Ver­gol­de­tes  Schweigen

Ver­gol­de­tes Schweigen

Rund 70 Pro­zent des welt­wei­ten Gol­des wer­den hier­zu­lan­de raf­fi­niert. Die Schwei­zer Regie­rung schütz­te die Bran­che bis vor kur­zem mit der Geheim­hal­tung von Import­sta­ti­sti­ken und wehrt sich wei­ter­hin gegen mehr Trans­pa­renz. Das katho­li­sche Hilfs­werk Fasten­op­fer und sei­ne Part­ner set­zen sich mit der Kon­zern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­ti­ve dafür ein, dass die ver­ar­bei­ten­de Gold­in­du­strie künf­tig auch für die Ein­hal­tung der Men­schen­rech­te in den Abbau­ge­bie­ten gera­de ste­hen muss. Sie heis­sen Val­cam­bi, Metal­or, Pamp und Argor-Heraeus, ihr Export­vo­lu­men ist so gross wie das aller Schwei­zer Uhren‑, Juwe­lier- und Phar­ma­un­ter­neh­men zusam­men – und trotz­dem sind sie in der Schwei­zer Öffent­lich­keit weit­ge­hend unbe­kannt. Die Rede ist von vier der sie­ben gröss­ten Gold­raf­fi­ne­rien welt­weit. Drei von ihnen haben ihren Sitz im Tes­sin, eine im Kan­ton Neu­en­burg. Dass sie kaum jemand kennt, ist in ihrer Bran­che Pro­gramm. Denn das Geschäft mit Gold ist seit jeher ver­schwie­gen und wenig trans­pa­rent – genau­so wie das der Gross­ban­ken, die ursprüng­lich Eigen­tü­me­rin­nen vie­ler Raf­fi­ne­rien waren. Das Roh­gold, das von Val­cam­bi, Metal­or und Co. raf­fi­niert wird, stammt aus Län­dern wie Süd­afri­ka, Peru und Bur­ki­na Faso. Dort ist der Gold­ab­bau für die Men­schen mehr Fluch als Segen:Gift­ein­satz beim Rohstoffabbau Gan­ze Dorf­ge­mein­schaf­ten wer­den ver­trie­ben, Bau­ern­fa­mi­li­en ver­lie­ren ihr Land, der offe­ne Tage­bau hin­ter­lässt weit­räu­mig zer­stör­te Land­stri­che. Um das Edel­me­tall vom Gestein zu tren­nen, wer­den Zya­nid oder Queck­sil­ber in gros­sen Men­gen ein­ge­setzt. Immer wie­der pas­siert es, dass bei Unfäl­len oder Über­schwem­mun­gen Flüs­se und Grund­was­ser ver­gif­tet wer­den, wie etwa im Jahr 2000 im rumä­ni­schen Baia-Mare. Unge­ach­tet des­sen boomt das Geschäft mit dem Edel­me­tall: Gemein­sam hat­ten die vier Schwei­zer Schmel­ze­rei­en 2013 eine geschätz­te Kapa­zi­tät von 2 900 Ton­nen Gold pro Jahr. Damit ver­ar­bei­ten sie 70 Pro­zent des welt­wei­ten Gold­be­darfs (Minen­gold und Alt­gold). In jüng­ster Zeit hat der Stand­ort Schweiz für die Gold­ver­ar­bei­tung wei­ter an Gewicht gewon­nen: Kamen 2004 noch rund 1 000 Ton­nen Gold in die Schweiz zur End­ver­ar­bei­tung, waren es 2013 rund 3 000 Ton­nen und 2235 Ton­nen Gold im Jahr 2014.Deck­man­tel für ille­ga­le Akte Die Schweiz wur­de nicht aus Zufall zu einer glo­ba­len Gold­dreh­schei­be. Die Nähe zum Finanz­platz und eine Poli­tik, die der Bran­che seit jeher wenig Regeln und Steu­ern auf­er­legt und sie vor der Öffent­lich­keit abschirmt, haben das Geschäft begün­stigt. Um den Finanz­platz zu schüt­zen, sah der Bun­des­rat von 1981 bis 2013 davon ab, den Import und Export der Gold­ein­fuhr nach Län­dern auf­ge­schlüs­selt zu ver­öf­fent­li­chen. Unter die­sem Deck­man­tel flo­rier­te in der Schweiz nicht nur der Gold­han­del mit dem Apart­heid-Regime in Süd­afri­ka, son­dern auch mit der UdSSR, mit der im Rah­men des Kal­ten Krie­ges kei­ne Geschäf­te hät­ten getä­tigt wer­den dür­fen.Anzei­ge wegen Bei­hil­fe zu Kriegsverbrechen In den letz­ten Jah­ren ist die Gold­bran­che jedoch gleich mehr­fach unter Druck gera­ten: Im Herbst 2015 mach­te bei­spiels­wei­se die Gesell­schaft für bedroh­te Völ­ker publik, dass die Schwei­zer Raf­fi­ne­rien Pamp und Metal­or in Geschäf­te mit «schmut­zi­gem» Gold aus Latein­ame­ri­ka ver­wickelt sei­en. Die Gen­fer Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on Track Impu­ni­ty Always (Tri­al) zeig­te Argor-Heraeus 2013 wegen Bei­hil­fe zu Kriegs­ver­bre­chen und wegen Geld­wä­sche­rei an. Argor hat­te im Jahr 2005 drei Ton­nen Gold aus der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kon­go ver­ar­bei­tet, just zu jener Zeit, als dort ein bru­ta­ler Krieg wüte­te.Aktu­el­le Geset­zes­la­ge schützt  Men­schen­rech­te nicht Ange­sichts der Häu­fung sol­cher Vor­fäl­le und auf­grund von zuneh­men­dem Druck aus dem Par­la­ment und der Öffent­lich­keit hat der Bun­des­rat 2013 die Geheim­hal­tung der Import- und Export­zah­len nach Län­dern auf­ge­ho­ben. Ein erster Schritt – aber bei wei­tem nicht genug. Auch bestehen­de Geset­ze wie das Geld­wä­sche­rei­ge­setz sowie die Edel­me­tall­ver­ord­nung die­nen ledig­lich dazu, die lega­le Her­kunft des Gol­des nach­voll­zieh­bar zu machen. «Um all­fäl­li­ge Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen oder Umwelt­ver­ge­hen im Zusam­men­hang mit der För­de­rung von Gold zu sank­tio­nie­ren, rei­chen sie jedoch nicht», sagt Dani­el Hostett­ler, Koor­di­na­tor Ent­wick­lungs­po­li­tik von Fasten­op­fer. Dies vor allem des­halb, weil der Bund die Sorg­falts­prü­fung den Raf­fi­ne­rien sel­ber überlässt.Initia­ti­ve will kla­re Regulierungen Dem Bun­des­rat ist die Lücke durch­aus bewusst. Er sieht jedoch kei­nen Hand­lungs­be­darf, wie sei­ne Ant­wort auf eine Moti­on im Sep­tem­ber 2015 zeigt: «Es besteht (in der Edel­me­tall­kon­troll­ver­ord­nung für die Inha­ber einer Schmelz­be­wil­li­gung) aber kei­ne Ver­pflich­tung abzu­klä­ren, aus wel­cher Welt­re­gi­on der Roh­stoff stammt oder ob die­ser men­schen­rechts­kon­form abge­baut wur­de.» Und auch die Zertifizierungs­mechanismen der inter­na­tio­na­len Gold­bran­che rei­chen nicht aus, um Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen rund um den Gold­ab­bau zu ver­hin­dern, denn sie fokus­sie­ren vor allem auf die Ver­hin­de­rung von Geld­wä­sche­rei und den Han­del mit Kon­flikt­mi­ne­ra­li­en. «Es kann aber nicht sein, dass Men­schen ihr Land und ihre Lebens­grund­la­gen ver­lie­ren, damit pri­va­te Unter­neh­men Pro­fi­te machen kön­nen. Des­halb sind Regu­lie­run­gen nötig», sagt Dani­el Hostett­ler. Es brau­che ver­bind­li­che Regeln, wie die Kon­zern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­ti­ve sie vor­sieht: Unter­neh­men mit Sitz in der Schweiz – und dazu gehö­ren auch die Gold­raf­fi­ne­rien – müs­sen sorg­fäl­tig prü­fen, wel­che Aus­wir­kun­gen ihre Zulie­fe­rer – in die­sem Fall die Gold­mi­nen – auf Men­schen­rech­te und Umwelt verursachen.
Andreas C. Müller
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