Sexu­el­ler Miss­brauch in der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land – auch die Evan­ge­lisch-refor­mier­te Kir­che Schweiz denkt über Auf­ar­bei­tung nach

9355 Kin­der und Jugend­li­che sind in der Evan­ge­li­schen Kir­che Deutsch­lands von sexua­li­sier­ter Gewalt betrof­fen gewe­sen seit 1946, berich­tet die Nach­rich­ten­agen­tur KNA. Zu die­sem Resul­tat kamen die For­schen­den der Stu­die «Forum – For­schung zur Auf­ar­bei­tung von sexua­li­sier­ter Gewalt und ande­ren Miss­brauchs­for­men in der Evan­ge­li­schen Kir­che und Dia­ko­nie in Deutsch­land». In Auf­trag gege­ben hat­te sie die EKD und ihre Lan­des­kir­chen vor gut drei Jah­ren. In sechs Teil­stu­di­en hat die Unter­su­chung die Ursa­chen und Beson­der­hei­ten von sexua­li­sier­ter Gewalt in der evan­ge­li­schen Kir­che untersucht.

«Spit­ze der Spit­ze des Eisbergs»

Die Zahl der Betrof­fe­nen ist viel höher als bis­lang ange­nom­men. Gemäss einer Hoch­rech­nung sei­en 9355 Kin­der und Jugend­li­che sexu­ell miss­braucht wor­den. Die Zahl der mut­mass­li­chen Täter lie­ge bei 3497. Rund ein Drit­tel davon sei­en Pfarr­per­so­nen, also Pfar­rer oder Vika­re. Bis­lang ging die evan­ge­li­sche Kir­che von rund 900 Miss­brauchs­op­fern aus. Nach Anga­ben der Wis­sen­schaft­ler zei­ge die Unter­su­chung nur die «Spit­ze der Spit­ze des Eis­bergs», berich­tet die KNA.

Laut der Stu­die sind rund 64,7 Pro­zent der Opfer männ­lich und rund 35,3 weib­lich. Bei dem Beschul­dig­ten han­delt es sich dem­nach fast aus­schliess­lich um Män­ner (99,6 Pro­zent). Rund drei Vier­tel von ihnen waren bei der Erst­tat ver­hei­ra­tet. Wei­ter kommt die Stu­die zum Ergeb­nis, dass es bei der Schwe­re der Tat eine gros­se Spann­wei­te gebe: Bei den mei­sten Taten han­delt es sich aber um soge­nann­te Hands-on-Hand­lun­gen, das heisst, es habe einen Kör­per­kon­takt mit den Opfern gege­ben – von nicht not­wen­di­gen kör­per­li­chen Hil­fe­stel­lun­gen im Sport­un­ter­richt bis hin zur Penetration.

Ver­ant­wor­tung und Entschuldigung

«Wir über­neh­men als evan­ge­li­sche Kir­che und Dia­ko­nie Ver­ant­wor­tung für die Gewalt­ta­ten, die von Mit­ar­bei­ten­den und Ehren­amt­li­chen unse­rer Insti­tu­ti­on began­gen wur­den,» sag­te Bischö­fin Kir­sten Fehrs am 25. Janu­ar bei der Über­ga­be der For­schungs­re­sul­ta­te in Han­no­ver. «Dazu gehört es als erstes, klar zu sagen: Wir sind auch als Insti­tu­ti­on an unzäh­lig vie­len Men­schen schul­dig gewor­den. Und ich kann Sie, die Sie so ver­letzt wur­den, nur von gan­zem Her­zen um Ent­schul­di­gung bitten.»

Laut der Medi­en­mit­tei­lung der EDK wer­den nun die Ergeb­nis­se und kon­kre­ten Emp­feh­lun­gen in Kir­che und Dia­ko­nie inten­siv auf allen Ebe­nen dis­ku­tiert. Die zen­tra­le Rol­le dabei spielt das Betei­li­gungs­fo­rum Sexua­li­sier­te Gewalt der EKD. Dar­in wer­den kirch­li­che Beauf­trag­te und Betrof­fe­nen­ver­tre­te­rin­nen und ‑ver­tre­ter die Ergeb­nis­se gemein­sam mit den For­schen­den ana­ly­sie­ren, die Dis­kus­sio­nen aus ande­ren Gre­mi­en und Ebe­nen zusam­men­füh­ren und im Novem­ber 2024 der Syn­ode der EKD einen Mass­nah­men­plan mit Kon­se­quen­zen aus der Auf­ar­bei­tungs­stu­die Forum vorlegen.

Miss­brauchs­stu­die zur Evan­ge­lisch-refor­mier­te Kir­che Schweiz?

Damit steigt auch der Druck auf die Evan­ge­lisch-refor­mier­te Kir­che Schweiz (EKS). Laut einem Bericht des refor­mier­ten Nach­rich­ten­por­tals ref.ch schloss die EKS-Rats­prä­si­den­tin Rita Famos eine schweiz­wei­te Stu­die nicht mehr aus, nach­dem sie im ver­gan­ge­nen Dezem­ber in Han­no­ver Ein­sicht in das For­schungs­de­sign der deut­schen Stu­die erhal­ten hatte.

Eva Meienberg
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