Segens­sprü­che für jede Lebenslage

  • Der erste Teil der Serie «Hebräi­sche Grund­be­grif­fe» wid­met sich dem Begriff «Barach».
  • «Barach» bedeu­tet «Segen». Im Juden­tum ist das Leben durch­zo­gen von Segens­sprü­chen für jeg­li­che Lebenslagen.
  • Es gibt Sprü­che für Geburt, Hoch­zeit und Tod, aber auch für vie­le All­tags­si­tua­tio­nen. In jüng­ster Zeit sind sogar Segens­sprü­che für die Imp­fung gegen Covid-19 dazugekommen.

Im Juden­tum ist das gan­ze Leben von Segens­sprü­chen durch­zo­gen. Juden und Jüdin­nen seg­nen ein­an­der bei der Begrüs­sung und auch wie­der beim Abschied. Kin­der wer­den von ihren Eltern geseg­net, es gibt je einen Se gen für Geburt, Hoch­zeit und vor dem Tod der Eltern. So hat­te auch der Stamm­va­ter Jakob für jeden sei­ner zwölf Söh­ne einen beson­de­ren Segen (1. Mose 49,28). 

Serie «Hebräi­sche Grundbegriffe»

Die Autorin die­ses Bei­trags, die Theo­lo­gin Chri­stia­ne Faschon, war von 2007 bis 2017 Prä­si­den­tin der Gemein­schaft Christ­li­cher Kir­chen in der Schweiz AGCK. Hori­zon­te ver­öf­fent­licht in loser Fol­ge ihre Arti­kel über theo­lo­gi­sche Grundbegriffe. 

Die Tex­te des Alten Testa­ments wur­den ursprüng­lich auf Hebrä­isch und weni­ge auch auf Ara­mä­isch ver­fasst. Das neue Testa­ment wur­de auf Grie­chisch ver­fasst. Die Hebräi­sche Bibel wird in jüdi­scher Tra­di­ti­on als «Tanach» bezeich­net und besteht aus den Tei­len Tora (Wei­sung), Nevi’im (Pro­phe­ten) und Ketu­vim (Schrif­ten). Im 3. Jahr­hun­dert v. Chr. ent­stand eine Ãœber­set­zung der hebräi­schen Tex­te ins Grie­chi­sche, die soge­nann­te «Sep­tuag­in­ta». Die Legen­de erzählt, dass die­se Ãœber­set­zung von 70 Gelehr­ten ange­fer­tigt wur­de, die unab­hän­gig von­ein­an­der zum glei­chen Ergeb­nis kamen. «Sep­tuag­in­ta» ist latei­nisch für «sieb­zig» und die Ãœber­set­zung wird oft mit dem römi­schen Zahl­zei­chen «LXX» abge­kürzt. In den näch­sten Wochen erschei­nen wei­te­re Bei­trä­ge zu den Begrif­fen «Emu­na – Glau­ben» und «Zeda­ka – Spende».

Stern­schnup­pen und Erdbeben

Es gibt den täg­li­chen Segen über Nah­rungs­mit­tel, Geträn­ke, nach dem Gang zur Toi­let­te, der Kör­per­pfle­ge, aber auch beim Anblick eines blü­hen­den Baums. Eben­so bei Gewit­tern, Kome­ten, Stern­schnup­pen, Erd­be­ben, Vul­ka­nen, beim Anblick berühm­ter Gelehr­ter oder wenn man ein Gelän­der gebaut hat. Wei­ter bei medi­zi­ni­schen Behand­lun­gen und wenn man aus Gefahr geret­tet wur­de. Dazu eine Viel­falt ande­rer Segen zu beson­de­ren Gelegenheiten. 

Gebräuch­li­che­re Segens­sprü­che begin­nen alle mit «Geseg­net seiest Du, Herr, unser Gott, König des Uni­ver­sums…». Bei der Begeg­nung mit einem Freund, den man ein Jahr nicht gese­hen hat, kann man ergän­zen: «…der Du die Toten belebst.» Beim Anblick eines Regen­bo­gens: «…Der sich des Bun­des [mit Noach] erin­nert, Sei­nem Bund treu bleibt und Sein Ver­spre­chen hält.» Der berühm­te­ste Segen ist der Aaro­ni­ti­sche, der auch in den Kir­chen oft gebe­tet wird (Nume­ri 6,24–26): Der Herr seg­ne dich und behü­te dich; der Herr las­se sein Ange­sicht leuch­ten über dir und sei dir gnä­dig; der Herr hebe sein Ange­sicht über dich und gebe dir Frieden. 

Dank für die Impfung

Zur Covid-Imp­fung wer­den nun eben­falls Segens­sprü­che publi­ziert. Die Rab­bi­ne­rin Lisa Gel­ber aus New York hat gemein­sam mit ihrer Toch­ter ein Dank­ge­bet zu deren Imp­fung ver­fasst. «Hei­li­ger des Lebens und der Lie­be, hül­le mich in eine war­me Umar­mung, wäh­rend ich mich auf mei­nen Covid-19-Impf­stoff vor­be­rei­te. Ich dan­ke den Ärz­ten und Wis­sen­schaft­lern, die Schöp­fer sind wie Du, sowie den wei­sen Men­schen, die den Impf­stoff ge neh­migt haben, und allen, die dafür gesorgt haben, dass er Kin­dern zugäng­lich ist.» 

[esf_wordpressimage id=36401 width=half float=left][/esf_wordpressimage]

For­scher sind Part­ner Gottes

Nach dem Schul­chan Aruch, einer wich­ti­gen Zusam­men­fas­sung reli­giö­ser Vor­schrif­ten, soll man vor medi­zi­ni­schen Ein­grif­fen beten: «Möge es Dein Wil­le sein, Ewi­ger, mein Gott, dass die­ser Vor­gang mir Hei­lung bringt, denn Du bist Hei­ler, ohne etwas zu ver­lan­gen» und danach: «Gelobt sei Der­je­ni­ge, der die Kran­ken heilt». Rab­bi­ner hal­ten die­ses Gebet auch für eine Imp­fung geeignet. 

Es wur­den aber auch Gebe­te eigens für die Covid-Imp­fung geschrie­ben. Die Reform­rab­bi­ne­rin­nen Bar­ba­ra Sym­ons und Doris Dyen aus Pitts­burgh haben zu die­sem Zweck zwei Segens­sprü­che zusam­men­ge­stellt. Einer ist eine Vari­an­te des Gebets «der Men­schen mit Weis­heit formt» aus der Mor­gen­lit­ur­gie. Es dankt Gott für das Wun­der und die Funk­ti­ons­fä­hig­keit des Kör­pers. Dann wird betont, dass For­sche­rin­nen und Medi­zi­ner als Part­ner Got­tes bei der Bekämp­fung des Virus’ arbei­ten. Der zwei­te Segens­spruch ist das Sche­he­che­ja­nu, «der uns das Leben gege­ben hat».

«Wis­sen, Weis­heit und Ausdauer»

Die modern-ortho­do­xen Rab­bi­ner Eli Yog­gev und Rab­ba­nit Bracha Jaf­fe aus den USA dan­ken in ihrem Gebet dem Herrn der Welt und «Weis­heits­ge­ber» für den Impf­stoff und für «das Wis­sen, die Weis­heit und Aus­dau­er», mit der Medi­zi­ne­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler ihn ent­wickelt haben. In dem Gebet bit­tet man auch um die Hei­lung der Kran­ken und die Ret­tung durch den Impf­stoff ohne Neben­wir­kun­gen. Alle Men­schen sol­len noch «vie­le Jah­re lang viel Segen, Licht und Gutes genies­sen». Zwei Ver­se aus Psalm 19 und 36 been­den das Gebet. 

Gott nahe sein

In der Hebräi­schen Bibel steht der Begriff Barach, brk. Wir über­set­zen dies mit «seg­nen», die Ãœber­set­zung ist jedoch nicht ganz kor­rekt. Barach heisst lebens­för­dern­de Heils­kraft / heil­schaf­fen­de Kraft, grüs­sen, gra­tu- lie­ren, loben. Seg­nen meint aber in Deutsch, dass etwas von oben nach unten gege­ben wird, es drückt ein Gefäl­le aus. Dies im Gegen­satz zum hebräi­schen Wort. Gott «seg­net» Abra­ham, aber Abra­ham auch Gott (wir über­set­zen das Wort mit «loben»). Segen meint Kraft, Frie­den, Schutz und Für­sor­ge. Gemein­sam sind wir mit Gott, wir sind ihm nah. Wir sind uns so nah, wie wenn wir auf sei­nen Knien sit­zen wür­den. Das Wort steht für eine inni­ge Bezie­hung. In jeder Lebens­si­tua­ti­on – auch bei der Imp­fung gegen Covid. 


Wei­te­re Bei­trä­ge der Serie «Hebräi­sche Grundbegriffe

https://www.horizonte-aargau.ch/glauben-heisst-vertrauen-leben/
Marie-Christine Andres Schürch
mehr zum Autor
nach
soben