Rea­li­sti­sche Reform­schrit­te als Ziel

  • Vom 20. bis 22. Janu­ar fand die syn­oda­le Ver­samm­lung des Bis­tums Basel statt.
  • 82 kirch­li­che Exper­tin­nen und Exper­ten nah­men an die­ser Ver­samm­lung in Basel teil und dis­ku­tier­ten die Ergeb­nis­se der Umfra­ge «Wir sind Ohr», an der fast 8000 Per­so­nen aus den Bis­tü­mern Basel, Chur und St. Gal­len teil­ge­nom­men hatten. 
  • Die Ver­samm­lungs­teil­neh­mer for­mu­lier­ten aus den Ergeb­nis­sen den Bei­trag des Bis­tums Basel zum syn­oda­len Pro­zess der Welt­kir­che. Ihr Schluss­do­ku­ment nimmt die von den Dia­log­grup­pen an der Basis geäus­ser­ten Anlie­gen auf. 

Am 20. Janu­ar wur­de in Mün­chen das Gut­ach­ten vor­ge­stellt, das allen Erz­bi­schö­fen von Mün­chen und Frei­sing der ver­gan­ge­nen 75 Jah­re, auch dem spä­te­ren Papst Bene­dikt XVI., schwe­re Vor­wür­fe zu ihrem Umgang mit Fäl­len von sexu­el­lem Miss­brauch in ihrem Erz­bis­tum macht. Am Abend des glei­chen Tages begann in Basel die syn­oda­le Ver­samm­lung des Bis­tums Basel. Das zeit­li­che Zusam­men­fal­len zeigt: Aus dem Schat­ten des jahr­zehn­te­lang ver­schwie­ge­nen Miss­brauchs kann sich zur­zeit kei­ne Aus­ein­an­der­set­zung in und mit der Kir­che lösen.

Schluss­be­richt geht an die Bischofskonferenz

Zwei Wochen nach dem Ergeb­nis der Befra­gung des Kir­chen­vol­kes liegt nun mit dem Schluss­be­richt das Doku­ment vor, das an die Schwei­zer Bischofs­kon­fe­renz wei­ter­ge­ge­ben wird. An der syn­oda­len Ver­samm­lung in Basel haben vom 20. bis 22. Janu­ar 2022 82 Per­so­nen – 44 Män­ner und 38 Frau­en – über die Ergeb­nis­se aus der Befra­gung des Kir­chen­vol­kes dis­ku­tiert und dring­li­che Hand­lungs­an­lie­gen for­mu­liert. Den Schluss­be­richt fin­den Sie hier.

Eine Ver­samm­lung von kirch­li­cher Fachkompetenz

Es war kei­ne «revo­lu­tio­nä­re» Ver­samm­lung, die in Basel zusam­men­trat. Und auch kein gewähl­tes «Kir­chen­par­la­ment». Von ihrer Zusam­men­set­zung her war die syn­oda­le Ver­samm­lung eher ein gros­ses Exper­tin­nen- und Exper­ten­gre­mi­um. Ein enor­mes Mass an Fach­kom­pe­tenz und unter­schied­li­chen Erfah­run­gen im kirch­li­chen Dienst, aus allen zehn Kan­to­nen des gröss­ten Bis­tums der Schweiz, war drei Tage lang im glei­chen Saal vereint. 

Die per­so­nel­le Zusam­men­set­zung war von der Bis­tums­lei­tung bestimmt. Sie spie­gel­te eine gros­se Brei­te an kir­chen­po­li­ti­schen Hal­tun­gen wider, Refor­me­rin­nen waren eben­so dabei wie Bewah­rer. Zah­len­mäs­sig waren es ein paar Män­ner mehr, doch in den Dis­kus­sio­nen waren die Frau­en stark prä­sent. Alters­mäs­sig domi­nier­te das «Mit­tel­al­ter», die Sicht der Jun­gen brach­ten die 30- bis 40-Jäh­ri­gen ein. Die Juras­sier äus­ser­ten sich manch­mal auf Fran­zö­sisch, aber die Ver­samm­lungs­spra­che war Deutsch. Mit etwa 16 Pro­zent klar in der Min­der­heit fan­den sich die Prie­ster. Wohl nahe­zu alle Anwe­sen­den waren beruf­lich für die oder mit der Kir­che beschäf­tigt. Wer fehl­te, waren die Frei­wil­li­gen, die gemäss dem Ergeb­nis der Basis­be­fra­gung das Pfar­rei­le­ben am mei­sten gestalten. 

gfs-Stu­die als ver­bind­li­che Grundlage

Revo­lu­tio­när war die Stim­mung schon dar­um nicht, weil die Ver­sam­mel­ten die Ver­fas­sung der Kir­che nicht nach ihren eige­nen Über­zeu­gun­gen neu ent­wer­fen konn­ten. Viel­mehr hat­te die Bera­tung einen ver­bind­li­chen Aus­gangs­punkt: Die Stu­die des Insti­tuts gfs.bern mit den Ergeb­nis­sen der Dia­log­grup­pen vom ver­gan­ge­nen Oktober/November. Urs Bie­ri, Cloé Jans und Adria­na Pepe von gfs.bern, die ihre Stu­die zu Beginn per­sön­lich prä­sen­tier­ten, stell­ten klar, dass es sich nicht um eine reprä­sen­ta­ti­ve Umfra­ge han­del­te. Sie ver­gli­chen das Vor­ge­hen mit einer Ver­nehm­las­sung, für die es erheb­li­che Hür­den (Bil­dung von Grup­pen, kom­ple­xe Fra­ge­stel­lun­gen, Zeit­auf­wand) zu über­win­den galt. Inso­fern sei die Betei­li­gung von 800 Grup­pen mit 5399 Ein­zel­per­so­nen als sehr gut zu wer­ten. Die Ant­wor­ten stam­men in der Regel von Per­so­nen, die ein sehr hohes Inter­es­se an der Kir­che haben. 

Die­se Aus­sa­gen der Basis zu respek­tie­ren, war die Vor­ga­be für die Ver­samm­lung. Die in der gfs-Stu­die auf­be­rei­te­ten Ergeb­nis­se rich­tig zu deu­ten, sie zu gewich­ten und ohne Ver­fäl­schung in weni­ge Kern­aus­sa­gen für jedes der zehn The­men­fel­der zu bün­deln, war der Auf­trag. Dar­über herrsch­te – nach Ein­schät­zung des Beob­ach­ters – unter den Teil­neh­men­den Konsens. 

Inten­si­ve Mei­nungs­fin­dung in Gruppen

Kon­tro­ver­se, hit­zi­ge Ple­nums­de­bat­ten gab es an die­ser Ver­samm­lung kei­ne. Das hing mit der von den bei­den Mode­ra­to­ren – Eugen Trost und Juli­an Miotk vom RPI Luzern – gewähl­ten Metho­de zusam­men. Sie war auf ein Maxi­mum an Aus­tausch aus­ge­rich­tet: Der gröss­te Teil der rund 17 Stun­den Arbeits­zeit bestand aus Grup­pen­ar­beit zu den ein­zel­nen The­men. Wobei jeweils eine ande­re Grup­pe das Ergeb­nis der Vor­gän­ger wei­ter­be­ar­bei­te­te und wenn nötig eine ande­re Ver­si­on erstellte. 

Nach dem lan­gen Arbeits­tag vom Frei­tag war ver­brei­te­te Unzu­frie­den­heit mit den bis dahin erar­bei­te­ten Tex­ten zu spü­ren. Eine Ver­un­si­che­rung auch, ob die Ver­samm­lung ihr Ziel über­haupt errei­chen wür­de. Nach einer kon­zen­trier­ten Anstren­gung am Sams­tag­vor­mit­tag waren dann vie­le über­rascht, dass am Schluss doch noch kon­si­sten­te For­mu­lie­run­gen vor­la­gen. Eigent­li­che Schluss­ab­stim­mun­gen der Gesamt­ver­samm­lung gab es nicht, doch bestand jeder­zeit die Mög­lich­keit, Ein­wän­de und abwei­chen­de Mei­nun­gen fest­zu­hal­ten und mit­zu­ge­ben. Die Schluss­re­dak­ti­on des Gesamt­do­ku­ments – das als Ein­ga­be des Bis­tums Basel zum syn­oda­len Pro­zess der Welt­kir­che an die Schwei­zer Bischofs­kon­fe­renz geht – wur­de in die Hän­de einer klei­nen Redak­ti­ons­kom­mis­si­on gelegt. 

The­men­spei­cher für das eige­ne Bistum

Die Ein­ga­be an Rom, zuhan­den der für Okto­ber 2023 ange­kün­dig­ten Welt-Bischofs­syn­ode, ist nicht das ein­zi­ge Ergeb­nis der syn­oda­len Ver­samm­lung. Vie­le Teil­neh­men­de hiel­ten es für eben­so wich­tig, dass auch Anlie­gen für einen «The­men­spei­cher» fest­ge­hal­ten wur­den, die vom Bis­tum Basel in sei­ner eige­nen Zustän­dig­keit wei­ter­ver­folgt wer­den sollen. 

Bischof für «Anlie­gen» statt «For­de­run­gen»

Bischof Felix Gmür, Gene­ral­vi­kar Mar­kus Thü­rig und die wei­te­ren Mit­glie­der des Bischofs­ra­tes nah­men gleich­be­rech­tigt an den Grup­pen­dis­kus­sio­nen teil. Im Ple­num gab es einen ein­zi­gen Moment, an dem der Bischof sanf­ten Druck aus­üb­te: Er stiess sich am Wort «For­de­run­gen» im Schluss­do­ku­ment. Das kom­me an den «römi­schen Schreib­ti­schen» schlecht an, und es pas­se auch nicht zum syn­oda­len Pro­zess, der auf das «Zuhö­ren» set­ze. Die Teilnehmer/innen respek­tier­ten die­sen Wunsch des Bischofs still­schwei­gend, in der Ein­ga­be ist nun von «Anlie­gen» die Rede. 

Das ist viel­leicht bezeich­nend für die­se syn­oda­le Ver­samm­lung, die dar­um bemüht war, kri­ti­sche Aus­sa­gen und Reform­an­lie­gen der Dia­log­grup­pen in einer Wei­se auf­zu­neh­men, die den rea­len Rah­men­be­din­gun­gen in der katho­li­schen Kir­che Rech­nung trägt. Also nicht ein wei­te­res uto­pi­sches Ide­al­pro­gramm auf­zu­stel­len, son­dern mög­lich schei­nen­de Reform­schrit­te zu unter­stüt­zen, um die Rea­li­tät der Kir­che den von den Dia­log­grup­pen an der Basis geäus­ser­ten Hoff­nun­gen anzunähern.

An der syn­oda­len Ver­samm­lung in Basel wur­de nicht nur gestrit­ten und geschrie­ben, son­dern auch regel­mäs­sig gebe­tet, gesun­gen und gefei­ert. Für die drei Tage hat­te das Pro­jekt­team ein Gebets­heft vor­be­rei­tet. Am Frei­tag­abend zele­brier­te Bischof Felix Gmür mit meh­re­ren Teilnehmern/innen eine Lit­ur­gie in der Kir­che St. Anton, wo er einst als Seel­sor­ger gewirkt hat­te. Es pass­te zum syn­oda­len Geist der Ver­samm­lung, dass der Bischof am fol­gen­den Mor­gen kri­ti­sche Rück­mel­dun­gen auf­nahm, wonach die lit­ur­gi­sche Gestal­tung im Chor­raum den syn­oda­len Cha­rak­ter zu wenig abge­bil­det habe.

Marie-Christine Andres Schürch
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