Pilot­pro­jekt Nah­raum­pa­sto­ral: Neue Ziele

Pilot­pro­jekt Nah­raum­pa­sto­ral: Neue Ziele

  • 2016 führ­ten das Bis­tum Basel und die Römisch-Katho­li­sche Lan­des­kir­che Aar­gau ein Pilot­pro­jekt zum The­ma Nah­raum­pa­sto­ral durch, an dem sich zwei Pasto­ral­räu­me im Aar­gau beteiligten.
  • 2018 zogen Bis­tum und Lan­des­kir­che in einer Medi­en­mit­tei­lung Bilanz und kün­dig­ten wei­te­re Über­le­gun­gen an.
  • Für die Jah­re 2019 und 2020 haben die Ver­tre­ter von Lan­des­kir­che, Pasto­ral­kon­fe­renz und Bis­tum Basel nun Hand­lungs­fel­der und Jah­res­zie­le benannt.
 Seit fast fünf Jah­ren ist die soge­nann­te Nah­raum­pa­sto­ral im Aar­gau ein The­ma. Zeit, einen Über­blick zu lie­fern und den neue­sten Stand der pio­nier­haf­ten Zusam­men­ar­beit zwi­schen der Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­che Aar­gau und dem Bis­tum Basel zu beschrei­ben.

Eine Pre­mie­re für die Schweiz 

In den Jah­ren 2014 und 2015 wur­de erst­mals von«Nahraumpastoral» im Kir­chen-Aar­gau gespro­chen. In Ver­an­stal­tun­gen dis­ku­tier­te man Wege leben­di­ger Kir­che vor Ort. Zwar wur­de es zunächst still um das The­ma, doch die Römisch-Katho­li­sche Lan­des­kir­che Aar­gau und das Bis­tum Basel leg­ten mit­nich­ten die Hän­de in den Schoss – im Gegen­teil.2016 wur­de bekannt, dass die Römisch-Katho­li­sche Lan­des­kir­che Aar­gau und das Bis­tum Basel gemein­sam ein Pilot­pro­jekt zum The­ma Nah­raum­pa­sto­ral lan­cier­ten. In Kennt­nis bereits exi­stie­ren­der Pro­jek­te im In- und Aus­land mit Frei­wil­li­gen bot die Lan­des­kir­che dem Bis­tum eine Zusam­men­ar­beit an; eine Art Pre­mie­re, denn ähn­li­che Ansät­ze in ande­ren Bis­tums­kan­to­nen – bei­spiels­wei­se im Thur­gau – wur­den nicht in Koope­ra­ti­on auf­ge­gleist. «Das Ange­bot unse­rer­seits ist sehr posi­tiv auf­ge­nom­men wor­den», resü­mier­te Heinz Altor­fer, Vize­prä­si­dent des Kir­chen­ra­tes der Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­che Aar­gau, nach­dem 2018 erste Schlüs­se aus dem Pro­jekt gezo­gen wur­den, das mit den Pasto­ral­räu­men Regi­on Brugg-Win­disch und Am Mut­schel­len durch­ge­führt wur­de.

2018: Bis­tum und Lan­des­kir­che im Wider­spruch zueinander 

Doch die Medi­en­mit­tei­lung vom Janu­ar 2018 über das Pro­jekt brach­te nach Recher­chen von Hori­zon­te auch wider­sprüch­li­che Auf­fas­sun­gen ans Licht. Einer­seits, so die Lan­des­kir­che, sei es dar­um gegan­gen, zu sehen, was es brau­che und was man tun kön­ne, um frei­wil­lig enga­gier­te Kir­chen­mit­glie­der zu bestär­ken und zu beglei­ten, sich aktiv vor Ort in die Pasto­ral ein­zu­brin­gen. Ande­rer­seits, so das Bis­tum, habe das Pro­jekt eben nicht zum Ziel, Frei­wil­li­ge in den pasto­ra­len Dienst zu rekru­tie­ren, son­dern die Bil­dung von Gemein­schaf­ten und Grup­pie­run­gen und ihrer Ver­net­zung, der eine beson­de­re Bedeu­tung zukom­me, zu ermög­li­chen. Im Pasto­ra­len Ent­wick­lungs­plan (PEP) heis­se es ganz klar: Die Gläu­bi­gen sei­en weni­ger auf­ge­ru­fen, Auf­ga­ben der Seel­sor­gen­den zu über­neh­men.Eine wei­te­re Ein­schät­zung – sei­tens ver­schie­de­ner Seel­sor­gen­den – war, dass das Pro­jekt ins­ge­samt zu wenig mutig und inno­va­tiv gewe­sen sei. Die Medi­en­mit­tei­lung stell­te zum Schluss klar: «Gemein­sam hal­ten Bis­tum und Lan­des­kir­che als gemein­sa­me Trä­ger­schaft fest, dass sich das Pilot­pro­jekt mit den bei­den Pasto­ral­räu­men gelohnt hat, auch wenn nicht alle Zie­le erreicht wor­den sind. (…) Die Ent­wick­lun­gen sol­len wei­ter beob­ach­tet und all­fäl­li­ge wei­te­re Schrit­te durch die bei­den Trä­ger geplant wer­den. Dazu wol­len sich Bis­tum und Lan­des­kir­che in einem Jahr wie­der zum Erfah­rungs­aus­tausch und zur Mei­nungs­fin­dung tref­fen».Am 25. Febru­ar 2019 ver­schick­te die Römisch-Katho­li­sche Lan­des­kir­che Aar­gau nun eine Medi­en­mit­tei­lung über die­se Mei­nungs­fin­dung. Auf der ersten Sei­te betont das Schrei­ben die Wich­tig­keit der Gemein­schafts­bil­dung vor Ort, auf der Zwei­ten beschreibt es Hand­lungs­fel­der und Jah­res­zie­le für 2019 und 2020.

«Die Men­schen wol­len wis­sen, wer sie beerdigt» 

Auf die Fra­ge an ver­schie­de­ne Unter­zeich­nen­de des Papiers, was denn neu und inno­va­tiv an der Sache ist, sind sich fast alle in einem Punkt einig: Dass Lan­des­kir­che und Bis­tum tat­säch­lich bei einem Pasto­ral­pro­jekt zusam­men­ar­bei­ten. Dar­über hin­aus wer­de gemäss Gene­ral­vi­kar Mar­kus Thü­rig deut­lich, dass es sich loh­ne, kirch­li­ches Leben aktiv zu gestal­ten. Neu sei, so Heinz Altor­fer, dass die bei­den Koope­ra­ti­ons­part­ner gemein­sa­me Zie­le auf kon­kre­te Akti­vi­tä­ten bezo­gen for­mu­lier­ten und die­se trans­pa­rent gemacht wür­den.Die Seel­sor­ge­rin Bri­git­ta Minich, die im Vor­stand der Pastora­kon­fe­renz und in der Arbeits­grup­pe «Die Kir­che bleibt im Dorf» tätig war, prä­zi­siert: «Die­ses Pro­jekt ist von unten ent­stan­den, denn an der Basis gibt es bei vie­len Seel­sor­ge­rin­nen und Seel­sor­gern und Frei­wil­li­gen schon lan­ge das Bewusst­sein dafür, dass Men­schen, die sich aktiv für Kir­che inter­es­sie­ren, auch ein Bedürf­nis nach Zuge­hö­rig­keit haben; dort, wo sie leben. Sie wol­len bei­spiels­wei­se wis­sen, wer sie beer­digt. Das Pro­jekt ermög­licht es den Pasto­ral­räu­men, an der Ver­wirk­li­chung der The­ma­tik im Nah­raum auf ihre je eige­ne Art mit ihren Ange­stell­ten und Frei­wil­li­gen wei­ter­zu­den­ken. Eine Stär­ke des Pro­jekts dabei ist, die Frei­wil­li­gen bei die­ser Zukunfts­ge­stal­tung bewusst ein­zu­be­zie­hen.»

Eine Ant­wort auf den Top-Down-Prozess 

Clau­dia Men­nen, Lei­te­rin der Fach­stel­le Bil­dung und Prop­stei der Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­che Aar­gau, bringt zwei wei­te­re Facet­ten ins Spiel: Einer­seits erken­ne das Bis­tum end­lich die Wich­tig­keit des Nah­raums an; eine Wich­tig­keit, die von den Seel­sor­gen­den an der Basis schon lan­ge the­ma­ti­siert wor­den sei. Kon­kret ver­steht Clau­dia Men­nen die­ses Pro­jekt als eine Art Ant­wort auf den Top-Down-Pro­zess der Pasto­ral­raum­bil­dung. Ande­rer­seits habe die Dis­kus­si­on um den Nah­raum im Hin­ter­grund sicher auch dazu bei­getra­gen,  dass das The­ma Zusatz­aus­bil­dun­gen in Angriff genom­men wor­den sei. So habe die Deutsch­schwei­zer Ordi­na­ri­en­kon­fe­renz (DOK) im Okto­ber 2018 zwei berufs­feld­erwei­tern­de Zusatz­aus­bil­dun­gen, «Kirch­li­che Frei­wil­li­gen­ani­ma­ti­on» für Kate­che­tin­nen und Kate­che­ten sowie Jugend­ar­bei­ten­de und «Lei­tungs­as­si­stenz» für Quer­ein­stei­gen­de beschlos­sen. Sowohl bei den Hand­lungs­fel­dern als auch bei den Jah­res­zie­len führt das Febru­ar-Papier der Koope­ra­ti­ons­part­ner die Zusatz­aus­bil­dung «Kirch­li­che Frei­wil­li­gen­ani­ma­ti­on» nach For­Mo­du­la auf. Mit die­ser sol­len gezielt wei­te­re Frei­wil­li­ge für die Mit­ar­beit in den Pfar­rei­en moti­viert wer­den.Ande­re Hand­lungs­fel­der im Papier bezie­hen sich auf die bes­se­re Ver­net­zung inner­halb der Nah­räu­me, die Wei­ter­bil­dung Frei­wil­li­ger in bereits bestehen­den Grup­pen oder die Unter­stüt­zung von Teams, Kir­chen­pfle­gen, Pfar­rei­rä­ten und Frei­wil­li­gen durch Bera­tungs­an­ge­bo­te oder bei Bedarf durch die Fach­stel­len Dia­ko­nie oder Bil­dung und Prop­stei. Die bei­den Fach­stel­len sol­len, so eines der Jah­res­zie­le, ein Pro­jekt pla­nen, das die För­de­rung und Unter­stüt­zung der Frei­wil­li­gen­ar­beit in Pfar­rei­en und Pasto­ral­räu­men in den Blick nimmt.

Kir­che im Ver­gleich noch «erschreckend unprofessionell»

«Frei­wil­li­ge wol­len mit­ar­bei­ten, wenn sie einen kla­ren Auf­trag haben», ist Clau­dia Men­nen über­zeugt. Dazu müss­ten die Frei­wil­li­gen gut beglei­tet wer­den. Wert­schät­zung für das Enga­ge­ment von Frei­wil­li­gen sei enorm wich­tig. Es dür­fe nicht bei einem unver­bind­li­chen «Ver­gelts Gott» blei­ben. «Auch soll­te es selbst­ver­ständ­lich sein, dass Wei­ter­bil­dun­gen, zum Bei­spiel für Lek­to­ren, Kom­mu­ni­on­hel­fer oder Mit­ar­bei­ten­de im Berufs­dienst, voll­um­fäng­lich bezahlt wer­den», for­dert Clau­dia Men­nen. Die Haupt­amt­li­chen müss­ten sich neu bewusst wer­den, dass Frei­wil­li­ge pro­fes­sio­nell beglei­tet wer­den müss­ten. «Im Ver­gleich zu ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen sind wir da erschreckend unpro­fes­sio­nell», sagt die Theo­lo­gin.Auch Mar­kus Thü­rig gibt unum­wun­den zu, dass es noch Hand­lungs­be­darf gebe. So habe die Eva­lua­ti­on des Pro­jek­tes gezeigt, dass die Ver­net­zung unter den Mit­ar­bei­ten­den in Pasto­ral­räu­men nicht unbe­dingt schon umge­setzt sei. Es gebe zwi­schen man­chem Postu­lat und dem tat­säch­li­chen Han­deln noch einen «gar­sti­gen Gra­ben». Doch fest steht: Fast fünf Jah­re Dis­kus­si­on und teil­wei­se zähes Rin­gen um den Begriff Nah­raum­pa­sto­ral, wie er zu den­ken und zu fül­len ist, brin­gen nun kon­kre­te Früch­te.

«Neu­es Han­deln grün­det in ver­än­der­ten Haltungen»

«Wich­tig erscheint mir auch, dass eines der Hand­lungs­fel­der vor­sieht, das The­ma in den ver­schie­de­nen Gre­mi­en und in den Pasto­ral­räu­men im Gespräch zu hal­ten; da ist es näm­lich unter­schied­lich prä­sent», sagt Bri­git­ta Minich.  Mit dem Papier liegt nun ein Zwi­schen­stand vor, der gleich­zei­tig in die Zukunft weist. Die Über­prü­fung der Jah­res­zie­le, so erklärt es Heinz Altor­fer, «erfolgt im Rah­men der jähr­lich durch­ge­führ­ten Eva­lua­tio­nen der invol­vier­ten Fach­stel­len, wel­che dem Kir­chen­rat und der Bis­tums­re­gio­nal­lei­tung St. Urs vor­ge­legt wer­den». Auf die Fra­ge, ob es The­men gebe, die durch das Nah­raum­pi­lot­pro­jekt nicht gelöst wer­den kön­nen oder für die ganz anders gedacht wer­den müss­te, ant­wor­tet Mar­kus Thü­rig: «Neu­es Han­deln grün­det in ver­än­der­ten Hal­tun­gen. Das kann ein Pro­jekt immer nur anstos­sen»; Ver­än­de­run­gen brin­ge dann der lan­ge Atem des Lebens.
Anne Burgmer
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