Sancta Corona, ora pro nobis!
2. Korintherbrief 1,8–11Wir wollen euch über die Not nicht in Unkenntnis lassen, die uns über alles Mass bedrückte; unsere Kraft war so sehr erschöpft, dass wir am Leben verzweifelten. Aber wir setzen unser Vertrauen nicht auf uns selbst, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt. Auf ihm ruht unsere Hoffnung, dass er uns auch in Zukunft retten wird. Helft aber auch ihr, indem ihr für uns betet.Einheitsübersetzung 2016 (Wortlaut gekürzt) Sancta Corona, ora pro nobis!
Beim Blättern im Heiligenkalender stosse ich auf Corona, eine Märtyrerin des zweiten Jahrhunderts, Nothelferin in Zeiten von Seuchen. Das ist doch ein guter Fund in einer Zeit, in der wir, betroffen von der weltweiten Infektionskrankheit gleichen Namens, einer Fürsprecherin sehr bedürfen. Mag die Hl. Corona also uns helfen, Antworten aus dem Glauben zu finden, die unter Corona-Bedingungen taugen.Das ist natürlich nicht einfach. Seuchen als Strafen Gottes für lasterhaftes Leben, diese Deutung verbietet sich aufgeklärten Menschen. Viren sind Natur ebenso wie Erdbeben und Blitze, sie sind nicht Sprachnachrichten aus dem Himmel. Gott schickt nicht, und Gott verhindert nicht. Natürlich, wenn wir aus der Betroffenheit etwas lernen, auch für die Gestalt unseres Glaubens, dann ist das hoch willkommen. Wir brauchen einen Glauben, der auch Katastrophen standhält.Ein Glaubensleben in Coronawellen, das sich darin zeigt, dass wir auf Gottesdienste verzichten und Kontakte vermeiden, brav alles absagen, was irgendwie nach Leben aussehen könnte, das ist kein Zeugnis für die Welt. Und ein stilles sich Zurückziehen der Verschonten in einen virenfreien Privatraum lässt den Glauben eher verstummen. Da fehlt doch was!Erstens soll die Botschaft des Evangeliums aufscheinen, dass Gott an der Seite der Infizierten, der Isolierten, der Beatmeten, der Sterbenden ist. Es wird deutlich werden, dass sich Gottes Zuwendung zu den Leidenden durch anwesende Menschen vermittelt, durch Pflegende, aber auch durch Angehörige, Freunde, die den erkrankten Menschen sagen: Ich bin da, halte mit Dir aus, bin wo möglich praktisch hilfreich.Möglichkeiten, wie weisungskonforme Kontakte aussehen können, müssen mit grossen kreativen Aufwand gefunden werden. Den Pfarreien ist dies vielfach gelungen, zum Beispiel durch alternative Formen von Gottesdiensten. Wie geht Kommunion ohne Zusammenkunft? Wie geht Seelsorge bei Long-Covid-Betroffenen? Wissen wir um sie? Jede und jeder Einzelne ist aufgerufen, sich etwas einfallen zu lassen, vom regelmässigen Telefongespräch bis zum Blumenstrauss: Aufsteller sind gefragt. Und vor allem: Erschwerte Zuwendung braucht mehr Zeit!Zweitens meine ich, wir müssten erneut überprüfen, welche Einstellung wir zum Tod haben. Die Sichtbarkeit des Todes ist auch eine Chance. Aus der Sicht des Glaubens ist der Tod keine Niederlage, die mit allen Mitteln verhindert werden muss. Vielmehr dürfen wir uns, Christus gleich, getragen wissen von einer göttlichen Liebe, die über die Grenze des Todes hinausträgt, Leben und Würde bewahrt. Die Betroffenheit durch eine Infektion (auch in mild verlaufenden Varianten) oder durch Verluste kann Anlass sein für das vertiefte Glaubensgespräch (zum Beispiel auch schriftlich oder telefonisch).Und drittens könnten wir uns an das fürbittende engagierte Gebet erinnern. Auch wenn es nicht Wunderheilungen zur Folge hat, wird es den Erkrankten wie den Betenden Kraft zum Durchhalten und Annehmen geben. Sancta Corona, ora pro nobis!
Ludwig Hesse, Theologe, Autor und Teilzeitschreiner, war bis zu seiner Pensionierung Spitalseelsorger im Kanton Baselland