Plä­doy­er für einen auf­ge­klär­ten Marktbegriff

Plä­doy­er für einen auf­ge­klär­ten Marktbegriff

Weder Gott noch Teufel

Plä­doy­er für einen auf­ge­klär­ten Marktbegriff

«Der Markt exi­stiert nicht» – der Titel des Werks von Lucas Zapf und Peter See­le erwies sich an einer Buch­be­spre­chung als erklä­rungs­be­dürf­ti­ge Pro­vo­ka­ti­on. Pro­ble­ma­tisch wer­de es, wenn der Markt ein Eigen­le­ben ent­wick­le und eine gott­ähn­li­che Form anneh­me, sag­te Zapf.«Der Markt hat uns dazu gezwun­gen» – Sät­ze wie die­ser sind Stan­dard, wenn ein Unter­neh­men Nega­ti­ves zu berich­ten hat. Die­se Ver­wen­dung des Begriffs sug­ge­riert, dass mit Markt mehr als ein­fach nur die Abwick­lung eines Tau­sches gemeint ist. Eine sol­che Auf­la­dung des Mark­tes füh­re zu pro­ble­ma­ti­schen Ergeb­nis­sen, mach­te Lucas Zapf in einer kur­zen Prä­sen­ta­ti­on sei­nes Buches gel­tend.Die Ver­gött­li­chung des Mark­tes hat aus der Sicht von Zapf mit Adam Smith, dem Begrün­der der klas­si­schen Natio­nal­öko­no­mie, begon­nen. Der Markt erscheint in «Der Wohl­stand der Natio­nen» als posi­ti­ves Mit­tel zum Zweck, sozia­len Nut­zen zu stif­ten. Smit­hs berühm­te «unsicht­ba­re Hand» legt gar etwas Gött­li­ches nahe. Die posi­ti­ve Auf­la­dung des Begriffs habe dazu geführt, dass der Markt geschützt wer­de und sich als posi­ti­ves Leit­mo­tiv ver­fe­sti­ge. Die Fol­ge: Der Markt wird zur Uni­ver­sal­lö­sung, auch aus­ser­halb der Wirt­schaft. Als Bei­spiel nann­te Zapf die Reli­gi­on. Christ­li­che Kir­chen ver­su­chen sich durch die Gestal­tung ihres Ange­bots gegen den Mit­glie­der­schwund zu weh­ren. Das Pro­blem: Wie kann eine Kir­che defi­nie­ren, was ihr Pro­dukt ist? Oder die Ein­woh­ner­kon­trol­le, die als Kun­den­zen­trum auf­tritt: Ist man nicht eher Staats­bür­ger als Kun­de, wenn man sei­nen Pass erneu­ern muss?Voll­ends pro­ble­ma­tisch wer­de es dann, wenn der Markt ins Böse kip­pe und sich von der Gesell­schaft ent­kopp­le. Wer die For­mu­lie­rung «Der Markt hat uns dazu gezwun­gen» ver­wen­de, miss­brau­che den Markt als Schutz­schild und dele­gie­re die Ver­ant­wor­tung, sag­te Zapf. Ein wei­te­res wirt­schafts­ethi­sches Pro­blem bestehe dar­in, dass ein so ver­stan­de­ner Markt resi­stent gegen Ver­än­de­rung sei. Der Markt soll­te des­halb ent­zau­bert und auf das redu­ziert wer­den, was er ist: eine Tech­nik, um den Tausch zu orga­ni­sie­ren.Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ter Rolf Weder und Eli­sa­beth Schnei­der, Basel­bie­ter CVP-Natio­nal­rä­tin und Prä­si­den­tin der Han­dels­kam­mer bei­der Basel, konn­ten mit Zapfs The­se wenig anfan­gen. Sie ver­hehl­ten zwar nicht, dass der Markt pro­ble­ma­ti­sche Sei­ten haben kann, doch plä­dier­ten bei­de dafür, ihn nicht zu ver­teu­feln. Aus Weders Sicht ist es zuwei­len auch die Poli­tik, die ver­sagt, indem sie sich nicht zu den not­wen­di­gen Regu­lie­run­gen durch­rin­gen kann. Schnei­der zeig­te sich mit Weder dar­in einig, dass es inter­na­tio­na­le Stan­dards brau­che, sie warn­te aber vor einem impe­ria­li­sti­schen Vor­ge­hen. «Wir gehen als Mis­sio­na­re durch die Welt, dabei haben wir den gröss­ten öko­lo­gi­schen Fuss­ab­druck», sag­te sie.Aus der Sicht von Mode­ra­to­rin Béa­tri­ce Bowald, Co-Lei­te­rin des Pfarr­amts für Indu­strie und Wirt­schaft, muss die Rück­sicht­nah­me auf loka­le Kul­tu­ren Gren­zen haben. Das Bei­spiel der Tex­til­pro­duk­ti­on in Ban­gla­desch zeigt, wie schwie­rig das in der Pra­xis ist. «Las­sen Sie uns die Fabri­ken, sonst muss ich ­mei­ne Toch­ter mit 12 ver­hei­ra­ten!», habe ein Vater ihr gesagt, berich­te­te Natio­nal­rä­tin Schnei­der.Regu­la Vogt-Kohler
Redaktion Lichtblick
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