Psalm 5, Vers 9 ist ihr Leit­mo­tiv als Seelsorgerin

Psalm 5, Vers 9 ist ihr Leit­mo­tiv als Seelsorgerin

  • Am 29. Mai erteil­te Bischof Felix der frisch diplo­mier­ten Theo­lo­gin Anna Di Pao­lo die Institutio. 
  • Der Weg zur Pfar­rei­seel­sor­ge­rin von Rini­ken war für die 54-Jäh­ri­ge aller­dings weder kurz noch leicht.
  • Doch Vers 9 aus dem 5. Psalm wur­de der lebens­fro­hen Ber­ne­rin zum Lebens- und Seelsorgeleitmotiv.

Als sie im Jahr 2000 nach Lan­gen­thal zog, schick­te ihr der dor­ti­ge Pfar­rer eine hand­ge­schrie­be­ne Kar­te zur Begrüs­sung. So fand sie wie­der öfter den Weg in die Kir­che. Er war es auch, der ihr vor­schlug, den Stu­di­en­gang Theo­lo­gie oder die Aus­bil­dung zur Kate­che­tin zu machen. Viel­leicht spür­te die­ser Pfar­rer mehr, als Anna Di Pao­lo sich damals sel­ber zuge­stan­den hät­te. Sie wur­de Pfar­rei­se­kre­tä­rin in Her­zo­gen­buch­see und von da an ging sie, davon ist sie über­zeugt, den Weg, den Gott ihr geeb­net hatte.

«Nichts für Mädchen»

Bei Anna Di Pao­lo hat­te in jun­gen Jah­ren noch gar nichts dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sie der­einst als Pfar­rei­seel­sor­ge­rin im Pasto­ral­raum Brugg-Win­disch für die Pfar­rei Rini­ken zustän­dig sein wür­de. Auf­ge­wach­sen in einer katho­li­schen Fami­lie im ber­ni­schen Her­zo­gen­buch­see als jüng­stes von vier Kin­dern, absol­vier­te sie zuerst den Vor­kurs an der Kunst­ge­wer­be­schu­le Bern, bevor sie die Aus­bil­dung zur Hoch­bau­zeich­ne­rin mach­te und mit dem Eid­ge­nös­si­schen Fähig­keits­zeug­nis abschloss. 

«An sich hät­te ich ger­ne einen künst­le­ri­schen Beruf erlernt, aber damals gab es für Mäd­chen ein­fach kei­ne Lehr­stel­len im künst­le­ri­schen Bereich», erin­nert sich Di Pao­lo, die zwar wohl im Jahr der sozia­len Revol­ten und der Jugend­be­we­gung, 1968, zur Welt gekom­men war, aber den­noch immer wie­der im Lau­fe ihrer Kar­rie­re erle­ben muss­te, dass Män­ner bestimm­ten, was Frau­en zu tun hat­ten, auch wenn Frau­en das eben­so gut oder noch bes­ser sel­ber konnten.

Kein schnur­ge­ra­der Lebensweg

Auf der Gar­ten­ter­ras­se des Katho­li­schen Kir­chen­zen­trums Brugg-Nord in Rini­ken schil­dert Di Pao­lo ihren Wer­de­gang. Der ist alles ande­re als grad­li­nig, dafür zeugt er von umso mehr Begei­ste­rungs­fä­hig­keit und Ein­satz­wil­len. Nach der Leh­re ging’s für ein­ein­halb Jah­re nach Luga­no, wo sie auf ihrem erlern­ten Beruf Ita­lie­nisch lern­te. Dann für sechs Mona­te nach Austra­li­en, um ihr Eng­lisch zu ver­bes­sern. Weil sie danach nicht mehr in einem Büro arbei­ten woll­te, heu­er­te sie bei einer Gar­ten­bau­fir­ma an. Sie mach­te auch Erfah­run­gen als Arbeits­lo­se auf der Suche nach einer neu­en Chan­ce. Dar­aus erwuchs ihr die Gele­gen­heit, das neu geschaf­fe­ne Pro­jekt «Arbeits­lo­sen­be­ra­tung» in Her­zo­gen­buch­see zu leiten.

Das Zuhö­ren gelernt

Anna Di Pao­lo arbei­te­te bei der Ber­ner Denk­mal­pfle­ge als Archi­va­rin Plan­ar­chiv und Sach­be­ar­bei­te­rin Kul­tur­gü­ter­schutz. «Das war mein erster Kon­takt mit Aka­de­mi­kern», erin­nert sie sich mit einem Lächeln. Sie war bei einer Küchen­mö­bel­im­port­fir­ma, wur­de als SP-Kan­di­da­tin in den Gemein­de­rat von Her­zo­gen­buch­see gewählt, arbei­te­te im Cate­go­ry Manage­ment von Coop Bau+​Hobby – «Ich habe vom Lager bis zur Kas­se alles gemacht!» –, hat ihren Mann ken­nen­ge­lernt, eine Fami­lie gegrün­det und stieg wie­der ins Berufs­le­ben ein als Emp­fangs­da­me in einer Zahn­arzt­pra­xis: «Man könn­te sagen, das war mei­ne erste Stel­le als Seel­sor­ge­rin. Da habe ich gelernt, zuzuhören.»

Drei­fach gefordert

Mit dem Umzug nach Lan­gen­thal begann auch ihre theo­lo­gi­sche Aus­bil­dung. Die­ser Weg hat Di Pao­lo viel abver­langt: «Ich habe 70 Pro­zent gear­bei­tet, und 40 Pro­zent mei­ner Zeit brauch­te ich für die Uni. Wenn ich dann nach Hau­se kam, waren aber immer die Kin­der an erster Stel­le.» In die­ser Zeit der drei­fa­chen For­de­rung hielt sie sich immer an ihren Lieb­lings­vers aus Psalm 5: «Lei­te mich, Herr, in dei­ner Gerech­tig­keit, mei­nen Fein­den zum Trotz; ebne dei­nen Weg vor mir!» Dass sie die­ser Weg in den Aar­gau füh­ren wür­de, hät­te sie nicht gedacht, aber: «Als ich zum ersten Mal vor dem kirch­li­chen Zen­trum Lee hier in Rini­ken stand, da wuss­te ich: das ist es!» 

Nach der Pho­to­auf­nah­me im Lee, trifft sie vor der Kir­che auf zwei ihrer Gemein­de­mit­glie­der, die vor kur­zem einen schwe­ren Ver­lust zu ver­kraf­ten hat­ten. Sofort ist Di Pao­lo mit den bei­den im Gespräch, spen­det ihnen Trost und ver­si­chert sie ihres Gebets. Sie zau­bert ein dank­ba­res Lächeln auf die Gesich­ter der Trau­ern­den und es wird offen­sicht­lich, dass die­ser Weg ihr Weg ist.

Christian Breitschmid
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