lama for­mu­liert, Ethik sei wich­ti­ger als Reli­gi­on.Nam­ling: Wer hat Reli­gi­on gemacht? Die Men­schen. Was ist die Grund­la­ge von allen Men­schen? Das ist die Ethik. Bevor man Reli­gi­on ver­steht, muss man die Ethik ver­ste­hen. Love is the ground of all reli­gi­ons.Bun­di: Lei­der haben wir aber das Pro­blem, dass vie­le Men­schen heu­te Reli­gi­on mit einem Bei­geschmack wahr­neh­men. Wenn ich in mei­nen Umfeld von Ethik spre­che, dann ist das okay. Wenn ich aber von Reli­gi­on spre­che, dann schau­en mich die Leu­te mit gros­sen Augen an und sagen: Aus wel­cher Sek­te kommst du denn?Erlich: Man muss die Men­schen dazu brin­gen, an Freund­schaft und Brü­der­lich­keit zu glau­ben, nicht nur davon zu träu­men!Bun­di: Sie kön­nen den Leu­ten das nicht hin­ein­häm­mern! Sie müs­sen das leben.Straub: Aber wir haben auch so vie­le Ste­reo­ty­pe. Gera­de gegen Juden, selbst heu­te noch. Für mich als katho­li­sche Theo­lo­gin ist klar, das Juden­tum ist nicht zu tren­nen vom Chri­sten­tum. Trotz­dem hal­ten sich vie­le Vor­ur­tei­le, etwa Juden sei­en geld­gie­rig. Ste­reo­ty­pen, die schon Hit­ler benutzt hat­te.Erlich: Das sind alles Lügen, die auf­ge­baut wur­den, um die Juden zu bekämp­fen. Ghet­tos, Inqui­si­ti­on, Aus­schwitz; all das wer­de ich nie ver­ste­hen!Straub: Genau hier liegt das Pro­blem. Bil­der, die irgend­wann ein­mal von den Reli­gio­nen gemacht wur­den, sind heu­te noch da, ohne dass man ihren Ursprung kennt. So wer­den Mus­li­me heu­te schnell als Ter­ro­ri­sten bezeich­net. Ich erle­be das sogar unter Mei­nes­glei­chen: Selbst unter Theo­lo­gen gibt es immer wie­der Vor­ur­tei­le gegen­über ande­ren Reli­gio­nen und Men­schen. Da fra­ge ich mich: Haben wir ein Recht, über ande­re zu urtei­len?Rader­ma­cher: Die­se Prä­gung geschieht bereits im Kin­des­al­ter. Ich kann mich gut erin­nern, ich war noch ganz klein, als mei­ne Brü­der von einem Tag auf den andern nicht mehr mit Juden­kin­dern spie­len durf­ten. Kei­ner hat ver­stan­den, war­um. Das wur­de ein­fach befoh­len.Nam­ling: Die Chi­ne­sen hat­ten im Tibet genau die glei­che Tak­tik. Schreck­lich.Bro­nis­law Erlich steht auf, sein Taxi war­tet. Er zieht sein Sak­ko an und nimmt den Gehstock. Erlich: Nur noch dies: Gott ist wich­tig, aber die Men­schen sind genau so wich­tig. Wür­de Jesus heu­te vom Kreuz her­un­ter­stei­gen, wür­de er sich die Augen rei­ben und sagen: «Gopf­ried­stutz! Was habt ihr mit mei­ner Leh­re gemacht!» Vie­le Men­schen sind wahr­schein­lich nicht reif für das, was der Herr­gott uns sagt.Er sagt auf Wie­der­se­hen und ver­lässt die Tisch­runde. Auch Jac­que­line Straub muss los und ver­ab­schie­det sich. Rader­ma­cher: Ich fin­de nach wie vor, wenn man von der gan­zen Welt redet, ver­passt man die Gele­gen­heit, auf sich sel­ber zu schau­en. Man kann nur da etwas bewir­ken, wo man sel­ber ist. Und je mehr Men­schen das begrei­fen, desto mehr Frie­den kommt in die Welt.Szabo: Mein Mot­to ist: Geh mit jeman­dem so um, wie du willst, dass mit dir umge­gan­gen wird.Bun­di: Die Welt ist nicht geschaf­fen wor­den, um in Frie­den zu leben. Sonst hät­ten wir ja die­se Prü­fun­gen nicht, die Jesus uns auf­er­legt.Usluo­g­lu: Ich fin­de, die Medi­en spie­len eine wich­ti­ge Rol­le in die­ser Dis­kus­si­on. Sex and Crime, das ver­kauft sich gut. Dane­ben pas­siert aber auch sehr viel Gutes auf der Welt. Nur, das kommt nicht in die Schlag­zei­len. Des­halb bekom­men die Men­schen vor dem eige­nen Nach­barn Angst. Weil man nur das Böse sieht. Oft rate ich mei­nen Pati­en­ten, den Fern­se­her aus­zu­schal­ten.Redak­ti­on: Wie gehen Sie per­sön­lich damit um?Usluo­g­lu: Mein Weg zu leben, ist, den Kör­per und die Gefüh­le wahr­zu­neh­men. Wir sind Men­schen mit Lie­be und Mit­ge­fühl. Klar, wir müs­sen auch Gren­zen set­zen, um uns zu schüt­zen.Nam­ling: Ja, aber nicht Mau­ern bau­en. Und damit mei­ne ich nicht nur phy­si­sche Mau­ern, wie Trump zwi­schen Mexi­ko und den USA errich­ten will, son­dern auch die Mau­ern im Kopf. Trumps Mau­er zu Mexi­ko ist über­wind­bar, nicht aber die Mau­er, wel­che die Reli­gi­on im Kopf errich­tet – die ist bei­na­he unzer­stör­bar. Wir müs­sen her­aus­fin­den, wie wir die­se Mau­er ein­reis­sen kön­nen.Redak­ti­on: Zwei Men­schen in unse­rer Run­de hier haben die­se gei­sti­gen Mau­ern durch­bro­chen. Herr Erlich, indem er sei­nen Fein­den ­Ziga­ret­ten schenk­te. Und Sie, Herr Szabo, indem Sie den Weg der Ver­söh­nung such­ten.Szabo: Ja, das koste­te viel Kraft. Aber nichts in mei­nem Leben hat sich mehr gelohnt als das.Bun­di: Sol­che Mau­ern dür­fen gar nicht erst ent­ste­hen. Ich habe einen zehn­jäh­ri­gen Sohn. Für mich ist wich­tig, dass wir als Eltern unse­ren Kin­dern Wer­te mit­ge­ben und eine Ethik ver­mit­teln, die Türen öff­nen. Es ist, als ob man einen Stein ins Was­ser wirft, der sei­ne Krei­se zieht.Die Redak­to­ren bedan­ken sich bei ihren Gästen, die sich nach und nach ver­ab­schie­den. Eri­ka Rader­ma­cher reicht Loten Nam­ling die Hand. Er schaut sie an und meint: «Machen Sie wei­ter mit der ­Zau­be­rei». Bei­de lachen. Auch Nur­gül Usluo­g­lu will auf­bre­chen. Doch sie kommt mit Loten Nam­ling ins Gespräch, setzt sich wie­der an den Tisch. Nach etwa zehn Minu­ten bit­tet Loten Nam­ling um Ruhe und kün­digt ein tibe­ti­sches Lied an. Er lei­de zwar an einer Kehl­kopf­ent­zün­dung, sagt er, und der Arzt habe ihm das Sin­gen unter­sagt. Trotz­dem möch­te er eines der Lie­der aus den Ber­gen sei­ner Hei­mat vor­tra­gen. Er singt und sei­ne kräf­ti­ge Stim­me durch­dringt den Saal. Nur­gül Usluo­g­lu steht auf, zieht die Schu­he aus, ver­beugt sich tief und beginnt einem Dreh­tanz. Rudolf Szabo schliesst die Augen und hört zu. Text: Chri­sta Amstutz, Marie-Chri­sti­ne And­res, Han­nah Ein­haus, Katha­ri­na Kilchen­mann, Jürg Mei­en­berg, Nico­la MohlerDie­ses Gespräch erschien am 26. Okto­ber 2017 als Bei­la­ge von Hori­zon­te als «Dos­sier zur Woche der Reli­gio­nen» und als  Bei­la­ge wei­te­rer kirch­li­cher Publi­ka­tio­nen unter dem Namen «zVi­si­te». www.zvisite.ch 
Marie-Christine Andres Schürch
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