Vom Davon­lau­fen und Bleiben

Vom Davon­lau­fen und Bleiben

Lukas 24,28–29So erreich­ten sie das Dorf, zu dem sie unter­wegs waren. Jesus tat, als wol­le er wei­ter­ge­hen, aber sie dräng­ten ihn und sag­ten: Blei­be bei uns; denn es wird Abend, der Tag hat sich schon geneigt! Da ging er mit hin­ein, um bei ihnen zu bleiben.Ein­heits­über­set­zung 2016 

Vom Davon­lau­fen und Bleiben

Es ist zum Davon­lau­fen! Wie oft sagen wir das doch ein­fach so daher. Ernst wird es aber dann, wenn Blei­ben kei­ne Opti­on mehr ist und nur noch eine Flucht zu hel­fen scheint.Es ist zum Davon­lau­fen, sagt die Frau nach weni­gen Ehe­jah­ren – und tut es wirk­lich. Aber nicht nur in ehe­li­chen Ein­öden, auch in der Ein­sam­keit des Alters oder im über­for­dern­den Job, in Zei­ten von Krank­heit, Krieg und Kli­ma­pro­ble­men ist es zum Davon­lau­fen.Für den hei­li­gen Ange­lo von Acri war auch das Klo­ster­le­ben zum Davon­lau­fen. Zwei­mal hat er kur­ze Zeit nach sei­nem Ein­tritt wie­der die Flucht ergrif­fen. Erst beim drit­ten Anlauf konn­te er sich end­gül­tig für das ent­beh­rungs­rei­che Leben ent­schei­den.Und ja: Auch die Situa­ti­on der Kir­che ist der­zeit für ganz vie­le Men­schen «zum Davon­lau­fen»! Aber wohin soll es gehen, wenn es nicht mehr geht?Die Bibel erzählt vie­le Geschich­ten vom Davon­lau­fen und Blei­ben. Eine davon ist die Geschich­te der Emma­us­jün­ger. Als es nach Jesu Tod dar­auf ankommt, Far­be zu beken­nen, blei­ben von den Jün­ge­rin­nen und Jün­gern nur die Frau­en. Die Män­ner lau­fen davon. Zwei von ihnen wan­dern nach Emma­us und spre­chen unter­wegs über ihre ent­täusch­ten Hoff­nun­gen. Auf dem Weg begeg­nen sie einem Unbe­kann­ten, der sich in ihr Gespräch ein­mischt. Er kann ihnen alles so gut dar­le­gen, dass sie ihn bit­ten: «Blei­be bei uns, denn es wird Abend, der Tag hat sich schon geneigt» (Lk 24,29). Er bleibt. Und als der frem­de Gast das Brot mit ihnen bricht, gehen ihnen die Augen auf und sie erken­nen ihn: Es war der auf­er­stan­de­ne Jesus, der bei ihnen blieb. Seit die­ser wun­der­ba­ren Geschich­te wis­sen wir, dass er bei uns bleibt. Und seit die­ser Geschich­te wis­sen wir auch, wo wir blei­ben kön­nen, wenn es zum Davon­lau­fen ist.Was kann die Kir­che tun, wenn ihr die Men­schen davon­lau­fen? Was braucht es, damit die Men­schen zu ihr zurück­fin­den?Bei einer Begeg­nung mit den bra­si­lia­ni­schen Bischö­fen im Jah­re 2013 fin­det Papst Fran­zis­kus – aus­ge­hend von der Emma­us­ge­schich­te – zu die­ser Ant­wort: «Es braucht eine Kir­che, die kei­ne Angst hat, in die Nacht die­ser Men­schen hin­ein­zu­ge­hen. Es braucht eine Kir­che, die fähig ist, ihnen auf ihren Wegen zu begeg­nen. Es braucht eine Kir­che, die sich in ihr Gespräch ein­zu­schal­ten ver­mag. Es braucht eine Kir­che, die mit jenen Jün­gern zu dia­lo­gi­sie­ren ver­steht, die aus Jeru­sa­lem fort­lau­fen und ziel­los allein mit ihrer Ernüch­te­rung umher­zie­hen, mit der Ent­täu­schung über ein Chri­sten­tum, das mitt­ler­wei­le als ste­ri­ler, unfrucht­ba­rer Boden ange­se­hen wird, der unfä­hig ist, Sinn zu zeu­gen. (…) Es braucht eine Kir­che, die wie­der das Feu­er bringt, um die Her­zen in Brand zu set­zen.»Ob wir nun blei­ben oder im Davon­lau­fen die Lösung auf unse­re Fra­gen sehen – für uns alle (und auch für die Kir­che) gilt die Ver­heis­sung: Gott ist da und er bleibt.Nadia Miri­am Kel­ler, Theo­lo­gin, arbei­tet als Spi­tal­seel­sor­ge­rin am St. Cla­ra­spi­tal in Basel
Leonie Wollensack
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