Römi­sches Schwei­gen und schwei­ze­ri­sches Warten
Schweizergarde im Einsatz auf dem Platz vor St. Peter in Rom
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Römi­sches Schwei­gen und schwei­ze­ri­sches Warten

Fünf Mitgliedern der Schweizer Bischofskonferenz wird Vertuschung vorgeworfen. Warum die Schweizer Kirche mit Bangen nach Rom schaut und das Urteil bis Ende Jahr vorliegen muss, erfahren Sie im Artikel von Annalena Müller, Chefredaktorin des «pfarrblatt» Bern.

Die Vor­wür­fe waren mas­siv. Fünf Mit­glie­der der Schwei­zer Bischofs­kon­fe­renz (SBK) sol­len Miss­brauchs­fäl­le ver­tuscht haben. Dem Abt von St. Mau­rice, der sich aktu­ell im Aus­stand befin­det, wird selbst Miss­brauch vor­ge­wor­fen. Erho­ben hat sie Nico­las Bet­ti­cher in einem Schrei­ben an Nun­ti­us Mar­tin Krebs im Mai 2023. Bet­ti­cher, heu­te Pfar­rer der Ber­ner Pfar­rei Bru­der Klaus, war frü­her Gene­ral­vi­kar des Bis­tums Lau­sanne, Genf und Freiburg.

Unter den Augen der Öffentlichkeit

Nach Erhalt des Briefs schal­tet Nun­ti­us Krebs den Vati­kan ein, der wie­der­um im Juni den Chu­rer Bischof Joseph Maria Bonn­emain mit der Unter­su­chung der Vor­wür­fe beauf­tragt. In den Fol­ge­mo­na­ten befragt Bischof Bonn­emain die Beschul­dig­ten und hört Zeu­gen an.

Nor­ma­ler­wei­se bekommt die Öffent­lich­keit von sol­chen Unter­su­chun­gen nichts mit. Die römi­sche Kom­mu­ni­ka­ti­ons­po­li­tik ist tra­di­tio­nell restrik­tiv. Oder, prä­zi­ser gesagt, nicht vor­han­den. Dass der Schwei­zer Fall anders ist, liegt dar­an, dass der Brief von Nico­las Bet­ti­cher dem «Sonn­tags­Blick» in die Hän­de fiel – und die­ser aus­gie­big dar­aus zitierte.

Auf­grund des fol­gen­den öffent­li­chen Auf­schreis schal­te­te sich die Römisch katho­li­sche Zen­tral­kon­fe­renz (RKZ) ein. Der Dach­ver­band der Lan­des­kir­chen stell­te Bischof Bonn­emain einen Juri­sten und eine Juri­stin an die Sei­te, wel­che die Unter­su­chung gemein­sam mit dem Bischof führ­ten. So soll­te einer mög­li­chen Befan­gen­heit des Chu­rer Bischofs vor­ge­beugt und Ver­trau­en gewon­nen werden.

War­ten auf Rom

Im Janu­ar 2024 reist der Bischof per­sön­lich nach Rom, wo er den gut 1800 Sei­ten umfas­sen­den Unter­su­chungs­be­richt den zustän­di­gen Behör­den über­gibt. Seit­her war­tet die Schweiz auf das Urteil des Vatikans.

Die Müh­len der römi­schen Kir­chen­ju­stiz mah­len lang­sam. Das zustän­di­ge Dik­aste­ri­um ist noto­risch über­la­stet, schliess­lich lan­den Unter­su­chungs­be­rich­te aus der gan­zen Welt in der vati­ka­ni­schen Zen­tra­le, wo sie stu­diert und nach dem Kir­chen­recht aus­ge­wer­tet wer­den müs­sen. Es ist daher gut mög­lich, dass noch kein Urteil vorliegt.

Im Bis­tum Chur rech­net man nicht mit einem Update. Bis­tums­spre­che­rin Nico­le Büchel schreibt auf Anfra­ge des Ber­ner «pfarr­blatt», Bischof Bonn­emain «erwar­tet weder eine Infor­ma­ti­on über den aktu­el­len Stand, noch einen Auf­trag, das Ergeb­nis zu kom­mu­ni­zie­ren. Ansprech­per­son wäre in die­sem Fall Nun­ti­us Mar­tin Krebs.»

Dass auch der Nun­tia­tur noch kein Urteil vor­liegt, geht aus der Ant­wort von Marin Krebs her­vor: «Ich darf Sie ver­si­chern, dass die Ver­ant­wort­li­chen sich inten­siv mit den Schluss­fol­ge­run­gen beschäf­ti­gen, die aus der Vor­un­ter­su­chung zu zie­hen sind. Der Hl. Stuhl wird in die­ser Ange­le­gen­heit zu gege­be­ner Zeit und aus eige­ner Initia­ti­ve her­aus kom­mu­ni­zie­ren und nicht als Ant­wort auf Medienanfragen.»

Wie genau eine sol­che Kom­mu­ni­ka­ti­on aus­se­hen wird – und ob sie direkt von der Nun­tia­tur erfol­gen oder von die­ser an die SBK dele­giert wird, war nicht in Erfah­rung zu brin­gen. Eine ent­spre­chen­de Anfra­ge an die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­auf­trag­te der Bischofs­kon­fe­renz blieb unbeantwortet.

SBK braucht drin­gend Antwort

So bleibt der Schwei­zer Kir­che auch mehr als ein Jahr nach Bekannt­wer­den der Vor­wür­fe nur das War­ten auf Rom und das Hof­fen auf eine pro­ak­ti­ve Kom­mu­ni­ka­ti­on. Übri­gens dürf­te man auch in Fri­bourg mit eini­ger Unge­duld nach Rom schau­en. Ende Jahr steht dort die Neu­wahl des SBK-Prä­si­di­ums an.

Nach zwei Amts­zei­ten muss der amtie­ren­de Prä­si­dent, Felix Gmür, im Janu­ar 2025 eigent­lich abtre­ten. Das Pro­blem: drei sei­ner mög­li­chen Nach­fol­ger – näm­lich Jean-Marie Lovey, Charles Mor­e­rod und Alain de Rae­my – waren Gegen­stand von Bonn­emains Ermittlungen.

Es ist anzu­neh­men, dass die SBK nur Kan­di­da­ten erwä­gen wird, gegen die kei­ne Vor­wür­fe im Raum ste­hen. Und dafür braucht die SBK bis Ende Jahr ent­we­der ein römi­sches Urteil oder schnell eine Nach­fol­ge auf dem St. Gal­ler Bischofssitz.

Annalena Müller
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