Über Nie­der­la­gen und ande­re schmerz­haf­te Erfahrungen

Über Nie­der­la­gen und ande­re schmerz­haf­te Erfahrungen

Jesa­ja 50, 4–7Gott, der Herr, gab mir die Zun­ge eines Jün­gers, damit ich ver­ste­he, die Müden zu stär­ken durch ein auf­mun­tern­des Wort. Jeden Mor­gen weckt er mein Ohr, damit ich auf ihn höre wie ein Jün­ger. Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöff­net. Ich aber wehr­te mich nicht und wich nicht zurück. Ich hielt mei­nen ­Rücken denen hin, die mich schlu­gen, und denen, die mir den Bart aus­ris­sen, mei­ne Wan­gen. Mein Gesicht ver­barg ich nicht vor Schmä­hun­gen und Spei­chel. Doch Gott, der Herr, wird mir hel­fen; dar­um wer­de ich nicht in Schan­de enden. Des­halb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kie­sel; ich weiss, dass ich nicht in Schan­de gerate.Ein­heits­über­set­zung 

Über Nie­der­la­gen und ande­re schmerz­haf­te Erfahrungen

Wir müs­sen über schlech­te Erfah­run­gen reden. Da war guter Wil­le, Enga­ge­ment, selbst­los und ziem­lich gren­zen­los. Es ging um eine gute Sache, um Men­schen. Wenn man die Mög­lich­keit hat, muss man sich doch zu Wort mel­den und auch Taten fol­gen las­sen. Man hat sich also stark gemacht für etwas oder jeman­den. Der Haken: Man wird sicht­bar. Und das ruft zwangs­läu­fig Kri­ti­ker auf den Plan. Die einen fin­den, das, was man trei­be, sei völ­lig über­trie­ben, ande­re mei­nen, man tue das nur, um selbst gut dazu­ste­hen. Wie­der ande­re sehen Sach­ver­halt und Ziel­set­zung ganz anders, der Ein­satz sei gar kon­tra­pro­duk­tiv. Und dann sind da noch die Nei­der, die zwar nichts Anstren­gen­des tun möch­ten, ger­ne aber doch ein­mal bekannt wür­den. Neh­men Sie sich doch etwas Zeit, und fra­gen Sie sich, ob in die­ser Dar­stel­lung auch eine schlech­te Erfah­rung von Ihnen gemeint sein könn­te. Sie haben sich sicher auch schon mal expo­niert, viel­leicht nicht auf der gros­sen Büh­ne, es reicht ja schon, wenn man den Mund auf­macht an einer Gene­ral­ver­samm­lung oder in der Pfar­rei. Oder viel­leicht ist der Kreis der Men­schen, vor denen man Far­be bekennt, noch klei­ner, zum Bei­spiel die Ver­wandt­schaft.Eine schlech­te Erfah­rung oder eine Nie­der­la­ge ist in jedem Fall bit­ter. Man ist sicher, dass man eine gute Sache ver­tre­ten hat. Aber statt Aner­ken­nung und Dank ern­tet man Neid, Ableh­nung, Anfein­dung, oder man wird belä­chelt, nicht ernst genom­men oder schlicht über­se­hen.Wie haben Sie reagiert? Haben Sie gedacht: Nie wie­der wer­de ich mich zei­gen! Sol­len doch die ande­ren machen, was sie wol­len! Ich wer­de da nicht wie­der «den Grind» hin­hal­ten! Schlech­te Erfah­run­gen sind ent­mu­ti­gend. Wir alle brau­chen eine gros­se Dosis Aner­ken­nung und Applaus, mit Gegen­wind kön­nen wir meist nicht so gut umge­hen. Oder gehö­ren Sie zu denen, die durch Geg­ner­schaft erst recht in Akti­on gera­ten? Es gibt die­se Men­schen, die sich umso mehr bestä­tigt füh­len, je mehr sie ange­fein­det wer­den. Ich den­ke aber, die mei­sten Men­schen mit schlech­ten Erfah­run­gen zie­hen sich zurück und war­ten dar­auf, dass die Wun­den ver­hei­len.Der Jesa­ja-Text des Palm­sonn­tags bie­tet Alter­na­ti­ven. Mög­lich­keit 1: Recht­fer­ti­gung durch Beru­fung auf den höhe­ren Auf­trag oder das Gewis­sen, was wohl im Grun­de das Glei­che ist. Dann ist das, was ich tue, nicht mein eige­ner Ent­schluss, son­dern ich ste­he im Dienst einer gros­sen Sache. Das lässt die Anfein­dun­gen bes­ser abglei­ten. Die ande­ren sind dann nicht gegen mich, son­dern gegen das Gros­se hin­ter mir. Mög­lich­keit 2: Der Schritt in die Opfer­rol­le. Auf jede Abwehr, beson­ders auch auf jeden Gegen­an­griff ver­zich­ten, schwei­gend erdul­den, was die ande­ren mir antun, in der Hoff­nung, dass sie sich selbst ins Unrecht set­zen. Dann könn­te sicht­bar wer­den, wie unschul­dig ich bin. Ich könn­te Unter­stüt­zung bekom­men, und even­tu­ell kom­men mei­ne Geg­ner ins Nach­den­ken dar­über, war­um ich mich weder ver­trei­ben noch zum Zurück­schla­gen ver­füh­ren las­se.Mög­lich­keit 3: «Was mich nicht umbringt, macht mich stark.» Ich sehe Wider­stand als Chan­ce zum Wachs­tum. Dafür brau­che ich ein «Gesicht, hart wie ein Kie­sel». Aber blei­be ich dabei mensch­lich und berühr­bar? Ich wür­de Jesa­ja – und Ihnen – davon abra­ten.Es bleibt die Mög­lich­keit, sich in die­sen Tagen der Kar­wo­che mit den eige­nen schlech­ten Erfah­run­gen aus­ein­an­der­zu­set­zen und im Blick auf das Kreuz das Ver­trau­en zu stär­ken, dass ich ler­nen kann, Din­ge bes­ser zu machen und dass Gott mich trägt, sodass ich nicht unter­ge­he.Lud­wig Hes­se, Theo­lo­ge, Autor und Teil­zeit­schrei­ner, war bis zu sei­ner Pen­sio­nie­rung Spi­tal­seel­sor­ger im Kan­ton Baselland
Redaktion Lichtblick
mehr zum Autor
nach
soben