«Rin­gen ist etwas spe­zi­fisch Christliches»

  • Am 9. Okto­ber hat Papst Fran­zis­kus eine zwei­jäh­ri­ge Syn­ode eröff­net mit dem Ziel, welt­weit alle Gläu­bi­gen zu Wort kom­men zu lassen. 
  • Bischof Felix setzt gros­se Hoff­nun­gen in die­se glo­ba­le, gemein­sa­me Wegsuche. 
  • Im Inter­view schil­dert er, wie sich die Katho­li­kin­nen und Katho­li­ken im Bis­tum Basel ein­brin­gen können.

Bischof Felix Gmür, wel­che Chan­ce sehen Sie in die­ser Syn­ode?
Bischof Felix Gmür: Sie sol­len teil­neh­men, um mit­ein­an­der in Dia­log zu tre­ten. Es geht nicht in erster Linie dar­um, dass die Leu­te ein State­ment für den Bischof oder für den Papst abge­ben, son­dern dass sie auf­ein­an­der hören, die Fra­gen mit­ein­an­der dis­ku­tie­ren und dann gemein­sam vor­an­ge­hen. Syn­ode heisst gemein­sa­mes Gehen. Zum Leben als Chri­stin und Christ gehört, dass man mit­ein­an­der über den Glau­ben aus­tau­schen kann, über den Ort, den die Kir­che in mei­nem Leben oder in der Gesell­schaft und im Staat haben soll.

Wie errei­chen Sie anders­spra­chi­ge Men­schen aus den Mis­sio­nen?
Wer die Fra­gen auf Deutsch nicht ver­steht, muss sie sich über­set­zen las­sen. In den Mis­sio­nen gibt es ja vie­le Zwei­spra­chi­ge. Das ist ein erster Schritt, auf­ein­an­der zu hören und ein­an­der zu unter­stüt­zen. Unse­re Doku­men­te sind auf Deutsch, für den Jura gibt es eine adap­tier­te Fas­sung auf Fran­zö­sisch. Die römi­schen Doku­men­te sind in der Regel auf Spa­nisch, Eng­lisch, Ita­lie­nisch und Französisch.

Jetzt Grup­pen bil­den und mitdiskutieren!

Papst Fran­zis­kus hat 10 The­men mit Fra­gen vor­ge­ge­ben, dar­un­ter die Zuge­hö­rig­keit zur Kir­che, Umgang mit Min­der­hei­ten, Mit­ver­ant­wor­tung in der Sen­dung, Ent­schei­dungs­pro­zes­se und Trans­pa­renz. Im Bis­tum Basel kön­nen alle Inter­es­sier­ten Stel­lung neh­men. Dazu tref­fen sie sich in Grup­pen von min­de­stens fünf Per­so­nen in der Zeit vom 17. Okto­ber bis zum 30. Novem­ber. Jede Grup­pe gibt ihre Ant­wor­ten über wir-sind-ohr.ch auf die Umfra­ge­platt­form des For­schungs­in­sti­tuts gfs.bern ein. Die­ses sam­melt die Ant­wor­ten und wer­tet sie aus. Der Bericht dazu wird am 13. Janu­ar 2022 publi­ziert. Nach Abschluss des syn­oda­len Pro­zes­ses inner­halb des Bis­tums ent­schei­det die Steu­er­grup­pe unter der Lei­tung von Bischof Felix über den wei­te­ren Prozess.

Für den welt­wei­ten Pro­zess fin­det im Bis­tum Basel Ende Janu­ar eine vor­syn­oda­le Ver­samm­lung statt. Die­se ver­dich­tet die Resul­ta­te und ver­fasst einen Schluss­be­richt zuhan­den der Schwei­zer Bischofs­kon­fe­renz. Die­se dis­ku­tiert die Ergeb­nis­se aller Diö­ze­sen und sen­det die Ein­ga­be der Schweiz nach Rom. Nach einem Tref­fen der Bischofs­kon­fe­ren­zen nach Kon­ti­nen­ten beginnt im Okto­ber 2023 die Bischofs­syn­ode in Rom. Sie endet mit einem Schluss­be­richt. Auf Basis des­sel­ben ver­fasst der Papst ein für die Welt­kir­che ver­bind­li­ches «Nach­syn­oda­les Schreiben».

Und Kir­chen­fer­ne?
Jede und jeder kann sich ein­brin­gen, es braucht kei­ne Nähe zur Pfar­rei. Man muss sich ledig­lich für die Sache inter­es­sie­ren und sich zu fünft zusammentun.

Jede Per­son kann sich frei vier wei­te­re suchen?
Ja. Um auf­ein­an­der hören zu kön­nen, braucht es eine Grup­pe. Es soll­ten min­de­stens fünf sein, um nicht ein­fach Ein­zel­mei­nun­gen zu hören. Je grös­ser die Grup­pe ist, desto bes­ser, sie ist nach oben offen. Die Grup­pe spürt viel­leicht: Hier gab es Aus­tausch, da war zuerst Unver­ständ­nis und dann Ver­ständ­nis. Dar­um geht es.

Die Fün­fer­grup­pe dis­ku­tiert die Fra­gen und gibt ihre Ant­wor­ten elek­tro­nisch ein.
Ja, es gibt jeweils pro Fra­ge eine Grup­pen­ant­wort. Die Grup­pe kann auch sagen: «Wir haben kei­ne Eini­gung gefun­den». Sie kann aus­wäh­len zwi­schen ver­schie­de­nen vor­ge­ge­be­nen Ant­wor­ten, die nach sta­ti­sti­schen Metho­den als die wahr­schein­lich­sten gel­ten und die über Fokus­grup­pen im Vor­feld bestimmt wer­den. Bei eini­gen Fra­gen wird zusätz­lich ein Text­feld zur Ver­fü­gung stehen.

Rom hat zehn The­men­fel­der mit Fra­gen vor­ge­ge­ben. Kön­nen Sie die­se in kon­kre­te, für die Schweiz rele­van­te Fra­gen umfor­mu­lie­ren? Der Auf­trag lau­tet nun, die Fra­gen aus Rom für unse­re Bis­tü­mer zu adap­tie­ren. Bei Num­mer fünf geht es um «Mit­ver­ant­wor­tung in der Sen­dung», bei Num­mer neun um «Unter­schei­den und Ent­schei­den». In die­sen Punk­ten kön­nen wir sicher­lich auf spe­zi­fisch für den Schwei­zer Kon­text wich­ti­ge The­men eingehen.

Bleibt es beim «Auf­ein­an­der-Hören»? Wann geht der Pro­zess ins Han­deln über?
Auf­ein­an­der-Hören ist bereits Han­deln. Wenn ich weiss, was mein Gegen­über fin­det, gehe ich mit die­sen Gedan­ken in mich und ver­än­de­re mich viel­leicht, und umge­kehrt. Eine Hand­lungs­op­ti­on könn­te sein, dass eine Pfar­rei sagt: In unse­rem Gebiet gibt es so vie­le Mar­gi­na­li­sier­te, wir müs­sen die­se Men­schen ein­bin­den. Hand­lungs­op­tio­nen sind nicht nur von Rom zur Basis, sie sind gleich­zei­tig von unten nach oben.

Den­noch gibt es The­men, die nur in Rom ent­schie­den wer­den kön­nen, etwa die bekann­ten heis­sen Eisen: mehr Mit­be­stim­mung von Lai­en, Frau­en­or­di­na­ti­on, Umgang mit Homo­se­xu­el­len. Was ist mit sol­chen The­men?
Die­se The­men wer­den in Rom ent­schie­den. Die Grund­struk­tur der Kir­che ist nicht in Fra­ge gestellt. Der Papst ist der Garant der Ein­heit die­ser Kir­che. Was die gan­ze Welt betrifft, etwa die Frau­en­or­di­na­ti­on, ent­schei­det am Schluss der Papst. Aber Rom will eben auch hören: Ist das wirk­lich das Wich­tig­ste? Betrifft das vie­le Leu­te? Und was wür­de das ändern? Dazu haben wir die­sen Prozess.

Die abschlies­sen­de Ant­wort des Pap­stes kann ganz anders aus­se­hen als das, was den Schwei­ze­rin­nen und Schwei­zern unter den Nägeln brennt. Gibt es Signa­le aus Rom, dass regio­na­le Lösun­gen denk­bar sind?
Die Steu­er­grup­pe zum Syn­oda­len Pro­zess des Bis­tums Basel wird die Ant­wor­ten, die das gfs lie­fert, anschau­en und sich fra­gen: Was rea­li­sie­ren wir in unse­rem Bis­tum? Wo müs­sen wir han­deln und was betrifft uns weni­ger? Die­sen Pro­zess der Erneue­rung inner­halb des Bis­tums gehen wir wei­ter. Wie, das wer­den wir nach Abschluss der Befra­gung anschauen.

Rom hat 2014 bei der Umfra­ge zu Ehe und Fami­lie aus der Schweiz die Ant­wort gehört, die Gleich­be­hand­lung von Homo­se­xu­el­len sei hier ein wich­ti­ges The­ma. Pas­siert ist nichts. Wes­halb soll ich also nun wie­der­um an einer Umfra­ge teil­neh­men?
Man ver­sucht zu dif­fe­ren­zie­ren und das mit einer unter­schied­li­chen Optik anzu­schau­en. Neh­men wir ein que­e­res Paar, das geseg­net wer­den möch­te. Hier gilt es, auf einem gemein­sa­men Weg her­aus­zu­fin­den, was sie mit dem Segen genau wol­len: Möch­ten sie eine Aner­ken­nung durch die Kir­che, durch die Gesell­schaft, den Bei­stand Got­tes? Das gilt auch für Leu­te, die hei­ra­ten wol­len. Die­ses Dif­fe­ren­zie­ren haben wir ein biss­chen ver­nach­läs­sigt, weil wir in Kate­go­rien von Recht und Pflicht den­ken. Die­ser Pro­zess wird zei­gen, wie frucht­bar das ist. 

Die Jün­ge­rin­nen und Jün­ger, die mit Jesus unter­wegs waren,

haben immer wie­der gerungen.

Bischof Felix Gmür

Müss­te man nicht bei man­chen The­men auch die Theo­lo­gie neu den­ken und sich die Fra­ge stel­len: Ist die heu­ti­ge Hand­ha­bung auch theo­lo­gisch noch gerecht­fer­tigt?
Inter­es­sant ist, dass die west­li­che Theo­lo­gie sich ziem­lich ein­ge­schos­sen hat auf Gebo­te und Ver­bo­te. Der syn­oda­le Pro­zess hin­ge­gen hat nicht die­se Fra­ge im Blick, son­dern er fragt eher: Hilft es, das Reich Got­tes zu för­dern oder nicht? Die Fra­ge lau­tet nicht: Darf man? Son­dern: Hilft es? Das ist es, was man einen geist­li­chen Pro­zess nennt. Die­ses Rin­gen ist etwas spe­zi­fisch Christ­li­ches. Die Jün­ge­rin­nen und Jün­ger, die mit Jesus unter­wegs waren, haben immer wie­der gerun­gen. Sie haben Jesus nicht ver­stan­den und nach Erklä­run­gen gefragt. Er hat es erklärt, aber sie haben immer noch nicht ver­stan­den. Die­ses Rin­gen ist nicht in erster Linie resul­tat-ori­en­tiert, son­dern prozess-orientiert.

Sie hat­ten 2016 um kon­kre­te Vor­schlä­ge gebe­ten, wie eine geschwi­ster­li­che Kir­che aus­se­hen könn­te. Die Lan­des­kir­che Luzern hat Ihnen mit 10 Schrit­ten geant­wor­tet. Ihre Reak­ti­on dar­auf war recht kri­tisch. Wie wer­den Sie die­ses Mal mit Ant­wor­ten umge­hen, die Ihnen viel­leicht nicht gefal­len?
In die­sem Fall fand ich das Vor­ge­hen nicht gut. Es waren vor allem For­de­run­gen an den Bischof. Ich habe wenig von die­sem Rin­gen gemerkt. Bei einer Erneue­rung der Kir­che müs­sen sich alle bewe­gen. Wenn etwas geän­dert wird, müs­sen sich zuerst Per­so­nen ändern und dann muss man zusam­men schau­en, was man umset­zen kann. Dafür gibt es unse­re diö­ze­sa­ne Steu­er­grup­pe. Denn das bestimmt nicht ein­fach der Bischof oder eine ein­zel­ne kan­to­na­le Syn­ode, son­dern es sol­len mög­lichst alle ein­be­zo­gen wer­den. Die Anfra­ge geht in erster Linie an jeden und jede Ein­zel­ne selbst. Im Mar­kus-Evan­ge­li­um heisst es: «Kehrt um.» Das beginnt bei mir.

Wie müss­te die Umfra­ge aus­fal­len, damit Sie sagen könn­ten: Wow, toll!
Wenn sich ganz vie­le und ver­schie­de­ne Grup­pen ein­ge­ben, das wür­de mich freuen.

Was wäre der schlimm­ste Fall?
Ich wäre ent­täuscht, wenn sich nie­mand dafür inter­es­sie­ren wür­de. Dann müs­sen wir uns fra­gen: Was bedeu­tet das jetzt zum Bei­spiel für unse­re Struk­tur? Für unse­re Rele­vanz? Was müs­sen wir ändern?

Freu­en Sie sich auf den Pro­zess?
Ich bin ganz begei­stert davon! Mich freut es, dass die­se Syn­ode wirk­lich ver­sucht, das Gan­ze als einen Pro­zess zu füh­ren. Der Ein­be­zug aller Leu­te ist der Königs­weg der Kir­che. Die Kir­che hat nach die­sem Doku­ment offen­sicht­lich den Auf­trag, alle Leu­te ein­zu­be­zie­hen. Ich erhof­fe mir, dass die­ser Pro­zess uns alle betref­fen wird. Und ich bin über­zeugt, dass wir Hand­lungs­fel­der sehen, die für unser Bis­tum oder mög­li­cher­wei­se für die Schweiz von Belang sind, die aber nicht unbe­dingt den römi­schen Pro­zess betreffen.

Marie-Christine Andres Schürch
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