Miss­brauchs­prä­ven­ti­on: Mehr als Kurse

Miss­brauchs­prä­ven­ti­on: Mehr als Kurse

  • Per 1. März 2019 setz­ten die Schwei­zer Bischofs­kon­fe­renz (SBK) und die Ver­ei­ni­gung der Höhern Ordens­obe­ren (VOS’USM) die mitt­ler­wei­le 4. Auf­la­ge der Richt­li­ni­en zu «Sexu­el­len Über­grif­fen im kirch­li­chen Umfeld» in Kraft.
  • Im Bis­tum Basel sol­len nach der Über­füh­rung der Deka­na­te in die Pasto­ral­räu­me die Pasto­ral­raum­lei­ten­den ihre Mit­ar­bei­ten­den schu­len und sensibilisieren.
Alle Seel­sor­gen­den, die durch den Bischof oder den Bischofs­vi­kar im Bis­tum Basel ernannt oder mit einer Mis­sio cano­ni­ca beauf­tragt sind, nah­men in den Jah­ren 2016/2017 an einem halb­tä­ti­gen obli­ga­to­ri­schen Wei­ter­bil­dungs­kurs «Nähe und Distanz» teil. Obli­ga­to­risch ist die­ser Kurs auch für jene, die neu im Bis­tum in einen ent­spre­chen­den Dienst ein­tre­ten. Lei­tungs­per­so­nen wur­den mit Blick auf ihre Füh­rungs­auf­ga­be zusätz­lich einen wei­te­ren Halb­tag geschult.

Pasto­ral­raum­lei­ten­de sind gefordert

«Der Bischof von Basel kann Prä­ven­ti­on nur auf der Ebe­ne jener pasto­ra­len Mit­ar­bei­ten­den wahr­neh­men, die er ernannt oder mit einer «mis­sio cano­ni­ca» beauf­tragt hat. Des­halb ist der Bischof dar­auf ange­wie­sen, dass die Lei­ten­den der Pasto­ral­räu­me oder der Pfar­rei­en auf ihrer Stu­fe die Prä­ven­ti­ons­mass­nah­men wahr­neh­men», prä­zi­siert Fabi­an Berz, Per­so­nal­ver­ant­wort­li­cher im Bis­tum Basel, die Grün­de.Bei den Pasto­ral­raum­lei­ten­den ren­nen sowohl die SBK als auch das Bis­tum Basel mit den Neue­run­gen teil­wei­se offe­ne Türen ein. So bei­spiels­wei­se im Pasto­ral­raum Regi­on Aar­au. Pasto­ral­raum­lei­ter Beat Nie­der­ber­ger erläu­tert: «Seit Län­ge­rem wer­den bei Neu­an­stel­lun­gen die Straf­re­gi­ster- und Son­der­pri­vat­re­gi­ster­aus­zü­ge von der Kreis­kirch­ge­mein­de Aar­au ein­ge­for­dert. Die Kreis­kirch­ge­mein­de hat bereits ent­schie­den, dies nun auch bei allen älte­ren Anstel­lun­gen nach­zu­ho­len. Das betrifft sämt­li­che Mit­ar­bei­ten­de, die einen Anstel­lungs­ver­trag haben, ganz unab­hän­gig von ihrem Ein­satz­ge­biet und ihren Stel­len­pro­zen­ten.»

Weder Belä­sti­gung noch Über­grif­fe wer­den toleriert

Auch in der Pasto­ral wer­de bereits vie­les umge­setzt, was gefor­dert wer­de, so der Pasto­ral­raum­lei­ter: «Schon letz­tes Jahr hat der Pasto­ral­raum die Wei­ter­bil­dung “Nähe und Distanz”, die vom Bis­tum ein­ge­for­dert wur­de, mit allen Mit­ar­bei­ten­den durch­ge­führt. Im Herbst 2019 wird die­ses Ange­bot wie­der­holt — für alle neu Beschäf­tig­ten.» Ein Kurs für alle Behör­den­mit­glie­der sei eben­falls für die­sen Herbst geplant.Ein ähn­li­ches Bild zeigt sich in den Pasto­ral­räu­men Am Mut­schel­len und Brem­gar­ten-Reus­s­tal. Dort führ­te der Kirch­lich Regio­na­le Sozi­al­dienst Mut­schel­len-Reus­s­tal im Auf­trag der Pasto­ral­raum­lei­tun­gen im März 2018 eine Ver­an­stal­tung zum The­ma «Nähe und Distanz» durch. Robert Wein­buch, Lei­ter des Pasto­ral­raums Am Mut­schel­len, gibt Aus­kunft: «Ein­ge­la­den waren alle Per­so­nen im kirch­li­chen Dienst, für die Mit­ar­bei­ten­den war die Teil­nah­me ver­bind­lich. Dabei wur­de eng mit den Kir­chen­pfle­gen zusam­men­ge­ar­bei­tet. Das Ziel war, Frei­wil­li­ge und Ange­stell­te für den Umgang mit Grenz­ver­let­zun­gen, Mob­bing und Über­grif­fen in der pfar­rei­li­chen Arbeit zu sen­si­bi­li­sie­ren und deut­lich klar zu machen, dass die Katho­li­sche Kir­che auf dem Mut­schel­len und in Brem­gar­ten-Reus­s­tal weder Belä­sti­gun­gen am Arbeits­platz noch Über­grif­fe tole­riert, die von Mit­ar­bei­ten­den im Rah­men ihrer kirch­li­chen Tätig­keit ver­übt wer­den. Das eige­ne Ver­hal­ten soll­te reflek­tiert und der Umgang mit pro­ble­ma­ti­schen Situa­tio­nen the­ma­ti­siert wer­den.»

«Es geht nicht nur um Kurse!» 

An zwei Ter­mi­nen hät­ten 67 Per­so­nen teil­ge­nom­men und sich mit dem The­ma aus­ein­an­der­ge­setzt. Zudem sei­en die Seel­sor­ge­teams und die Mit­glie­der der Kir­chen­pfle­gen auch wei­ter­hin sen­si­bel für das The­ma; es kom­me in den unter­schied­lich­sten Kon­tex­ten immer wie­der zur Spra­che.Dass das The­ma nicht aus­schliess­lich im Rah­men einer halb- oder ganz­tä­gi­gen Wei­ter­bil­dung abhakt wer­de, sei von ent­schei­den­der Bedeu­tung, so Fabi­an Berz. «Es geht nicht nur um Kur­se! Zu den Prä­ven­ti­ons­mass­nah­men gehört zum Bei­spiel auch ein Gespräch in einer Team­sit­zung: Wie gehe ich mit heik­len Situa­tio­nen um? Wie mer­ke ich, dass ich jeman­dem zu nahe kom­me, wie gehen wir als Team damit um, wenn wir fest­stel­len, dass ein Team­mit­glied jeman­den zu nahe kommt. Prä­ven­ti­on muss lau­fend erfol­gen und ist nicht auf ein­zel­ne Kur­se beschränkt.»

Auch der Reli­gi­ons­un­ter­richt steht unter Beobachtung 

Dafür ist eine offe­ne Atmo­sphä­re in den Teams und in den Pfar­rei­en not­wen­dig. Beat Nie­der­ber­ger bei­spiels­wei­se spricht das The­ma immer wie­der auch in Frei­wil­li­gen­grup­pen an. «Ich habe es auch schon in Pre­dig­ten auf­ge­grif­fen», sagt er.Im Pasto­ral­raum Obe­res Frei­amt steht der ent­spre­chen­de Wei­ter­bil­dungs­kurs, der für alle Ange­stell­ten, das heisst das Seel­sor­ge­team, Kate­che­tin­nen und Kate­che­ten, Sakri­stane, Sekre­tä­rin­nen und den Mini­stran­ten­prä­ses, obli­ga­to­risch ist, zwar erst an, doch das The­ma ist schon jetzt prä­sent. Mar­ti­na Suter, Lei­tungs­as­si­stenz und Bereichs­lei­tung Kate­che­se Pasto­ral­raum Obe­res Frei­amt, sagt auf Nach­fra­ge: «Bei den Unter­richts­hos­pi­ta­tio­nen habe ich das The­ma Nähe und Distanz für die­ses Jahr als spe­zi­el­len Punkt auf­ge­führt und rich­te ein beson­de­res Augen­merk dar­auf.»

Lan­des­kir­che: Straf­re­gi­ster­aus­zü­ge nicht für alle Angestellten

Für Dis­kus­sio­nen sor­gen die Son­der­pri­vat­aus­zü­ge und Pri­vat­aus­zü­ge aus dem Straf­re­gi­ster. Weni­ger, dass sie ein­ge­for­dert wer­den, son­dern für wen sie ver­pflich­tend ein­ge­for­dert wer­den sol­len. Die Richt­li­nie der SBK legt im Bereich Ver­trags­ge­stal­tung und Team­ver­ein­ba­run­gen fest, dass die «Richt­li­ni­en bei der Gestal­tung von Ver­trä­gen, mit denen Per­so­nen im wei­te­sten Sin­ne in seel­sor­ger­li­che, erzie­he­ri­sche oder betreu­en­de Funk­tio­nen im kirch­li­chen Dienst ein­ge­setzt wer­den, berück­sich­tig wer­den». Im dar­an anschlies­sen­den Punkt Anstel­lung und Ver­trä­ge, heisst es: «Kon­kret gilt im Ein­ver­neh­men mit den staats­kir­chen­recht­li­chen Ein­rich­tun­gen, dass bei jeder Anstel­lung im kirch­li­chen Umfeld ein Pri­vat­aus­zug und ein Son­der­pri­vat­aus­zug aus dem Straf­re­gi­ster vor­ge­legt wer­den».Luc Hum­bel, Kir­chen­rats­prä­si­dent der Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­che im Aar­gau, erklärt auf Anfra­ge: «Nach der Aus­spra­che mit dem Bischof steht fest, dass die­ser selbst um die Aus­zü­ge für alle Per­so­nen mit mis­sio besorgt ist. Die­se Aus­zü­ge bringt er uns im Ein­ver­ständ­nis mit den betrof­fe­nen Per­so­nen als Anstel­lungs­be­hör­de zur Kennt­nis. Aktu­ell gilt die Pra­xis bei der Lan­des­kir­che, dass wir stel­len­be­zo­gen das Bei­brin­gen von Straf­re­gi­ster­aus­zü­gen durch­set­zen, nicht aber gene­rell für alle kirch­li­chen Ange­stell­ten. Der Kir­chen­rat wird sich nach den Som­mer­fe­ri­en mit all­fäl­li­gen wei­te­ren Mass­nah­men befas­sen.»Klar ist: Bei allen Seel­sor­gen­den, die durch den Bischof oder Bischofs­vi­kar ernannt bezie­hungs­wei­se mit einer Mis­sio cano­ni­ca beauf­tragt sind, müs­sen bis zum 30. Sep­tem­ber 2019 deren Aus­zü­ge aus dem Straf­re­gi­ster vor­lie­gen. «Die aller­mei­sten Anstel­lungs­be­hör­den begrüs­sen die Initia­ti­ve des Bischofs, dass er die bei­den Aus­zü­ge aus dem Straf­re­gi­ster von den Per­so­nen, die er ernannt oder die er mit einer Mis­sio beauf­tragt hat, ein­ge­for­dert hat und die Kopien den Anstel­lungs­be­hör­den zur Ver­fü­gung stel­len wird.», so Fabi­an Berz.

Das Ziel bleibt «Null Fälle» 

«Das, was mit der Ein­set­zung eines Fach­gre­mi­ums 2002 und mit der Erstel­lung der Richt­li­ni­en begon­nen hat, war nicht das Dre­hen eines Schal­ters, son­dern der Beginn eines Pro­zes­ses. Es braucht viel Ein­satz und Geduld, bis in einer so föde­ra­li­stisch orga­ni­sier­ten Insti­tu­ti­on wie der katho­li­schen Kir­che mög­lichst alle ein­be­zo­gen sind», so Alt­abt Mar­tin Wer­len und dazu­mal Mit­glied des Fach­gre­mi­ums der SBK «Sexu­el­le Über­grif­fe in der Pasto­ral» an einer Medi­en­kon­fe­renz der SBK im Jahr 2011.Der Pro­zess dau­ert an. Und auch, wenn er vie­len zu lang­sam geht, ist mit der Umset­zung der neu­en Richt­li­ni­en durch die pasto­ra­le wie die staats­kir­chen­recht­li­che Sei­te des dua­len Systems jetzt ein wei­te­rer Schritt in Rich­tung Miss­brauchs­prä­ven­ti­on gemacht. Zwar sei­en gemäss einer gemein­sa­men Medi­en­mit­tei­lung der Bis­tü­mer Basel und St. Gal­len vom 28. Febru­ar 2019 in den letz­ten Jah­ren kaum mehr neue Über­grif­fe gemel­det wor­den, doch das Ziel blei­be «Null-Fäl­le».
Anne Burgmer
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