Rachel Grie­der: Guter Stil zeugt von Respekt

  • Rachel Grie­der ist 22 Jah­re alt.
  • Die Jüdin stu­diert Poli­tik- und Rechts­wis­sen­schaf­ten an der Uni­ver­si­tät Zürich.
 Mei­ne Klei­der sind ein Aus­druck davon, wie ich mich gera­de füh­le. Und gleich­zei­tig beein­flus­sen sie auch mei­ne Stim­mung. Mit dem, was ich anzie­he, kann ich bewir­ken, dass es mir bes­ser geht. Wenn ich mal schlecht drauf bin, wäh­le ich etwas Beque­mes, Simp­les, so kann ich bes­ser ent­span­nen. Auch in inten­si­ven Lern­pha­sen mag ich es ger­ne leger. Danach darf es durch­aus auch mal wie­der aus­ge­fal­le­ner und bun­ter sein. Aber ich wür­de mich unwohl füh­len, wenn mei­ne Klei­dung nicht zu einer Situa­ti­on oder einem Anlass pass­te. Je nach­dem wo ich hin­ge­he, an die Uni, in die Syn­ago­ge oder in den Aus­gang, pas­se ich mei­nen Style an. Guten Stil erach­te ich als ein Zei­chen des Respekts – ande­ren und mir selbst gegen­über.

Reli­giö­ser Schmuck

Mei­ne Klei­dung ist nicht reli­gi­ös beein­flusst, mein Schmuck jedoch schon. Ich tra­ge immer etwas Klei­nes bei mir, zum Bei­spiel einen Anhän­ger, auf dem«Naomi» in Hebrä­isch geschrie­ben steht. Das ist der Name mei­ner Mut­ter. Ich tra­ge meist auch einen oder meh­re­re David­ster­ne. Man nennt ihn auch den «Schild Davids». Er ist ein Sym­bol für das Juden­tum und die zwölf Stäm­me Isra­els und stellt die Bezie­hung zwi­schen Gott und den Men­schen dar. Das Drei­eck, das nach unten weist, zeigt, dass der Mensch sein Leben von Gott erhal­ten hat. Das Drei­eck mit der Spit­ze nach oben sym­bo­li­siert die Rück­kehr des Men­schen zu Gott. 
Mei­ne Schmuck­an­hän­ger lege ich fast nie ab, auch nicht, wenn ich im Aus­gang bin. Sie sind für mich eine Art Talis­man. Noch nie hat sich irgend­je­mand nega­tiv dar­über geäus­sert. Viel­leicht wäre das in gewis­sen Län­dern anders, dann wür­de ich sie wohl nicht so sicht­bar tra­gen. Reli­giö­se Sym­bo­le, die nichts mit dem Juden­tum zu tun haben, kom­men für mich als Schmuck nicht in Fra­ge.

Kleid, lan­ge Ärmel, Schal

Im ortho­do­xen Juden­tum gibt es den «Zni­ut» (hebrä­isch: Beschei­den­heit und Sitt­sam­keit). Die­ser Ver­hal­tens­ko­dex gibt vor, wie man sich öffent­lich klei­den und ver­hal­ten soll. Ver­hei­ra­te­te ortho­do­xe jüdi­sche Frau­en sol­len dem­nach ihr Haar bedecken, etwa mit einer Hau­be, einem Schal oder einer Perücke. Ich befol­ge die­se Vor­schrift nicht, weil ich mich damit unwohl füh­len wür­de.An einer jüdi­schen Hoch­zeit wür­de ich ein knie­lan­ges, schul­ter­decken­des schwar­zes Kleid tra­gen und dazu einen brei­ten Schal. Die­ses Out­fit wür­de auch bei ande­ren Gele­gen­hei­ten pas­sen, auch unter­wegs in der Stadt. Ein­zig in der Syn­ago­ge wäre die­se Klei­dung nicht ange­bracht. Dort braucht es ein län­ge­res Kleid mit lan­gen Ärmeln, das man ohne Schal trägt. 
Marie-Christine Andres Schürch
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