Schöner wohnen mit Jesus
Bistumsland auf, Bistumsland ab werden sogenannte Pastoralräume errichtet. Dies mit dem Ziel, das Pfarreileben nicht länger nur im Zoom, sondern im Weitwinkel zu sehen, zu gestalten und zu verstehen. Zum schönen Wohnen in einem Raum gehören Fenster. Sie geben den Blick frei. Zum Beispiel auf das, was eine lebendige und lebensnahe Kirche ausmacht.«Der neue Pastoralraum Region Brugg-Windisch soll vor allem ein Fenster auf Jesus sein.» Dies wünschte sich Felix Gmür bei der Errichtung des jüngsten Pastoralraums im Aargau am 30. Oktober 2016 in der St. Marien-Kirche in Windisch. Mit diesem Wunsch knüpfte er am Evangelium an, das die Geschichte von Zachäus erzählte. Jenem Zöllner aus Jericho, der seiner Geldgier wegen als Abschaum galt und dennoch von Jesus angesprochen und sogar besucht wurde.
Nur die Heiligen sind schon im Himmel
«Wir sind aufgerufen, in jedem Menschen jene Person zu sehen, die Gott geschaffen hat», ermahnte der Bischof von Basel. «Jesus ist gekommen, die Sünderinnen und Sünder zu berufen. Wenn es also in der Kirche keine Sündigen mehr gibt, ist sie nicht mehr die Kirche von Jesus.»Und wie so oft ohne Manuskript zum Publikum sprechend, meinte Bischof Felix weiter: «Man soll sich also wünschen, dass die Kirche voll von Leuten ist, die noch nicht perfekt sind. Die Heiligen sind schon im Himmel. Wir aber nicht.» Schliesslich rief er dazu auf, dieses Fenster auf Jesus nicht klein zu halten, davor Vorhänge zu montieren oder es gar zu verschliessen.
Ideale Voraussetzungen
Der Gefahr einer Verengung des Blickwinkels war man sich in der Region Brugg-Windisch schon in der zweijährigen Vorbereitung auf die Pastoralraum-Einweihung bewusst. Unter der Führung des jetzigen Pastoralraumleiters Simon Meier wurde darum Verschiedenes in die Wege geleitet, um ein Pastoralraum mit vielen offenen Fenstern zu sein. Die Voraussetzungen dafür waren ideal, weil die beiden Pfarreien Brugg und Windisch mit ihren Kirchenzentren in Brugg, Riniken, Schinznach-Dorf, Windisch und Lupfig mit rund 12’600 Katholikinnen und Katholiken schon seit eh und je zu einer weitläufigen Kirchgemeinde gehörten.
Mehr Aufmerksamkeit der Familienvielfalt
Die bewährte Seelsorge vor Ort bleibt auch künftig ein Schwerpunkt. «Dabei soll etwa der heutigen Familienvielfalt mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden», heisst es in einer Medienmitteilung. Ein weiterer Schwerpunkt im neuen Pastoralraum Region Brugg-Windisch ist der Austausch mit Menschen anderer Nationalität und Sprache. «30 Prozent der Pfarreiangehörigen in der Pastoralraumregion haben ihre Wurzeln ausserhalb der Schweiz – ihr Anteil wächst laufend. Sie sollen zukünftig noch mehr eingebunden werden», so die Verantwortlichen.
Das soziale Engagement verstärken
Bereits konnte der professionelle kirchliche Sozialdienst dank einer Kooperation mit Caritas Aargau ausgebaut werden. Des Weiteren gibt es nun die «Wegbegleitung», eine Vermittlungsstelle, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen mit geschulten Freiwilligen zusammenbringt; «Tischlein deck dich», die Betreuung einer Abgabestelle, wo Lebensmittel vor der Vernichtung gerettet und an armutsbetroffene Menschen verteilt werden oder «Carton du Coeur», eine regelmässig stattfindende Aktion mit Schülerinnen und Schülern, die vor Einkaufsläden Lebensmittel sammeln, welche dann ebenfalls bedürftigen Menschen zukommen.
Professionelle Kommunikation
Um dem Pastoralraum Region Brugg-Windisch auch in der breiten Öffentlichkeit ein Gesicht zu geben, wurde eine Kommunikationsstelle geschaffen. Neben Aarau ist dies erst der zweite Pastoralraum im Aargau mit einer solchen Fachstelle. Seit August hat Martina Peter Bitschnau das 30-Prozentpensum inne. «Ich habe mich für die Kommunikationsstelle interessiert, weil ich hier eine spannende neue Herausforderung sah. Das Pionierhafte daran hat mich sehr angesprochen», erklärt die 48-Jährige auf Anfrage.Geboren in Rheinfelden, aufgewachsen in Zürich, ist sie Ende der 1990er-Jahre in die Region Brugg-Windisch gezogen. Während der letzten 14 Jahre war sie als Redaktorin in der Kommunikationsstelle des Material-Forschungsinstituts Empa tätig. Zum Branchenwechsel sagt sie: «In der Kommunikation einer Forschungsinstitution ist man zwar auch an wertvollen Themen wie zum Beispiel Energie‑, Nachhaltigkeits- oder Mobilitätsfragen dran. Aber in einer Kommunikationsstelle für einen Pastoralraum ist man viel näher bei den Menschen und ihren Bedürfnissen – spirituellen, aber auch ganz handfesten.»Die ehemalige Pfarreiratspräsidentin von Windisch erzählt weiter: «Als ich das Inserat gelesen habe, hat es mich sehr bewegt, dass es hier eine Chance gab, wie ich mich mit meinen Fähigkeiten und Erfahrungen nun auch professionell für die Kirche und die Gemeinschaft einsetzen konnte.»
Stürmisch gestartet
Und: Haben sich diese Erwartungen seit Jobbeginn erfüllt? Die verheiratete Mutter zweier Söhne lacht: «Es hat ziemlich stürmisch begonnen. Aber meine ersten Erfahrungen sind durchwegs sehr positiv. Auch von den Begegnungen mit Redaktionen und Medien, die unsere Themen und Geschichten aufmerksam und interessiert aufnehmen, bin ich angenehm überrascht. Und mit Kolleginnen und Kollegen von kirchlichen Kommunikationsstellen konnte ich bereits einen sehr fruchtbaren Austausch pflegen: Es sind alle ausgesprochen hilfsbereit und offen.»
Kalt den Rücken runter
Nun kann man sich fragen, was denn Kirche heute überhaupt noch zu sagen hat. Martina Peter: «Ich habe in meiner beruflichen Tätigkeit einen Sensor entwickelt: Wenn ich von einer guten Geschichte höre, läuft es mir buchstäblich kalt den Rücken hinunter. Das passierte mir etwa, als ich davon hörte, dass in Schinznach-Dorf eine neue Orgel eingebaut und dafür die Kirche kurzzeitig zur ‚Orgel-Werkstatt’ umfunktioniert wurde. Oder wenn ich zum Beispiel höre, was alles im Projekt ‚Wegbegleitung’ läuft. Dann bin ich überzeugt, dass nicht nur ich gerne solche Geschichten höre, sondern auch andere.»Schliesslich hofft Martina Peter, die Germanistik, europäische Volksliteratur und Philosophie an der Universität Zürich studiert hat: «Vielleicht nimmt im ersten Fall der eine oder andere das als Anstoss, wieder einmal in eine Kirche hineinzugehen und an einem Gottesdienst teilzunehmen oder im zweiten Fall sich selber zu engagieren. Das fände ich natürlich ganz toll.»
Vielfalt und Verbindendes
Während des Aufbaus des Pastoralraums Region Brugg-Windisch fand eine nachhaltige Beschäftigung mit den Charakteren der fünf Kirchenzentren statt. «Denn dort findet das kirchliche Leben statt», so die Pastoralraum-Verantwortlichen, Leiter Simon Meier und Solomon Obasi, leitender Priester. Deutlich trat die Vielfalt der Region hervor, welche auch vor Augen führte, wie sich die Kirchenzentren voneinander unterscheiden.Es zeigte sich aber auch, wo es Verbindendes gibt, das den Pastoralraum prägt und zusammenhält. «Wie viel Verbindendes es gibt zwischen den Kirchenzentren ist mir zum Beispiel wieder bewusst geworden, als ich in dem bald erscheinenden Geschichtsbuch über die Katholikinnen und Katholiken in unserer Region vorab schon schmökern durfte», erzählt Kommunikationsfachfrau Martina Peter.«Bei uns im Pastoralraum gab und gibt es so viele Menschen, die in vielfacher Hinsicht pioniermässig unterwegs waren und sind. Im Umgang mit Laien in der Kirche und mit Frauen in der Seelsorge, im Eintreten für die Ökumene und im Engagement für die Jugend und Menschen mit Migrationshintergrund. Das imponiert mir sehr. Und ich glaube, das verbindet auch.»
Fenster in die Zukunft
«Der neue Pastoralraum soll vor allem ein Fenster auf Jesus sein.» Dies wünschte sich Bischof Felix zur feierlich gehaltenen Einweihung des jüngsten Pastoralraums im Aargau. Ein Wunsch, der in der Region Brugg-Windisch bereits tiefe Wurzeln hat und hoffentlich auch in der Zukunft Früchte tragen darf.
Buchvernissage
Die Vernissage zum Buch «Aufbau, Wandel+Wirken: Geschichte der Katholiken im Bezirk Brugg» findet am Samstag, 20. November, 17 Uhr im Kirchlichen Zentrum Lee, Leeweg 6 in 5223 Riniken statt.
www.kathbrugg.ch