Sechs Frau­en, ein Gebet — Inter­re­li­giö­ses Frauengebet

  • Das «Dos­sier zur Woche der Reli­gio­nen» erscheint mit der näch­sten Hori­zon­te-Print­aus­ga­be. Es the­ma­ti­siert die Rol­le der Frau in den ver­schie­de­nen Religionsgemeinschaften.
  • Zur Woche der Reli­gio­nen fei­ern sechs Frau­en ver­schie­de­ner Reli­gi­on gemein­sam ein inter­re­li­giö­ses Gebet. Die einen mit, die ande­ren ohne offi­zi­el­len Priestersegen.
  • Die­ser Bei­trag stellt die Frau­en vor, die sich dafür enga­gie­ren, dass die Vor­ar­beit von Ahn­in­nen, die sich schon in frü­he­ren Zei­ten für das Anlie­gen der Frau­en ein­ge­setzt haben, wei­ter­ge­führt wird.
  Béa­tri­ce MenziBéa­tri­ce Men­zi arbei­tet als Sekre­tä­rin für den Aar­gau­er Inter­re­li­giö­sen Arbeits­kreis. Die gebür­ti­ge Katho­li­kin lern­te auf einer Aus­lands­rei­se die Ba’hai­ Gemein­schaft ken­nen und ent­schloss sich, die­ser bei­zu­tre­ten. Die Bahai beru­fen sich auf die Leh­ren Bahá’u’lláhs, der die Reli­gi­on ins Leben rief.In Bahi­yyih Kha­num, die älte­ste Toch­ter Bahá’u’lláhs, sieht Béa­tri­ce Men­zi ein Vor­bild: «Ihre Geschich­te hilft mir, den uner­schüt­ter­li­chen Glau­ben an das Gute, die Baha’i­Vision einer geein­ten Welt, prak­tisch umzu­set­zen.» Die in Per­si­en 1846 gebo­re­ne Bahi­yyih Kha­num erleb­te tur­bu­len­te Zei­ten in der Geschich­te der Bahai­Gemeinschaft. Sie hat­te einen star­ken Glau­ben und half stets ande­ren Men­schen. «Sie war nicht nur eine stil­le Beob­ach­te­rin, son­dern nahm aktiv an den Gescheh­nis­sen jener Zeit teil», sagt Béa­tri­ce Men­zi. «Bahi­yyih Kha­num scheu­te sich nicht vor schwie­ri­gen Auf­ga­ben. Sie hat­te hel­den­haf­te Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten und setz­te die­se ganz in den Dienst ihrer Religion.» Susan­ne Andrea BirkeDie römisch-­ka­tho­li­sche Theo­lo­gin wuchs in Deutsch­land auf. In ihrer Fami­lie spiel­ten die Kir­che und der christ­li­che Glau­be kei­ne Rol­le. Für sie per­sön­lich aller­dings schon. Heu­te ist Bir­ke bei Bil­dung und Prop­stei der römi­sch­-katho­li­schen Lan­des­kir­che im Aar­gau tätig und lei­tet den Arbeits­kreis «Regen­bo­gen­pa­sto­ral». Sie gestal­tet Segens- und Soli­da­ri­täts­fei­ern für gleich­ge­schlecht­lich Lie­ben­de mit.Eine beson­de­re Bezie­hung hat Susan­ne Andrea Bir­ke zur Hei­li­gen Bri­gid von Kil­da­re. Die Toch­ter einer Skla­vin und eines Adli­gen, die einst zusam­men mit ihrer Mut­ter ver­kauft, spä­ter dann frei­ge­las­sen wur­de, grün­de­te in Kil­da­re das erste iri­sche Non­nen­klo­ster. Die spä­te­re Äbtis­sin eines Dop­pel­klo­sters steht für Frie­dens­ar­beit, sozia­les Enga­ge­ment und für die Bewah­rung der Schöp­fung. «Gemäss einer Quel­le, sorg­te der Hei­li­ge Geist dafür, dass bei der Wei­he von Bri­gid von Kil­da­re ‘ver­se­hent­lich’ das For­mu­lar für die Bischofs­wei­he ver­wen­det wor­den ist», sagt Bir­ke. «Damit war der Weg für sie frei.» Jas­mi­na El Sonbati Die Toch­ter eines ägyp­ti­schen Vaters und einer öster­rei­chi­schen Mut­ter ver­brach­te ihre Kind­heit in Kai­ro. In Basel und Wien stu­dier­te sie Roma­ni­stik. Heu­te unter­rich­tet sie an einem Bas­ler Gym­na­si­um. Die Autorin des Buches «Gehört der Islam zur Schweiz?» enga­giert sich für einen libe­ra­len Islam und grün­de­te den Ver­ein «Offe­ne Moschee Schweiz». In die­sem Rah­men lei­tet die Mus­li­min auch mus­li­mi­sche Gebe­te.In der Köni­gin von Saba sieht Jas­mi­na El Son­ba­ti eine Frau, die eine poli­ti­sche Funk­ti­on ein­nimmt: Dank ihres Ver­hand­lungs­ge­schicks gegen­über König Salo­mon wird ein Krieg ver­hin­dert. «Die Köni­gin von Saba wird nicht nur als gehor­sa­me, gott­ge­fäl­li­ge und tugend­haf­te Frau dar­ge­stellt, son­dern als eine Frau, die Macht hat und die­se für den Frie­den ein­setzt», sagt Jas­mi­na El Son­ba­ti. «Die Köni­gin von Saba sehe ich als Gegen­kon­zept zum männ­li­chen Herrscher.» Vas­ant­ha­ma­la JeyakumarDie gebür­ti­ge Tami­lin ist geweih­te Hin­du­prie­ste­rin in der refor­mier­ten Hin­du­ge­mein­schaft Sai­va­ne­ri­koodam (die Schu­le nach der Regel der Haupt­gott­heit Shi­va) im Haus der Reli­gio­nen in Bern. Dort arbei­tet sie auch im Restau­rant und ist Stell­ver­tre­te­rin des Restau­rant­lei­ters. Bereits als Kind war sie fas­zi­niert vom Tem­pel und den Gott­hei­ten.In der Frau­en­fi­gur Thil­a­kava­thi­yar sieht Vas­ant­ha­ma­la Jey­aku­mar eine Vor­rei­te­rin für die Gleich­be­rech­ti­gung der Frau­en im Prie­ster­amt. Der Legen­de nach voll­zog die vom Schick­sal gebeu­tel­te Thil­a­kava­thi­yar im Tem­pel kul­ti­sche Hand­lun­gen: Sie rei­nig­te den Raum und knüpf­te Blu­men­gir­lan­den für die Gott­hei­ten. Durch ihre Gebe­te konn­te sie ihren Bru­der vor Krank­heit schüt­zen und ihn davor bewah­ren, vom Glau­ben abzu­fal­len. «In die­ser Figur fin­de ich etli­ches von mei­ner eige­nen Geschich­te, des­halb ist sie mir so wichtig.» Mela­nie HandschuhErst stu­dier­te Mela­nie Hand­schuh römisch­katholische Theo­lo­gie in Tübin­gen und in Dub­lin. Weil sie sich jedoch als Frau in den Hier­ar­chien der römisch­ katho­li­schen Kir­che ungleich behan­delt fühl­te, kon­ver­tier­te sie zum Christ­ka­tho­li­schen Glau­ben. In Bern mach­te sie dar­auf­hin ein Ergän­zungs­stu­di­um in Christ­ka­tho­li­scher Theo­lo­gie. 2012 wur­de Mela­nie Hand­schuh zur Prie­ste­rin geweiht. Heu­te arbei­tet sie als Pfar­re­rin in der Christ­ka­tho­li­schen Kirch­ge­mein­de Zürich und im öku­me­ni­schen Pfarr­team am Flug­ha­fen Zürich.Für Mela­nie Hand­schuh spielt die Christ­ka­tho­li­kin Anny Peter (1882–1956) eine wich­ti­ge Rol­le: «Sie hat sich mit gan­zem Her­zen und all ihrer Kraft für das kirch­li­che Frau­en­wahl­recht und die Bil­dung und Wei­ter­bil­dung von Frau­en in Kir­che und Gesell­schaft eingesetzt.» Deni­se Alvarez-BraunschweigDie Ber­ne­rin wuchs in einem tra­di­tio­nel­len jüdi­schen Haus auf, wur­de Pri­mar­leh­re­rin, Schau­spie­le­rin und spä­ter Fel­den­krai­s­-The­ra­peu­tin. In der Jüdi­schen Gemein­de Bern war sie Vor­stands­mit­glied und war als Reli­gi­ons­leh­re­rin tätig. Heu­te führt sie Inter­es­sier­te durch die Ber­ner Syn­ago­ge. Die Jüdin gehört zu den Mit­in­iti­an­tin­nen des jüdi­schen Frau­en­got­tes­dien­stes und zu den Vor­be­te­rin­nen im Min­ch­age­bet, dem Gebet am Sams­tag­nach­mit­tag.In der Pro­phe­tin Miri­am, der Schwe­ster Moses und Aarons, hat Deni­se Alva­rez-Braun­schweig eine Ahnin gefun­den, die ihr viel bedeu­tet «Miri­am war bereits als Kind mutig: Sie ret­te­te ihren Bru­der Moses und führ­te ihn zu sei­ner Mut­ter zurück.» Beim Aus­zug aus Ägyp­ten führ­te Miri­am nach der Durch­que­rung des Schilf­meers den Freu­den­tanz und den Gesang der Frau­en an. Ihr gan­zes Leben lang floss an Miri­ams Sei­te eine Was­ser­quel­le, die mit ihrem Tod ver­siegt. «Wir kön­nen Miri­am erin­nernd in unse­rem Innern erah­nen», sagt Deni­se Alvarez-Braunschweig.
Anne Burgmer
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