Sühnop­fer und Öpfer­li – eine Lek­ti­on fürs Leben

Sühnop­fer und Öpfer­li – eine Lek­ti­on fürs Leben

Jesa­ja 53,10–11Der Herr fand Gefal­len an sei­nem zer­schla­ge­nen Knecht, er ret­te­te den, der sein Leben als Sühnop­fer hin­gab. Er wird Nach­kom­men sehen und lan­ge leben. Der Plan des Herrn wird durch ihn gelin­gen. Nach­dem er so vie­les ertrug, erblickt er das Licht. Er sät­tigt sich an Erkennt­nis. Mein Knecht, der gerech­te, macht die vie­len gerecht; er lädt ihre Schuld auf sich.          Ein­heits­über­set­zung 

Sühnop­fer und Öpfer­li – eine Lek­ti­on fürs Leben

Es waren die 50er-Jah­re. Damals war ich ein Kind und wur­de katho­lisch erzo­gen. Eine Erzie­hungs­mass­nah­me mei­ner Mut­ter ist mir in leb­haf­ter Erin­ne­rung geblie­ben. Wir Kin­der wur­den ange­hal­ten, fürs Christ­kind ein Öpfer­li zu brin­gen. Das hiess, dass wir als Vor­be­rei­tung auf Weih­nach­ten dem Christ­kind zulie­be hier und da auf einen klei­nen Genuss ver­zich­ten soll­ten, dass wir bewusst etwas Gutes taten oder eine Schlech­tig­keit mie­den (zum Bei­spiel den Streit mit den Geschwi­stern). Wenn uns ein sol­ches Öpfer­li gelang, durf­ten wir dem Jesus­kind einen Stroh­halm in die Krip­pe legen. Das war eine nied­li­che Gips­fi­gur, die mich sanft anblick­te und mir die Arme ent­ge­gen­streck­te. Wir durf­ten dem neu­ge­bo­re­nen Got­tes­sohn den Auf­ent­halt im Stall von Beth­le­hem etwas leich­ter machen. Denn das Christ­kind soll­te nicht in der unbe­que­men Krip­pe lie­gen, son­dern auf eine gepol­ster­te Unter­la­ge gebet­tet wer­den, die nach und nach wäh­rend des Advents ent­stand, wenn wir Geschwi­ster unse­re Öpfer­li­stroh­hal­me zusam­men­leg­ten und in die Krip­pe leg­ten.Man mag die­se Stroh­halm­päd­ago­gik und den damit ver­bun­de­nen Öpfer­li­han­del aus heu­ti­ger War­te belä­cheln und durch­aus kri­tisch bewer­ten. Trau­ma­ti­siert oder ver­dor­ben hat mich Mut­ters Griff in die katho­li­sche Erzie­hungs­trick­ki­ste nicht. Im Gegen­teil, als Kind leuch­te­te mir die­ses eigen­ar­ti­ge Tausch­ge­schäft durch­aus ein, obwohl ich kei­ne Ahnung hat­te, wie es funk­tio­nier­te. Tief in mir schlum­mer­te offen­bar das intui­ti­ve Wis­sen: Wenn ich auf etwas, was mir lieb und teu­er ist, ver­zich­te, oder wenn ich mich bemü­he, gut und hilfs­be­reit zu sein, so kann ich das tun für jemand, den ich gern habe. Es kommt – auf wel­chen Wegen und Umwe­gen auch immer – einem not­lei­den­den Neu­ge­bo­re­nen zugu­te, und das Christ­kind freut sich dar­über.Es war eine Lek­ti­on fürs Leben. Mein Tun und Unter­las­sen, mein Ver­hal­ten, mein Den­ken und Reden, selbst die frag­lo­se Lie­be eines Kin­des, all das ist ver­netzt mit der gan­zen Welt und mit allen Men­schen und auch mit dem Christ­kind. Eine posi­ti­ve Hand­lung mei­ner­seits wirkt sich posi­tiv aus. Das war eine star­ke Bot­schaft, die mir bis heu­te nach­geht. Ich kann tat­säch­lich etwas tun für ande­re, und wär es nur, dass ich für jemand Für-Bit­te ein­le­ge.Viel­leicht kann die­se Remi­nis­zenz aus mei­nen Kin­der­ta­gen zum Ver­ständ­nis des­sen bei­tra­gen, was in dem kur­zen Pro­phe­ten­wort ver­hüllt ange­deu­tet wird mit dem Begriff «Sühnop­fer». Theo­lo­gisch gespro­chen eine uner­hört schwie­ri­ge Sache! Ich sehe dar­in das ulti­ma­ti­ve Öpfer­li eines erwach­se­nen, rei­fen Men­schen. Jesa­ja nennt ihn «Got­tes­knecht», eine geheim­nis­vol­le Figur, die ihr Leben hin­gibt. Es geht um kei­ne Klei­nig­keit: Der Ein­satz, ja die Hin­ga­be des Lebens für die ande­ren wird als ein gott­ge­fäl­li­ger Akt dar­ge­stellt. Zugu­te kommt er den vie­len, die dadurch Gerech­tig­keit erlan­gen, den Zugang zu Gott fin­den und ein­zie­hen dür­fen ins Him­mel­reich.Dar­in spie­gelt sich eine zen­tra­le Glau­bens- und Lebens­er­fah­rung. Leben wird mög­lich, wenn jemand – aus Lie­be – bereit ist, das eige­ne Leben zu opfern, sich sel­ber mit Haut und Haar hin­zu­ge­ben. Ob uni­ver­sal wie der Men­schen­sohn, der sein Leben hin­gibt als Löse­geld für vie­le, ob hero­isch wie Maxi­mi­li­an Kol­be, der im KZ stell­ver­tre­tend für einen Fami­li­en­va­ter in den Hun­ger­bun­ker ging, oder ob arg­los wie ein Kind, das sich scheib­chen­wei­se hin­gibt, indem es fürs Christ­kind ein Öpfer­li bringt, nicht nur im Advent.Peter von Sury, Abt des Bene­dik­ti­ner­klo­sters Mariastein 
Redaktion Lichtblick
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