«Schreibt dem Bischof einen Brief»
- Nach der VerÂöfÂfentÂliÂchung der PilotÂstuÂdie zum MissÂbrauch sind die MenÂschen erschütÂtert und wütend.
- VieÂle wolÂlen ein ZeiÂchen setzen.
- Die Römisch-KathoÂliÂsche KirÂche im AarÂgau rät von EinÂzelÂakÂtioÂnen ab und zu konÂstrukÂtiÂver Kritik.
TatÂjaÂna DisteÂli, GeneÂralÂseÂkreÂtäÂrin der Römisch-KathoÂliÂschen KirÂche im AarÂgau, erhält derÂzeit vieÂle AnruÂfe von BehörÂdenÂmitÂglieÂdern und kirchÂliÂchen MitÂarÂbeiÂtenÂden. Nach der VerÂöfÂfentÂliÂchung der PilotÂstuÂdie zum sexuÂelÂlen MissÂbrauch in der kathoÂliÂschen KirÂche Schweiz müsÂsen nicht nur die BischöÂfe Rede und AntÂwort steÂhen für die VerÂfehÂlunÂgen in der KirÂche. Auch die SeelÂsorÂgenÂden und PfarÂreiÂseÂkreÂtäÂrinÂnen, bis hin zu den FreiÂwilÂliÂgen in den PfarÂreiÂen und in der SpeÂziÂalÂseelÂsorÂge werÂden damit konÂfronÂtiert. Neben dem unsägÂliÂchen Leid, das die BetrofÂfeÂnen sexuÂelÂlen MissÂbrauchs erlebÂten, stelÂle die VerÂöfÂfentÂliÂchung der StuÂdie auch für die kirchÂlich engaÂgierÂten MenÂschen eine grosÂse BelaÂstung dar, sagt TatÂjaÂna DisteÂli. «VieÂle von ihnen setÂzen sich seit JahrÂzehnÂten für ReforÂmen ein und steÂhen nun unter Generalverdacht.»
BeiÂträÂge ans BisÂtum einfrieren
Die GeneÂralÂseÂkreÂtäÂrin der LanÂdesÂkirÂche verÂsteht darÂum den Wunsch, gegen die OhnÂmacht ein starÂkes ZeiÂchen zu setÂzen und den ReformÂforÂdeÂrunÂgen lautÂstark und öffentÂlichÂkeitsÂwirkÂsam AusÂdruck zu verÂleiÂhen. Die KirchÂgeÂmeinÂde AdliÂgensÂwil etwa hat am 21. SepÂtemÂber angeÂkünÂdigt, die ZahÂlunÂgen an das BisÂtum auf ein SperrÂkonÂto einÂzuÂzahÂlen. Der LuzerÂner KirchÂgeÂmeinÂde folgÂten sechs weitere.
[esf_wordpressimage id=46665 width=half float=left][/esf_wordpressimage]
Die proÂteÂstieÂrenÂden KirchÂgeÂmeinÂden forÂdern eine unabÂhänÂgiÂge UnterÂsuÂchung der BisÂtüÂmer, eine unabÂhänÂgiÂge MelÂdeÂstelÂle für MissÂbrauchsÂopÂfer und den VerÂzicht auf AktenÂverÂnichÂtung im ZusamÂmenÂhang mit den MissÂbrauchsÂfälÂlen. Zudem soll das Archiv des päpstÂliÂchen NunÂtiÂus, MarÂtin Krebs, für die RecherÂchen der ForÂschenÂden geöffÂnet werden.
InseÂrat in der Tageszeitung
In St. GalÂlen begann der öffentÂlichÂkeitsÂwirkÂsaÂme ProÂtest bereits am 16. SepÂtemÂber mit einem InseÂrat im St. GalÂler TagÂblatt. «So nicht!» lauÂteÂte der Titel des ganzÂseiÂtiÂgen InseÂraÂtes, das von 107 kirchÂliÂchen MitÂarÂbeiÂtenÂden unterÂzeichÂnet worÂden war. UnterÂdesÂsen hat sich die Liste auf der WebÂseiÂte der ProÂteÂstieÂrenÂden auf mehr als 2300 PerÂsoÂnen verlängert.
Die St. GalÂler ReformÂvorÂstösÂse betrefÂfen die MachtÂfraÂge, die SexuÂalÂmoÂral, das PrieÂsterÂbild, die RolÂle der FrauÂen und die AusÂbilÂdungs- und PerÂsoÂnalÂpoÂliÂtik der KirÂche. KonÂstrukÂtiÂve und machÂbaÂre SchritÂte schlaÂgen die ProÂteÂstieÂrenÂden vor, welÂche etwa die BischofsÂwahl betrefÂfen oder die BegleiÂtung einer TrauÂung durch eine SeelÂsorÂgeÂrin der Wahl. ReforÂmen jetzt unterÂstütÂze aber auch die ForÂdeÂrunÂgen der Römisch-KathoÂliÂschen ZenÂtralÂkonÂfeÂrenz (RKZ), der SchweiÂzer BischofsÂkonÂfeÂrenz und der Ordensgemeinschaften.
KoorÂdiÂnaÂtiÂon der Proteste
Am TrefÂfen der ProÂjektÂgeÂmeinÂschaft AlliÂanz GleichÂwürÂdig KathoÂlisch Ende SepÂtemÂber sei ebenÂfalls über ProÂtest auf verÂschieÂdeÂnen EbenÂden der KirÂche disÂkuÂtiert worÂden, sagt MenÂtaÂri BauÂmann, GeschäftsÂfühÂreÂrin der AlliÂanz. Sie interÂpreÂtieÂre die einÂgeÂfroÂreÂnen BeiÂträÂge ans BisÂtum Basel als ein Signal. Die KirchÂgeÂmeinÂden solÂlen die FreiÂheit dazu haben. Aber mitÂtelÂfriÂstig müssÂten sie zu einer koorÂdiÂnierÂten AktiÂon komÂmen. MenÂtaÂri BauÂmann erwarÂtet gespannt das ErgebÂnis der VerÂnehmÂlasÂsung der RKZ.
[esf_wordpressimage id=46667 width=half float=left][/esf_wordpressimage]
ZurÂzeit äusÂsern sich die LanÂdesÂkirÂchen zu den ForÂdeÂrunÂgen der Römisch-KathoÂliÂschen ZenÂtralÂkonÂfeÂrenz. Urs BroÂsi, GeneÂralÂseÂkreÂtär der RKZ, sagÂte in der RundÂschau von SRF am 4. OktoÂber, bis jetzt erhielÂten sie RückÂmelÂdunÂgen, dass der FinanzÂheÂbel gegenÂüber den BischöÂfen mit VorÂsicht einÂzuÂsetÂzen sei. Dass also die MitÂglieÂder der RKZ eher davon abseÂhen wolÂlen, den BischöÂfen die GelÂder zu kürÂzen, wenn dieÂse nicht auf die ForÂdeÂrunÂgen der RKZ eingehen.
Die FalÂschen sind betroffen
Aus dem KanÂton AarÂgau sind bisÂlang keiÂne EinÂzelÂinÂitiaÂtiÂven bekannt. TatÂjaÂna DisteÂli rät denn auch davon ab. Die AarÂgauÂer LanÂdesÂkirÂche habe schnell reagiert und den KirchÂgeÂmeinÂden die EmpÂfehÂlung abgeÂgeÂben, «gemeinÂsam, mit einer starÂken StimÂme und koorÂdiÂniert mit der RKZ» vorÂzuÂgeÂhen. Sie sei überÂzeugt, dass das EinÂfrieÂren der GelÂder nicht zielÂfühÂrend sei und die FalÂschen träÂfe, etwa die AngeÂstellÂten der BisÂtüÂmer in den PastoÂralÂabÂteiÂlunÂgen, die sich auf theoÂloÂgisch funÂdierÂter GrundÂlaÂge für ReforÂmen in der kathoÂliÂschen KirÂche einsetzten.
[esf_wordpressimage id=46445 width=half float=right][/esf_wordpressimage]
Den MenÂschen, die TatÂjaÂna DisteÂli anruÂfen, rät sie, dem PräÂsiÂdenÂten der SchweiÂzer BischofsÂkonÂfeÂrenz, Bischof Felix Gmür, einen Brief zu schreiÂben und darÂin die eigeÂnen WünÂsche und ForÂdeÂrunÂgen konÂstrukÂtiv zu forÂmuÂlieÂren. So erhalÂte der Bischof Rückenwind.
KirÂchenÂausÂtritÂte vervierfacht
Dem gegenÂüber steht der leiÂse, aber für die KirÂche schwerÂwieÂgenÂdeÂre ProÂtest: der AusÂtritt aus der KirÂche. Die AusÂtrittsÂzahÂlen des Monats SepÂtemÂber sind vierÂmal höher als im VerÂgleichsÂmoÂnat vor einem Jahr. 1198 MenÂschen haben der kathoÂliÂschen KirÂche den Rücken gekehrt, vieÂle davon nicht leichtÂferÂtig, was aus den AusÂtrittsÂschreiÂben ersichtÂlich ist.
DieÂse KriÂse der kathoÂliÂschen KirÂche sei die SchwerÂste seit der ReforÂmaÂtiÂon, sagt TatÂjaÂna DisteÂli. Aber sie traÂge auch das PotenÂziÂal zu Umkehr und NeuÂanÂfang in sich. «Die KirÂche ist seit JahrÂzehnÂten erstÂmals in BeweÂgung gekomÂmen, im VatiÂkan tut sich etwas.» Mit Blick nach Rom, wo in dieÂsen Tagen die synÂodaÂle VerÂsammÂlung der WeltÂbiÂschofsÂsynÂode tagt, würÂden aus vieÂlen LänÂdern dieÂser Erde dieÂselÂben AnlieÂgen adresÂsiert. Jeder Brief an die SchweiÂzer BischofsÂkonÂfeÂrenz unterÂstreiÂche dieÂse ReformÂanÂlieÂgen für eine neue glaubÂwürÂdiÂge KirÂche, ist TatÂjaÂna DisteÂli überzeugt.