Die Philipp-Neri-Stiftung sucht Finanzierungswege

Die Philipp-Neri-Stiftung sucht Finanzierungswege

  • Seit vier Jahren ist der Priester Adri­an Bolz­ern «Zirkusp­far­rer», das heisst, er ist schweizweit als Seel­sorg­er für Zirkusleute, Mark­thändler und Schausteller unter­wegs.
  • Sein Gehalt zahlt die Philipp-Neri-Stiftung, die 2019 ihr 20-jähriges Beste­hen feiert. Die Stiftung finanziert sich auss­chliesslich durch Spenden, einzelne Pfar­reiopfer oder Bene­fizver­anstal­tun­gen.
  • Im Gespräch mit Hor­i­zonte kommt die Frage auf, ob die Finanzierung eines Teils der Lohn­prozente von Adri­an Bolz­ern nicht auch Sache der ver­schiede­nen Lan­deskirchen sein müsste.
 Den Papst hat die Patin von Adri­an Bolz­ern auf die Scheibe seines Autos gek­lebt. Hin­ten links winkt nun Franziskus den irri­tierten Men­schen am Strassen­rand zu. «Ich wusste nicht, dass sie das macht. Aber ich finde es eigentlich noch lustig. Ausser­dem ist Franziskus ja beliebt», sagt Adri­an Bolz­ern mit bre­it­em Lachen.

Ein offenes Ohr im Gepäck

Beliebt ist auch Adri­an Bolz­ern. Er ist ein hand­fester Typ aus dem Laufen­tal und hat ursprünglich die Aus­bil­dung zum Gärt­ner gemacht, bevor er dann über den drit­ten Bil­dungsweg Reli­gion­späd­a­gogik und später The­olo­gie studierte. Nach langem Rei­fung­sprozess, wie er sel­ber es sagt, liess er sich zum Priester für das Bis­tum Basel wei­hen. Wo Adri­an Bolz­ern auf­taucht, sieht man fro­he Gesichter und hört man ihn und andere lachen.Vielle­icht waren diese freudi­ge Ausstrahlung und der Humor des heute 39-Jähri­gen Gründe, warum Ernst Heller auf der Suche nach seinem Nach­fol­ger Adri­an Bolz­ern ansprach. Mit zunächst 30 und mit­tler­weile 50 Stel­len­prozent reist Ari­an Bolz­ern seit nun vier Jahren lan­dauf, landab zu Zirkussen, an die ver­schiede­nen Messen und Märk­te. Immer im Gepäck: sein offenes Ohr. Er ist da für die Sor­gen und Nöte der Schaustel­lerin­nen, Händler und Zirkus­men­schen.

Philipp Neri – der heitere Heilige

Noch ein Men­sch, der Humor hat­te, und mit sein­er Heit­erkeit die Men­schen anzog, lebte von 1515 bis 1595 in Ital­ien. Der Mann hiess Philipp Neri und lebte und wirk­te von 1533 an in Rom; erst als Laie, dann als Priester. Philipp Neri sprach und disku­tierte mit jed­er­mann. Er engagierte sich kar­i­ta­tiv, zum Beispiel in der Pflege bedürftiger Rompil­ger. Seine Ver­samm­lun­gen und Gottes­di­en­ste erfreuten sich gross­er Beliebtheit – für die wach­sende Zuhör­erzahl musste ein zusät­zlich­er Raum über der kleinen Kirche gebaute wer­den, an der Philipp Neri tätig war. Dort ent­stand eine Wohnge­mein­schaft, aus der Philipp Neri später die Ora­to­ri­an­er grün­dete – einen Welt­pries­teror­den.Viele kleine Anek­doten über­liefern sein heit­eres Gemüt und dass er stets darauf achtete, nicht allzu ernst genom­men zu wer­den. Der Heilige Philipp Neri ist Patron von Rom und der Schutzheilige der Humoris­ten. Ein passender Namensge­ber für die Stiftung, die seit 1999 das Gehalt des jew­eili­gen katholis­chen Zirkusseel­sorg­ers zahlt.

Keine Kirchenmittel für die Stiftung

Die Gehalts­fi­nanzierung ist eine Frage, die auch Adri­an Bolz­ern beschäftigt: «Ich bin zu 100 Prozent bei der Kreiskirche Aarau angestellt. Die 50 Prozent, die ich für die Zirkusseel­sorge aufwende, wer­den der Philipp-Neri-Stiftung in Rech­nung gestellt», beschreibt der Seel­sorg­er die for­male Hand­habung. Die Stiftung ihrer­seits ist auf Spenden angewiesen, denn sie erhält für ihre Arbeit, die auch Hil­fe für in Not ger­atene Zirkus­men­schen, Händler oder Schausteller umfasst, keine Mit­tel von Kirche oder Staat. Im Fly­er der Stiftung heisst es zudem: «Der Stiftungsrat leis­tet seinen Ein­satz ehre­namtlich und kosten­los».Kurt Lus­ten­berg­er, Mit­glied des Stiftungsrates und zuständig für die Finanzen der Philipp-Neri-Stiftung sagt auf Nach­fra­gen: «Die Arbeit­saufwen­dun­gen von Pfar­rer Bolz­ern zahlen wir der Kirchge­meinde zurück. Der Zirkusp­far­rer hat ja – anders als ein nor­maler Pfar­rer – keine Kirchge­meinde im Rück­en, die den Lohn zahlt. Bei Ernst Heller war es so, dass die Schweiz­er Bischof­skon­ferenz ihn für diese Spezialseel­sorge freis­tellte, ihm gle­ichzeit­ig aber klar machte, dass er sel­ber zu seinem Lohn kom­men müsste. Dafür wurde dann die Philipp-Neri-Stiftung gegrün­det».

Wäre migratio zuständig?

Im Jahr 2014, als Ernst Heller seine Abschieds­sai­son erlebte und gle­ichzeit­ig seinen Nach­fol­ger Adri­an Bolz­ern einar­beit­ete, wurde die finanzielle Sit­u­a­tion der Stiftung stark beansprucht, denn: Es mussten zwei Gehäl­ter gezahlt wer­den. Gebessert habe sich die Sit­u­a­tion vor allem deswe­gen, weil mit­tler­weile regelmäs­sig Bene­fizver­anstal­tun­gen durchge­führt wür­den – so die Philipp-Neri-Nacht, die alle zwei Jahre in ver­schiede­nen Zirkuszel­ten durch die Manege tobe; dieses Jahr im Zirkus Gasser Olympia. Mit Essen und Vorstel­lung inklu­sive kostete ein Tick­et 200 Franken. «Im Prinzip müsste man einen Fundrais­er engagieren, um genau zu schauen, was möglich ist. Ich sel­ber kann das nicht machen und der Stiftungsrat macht alles ehre­namtlich. Mir geht es auch nicht um ein­ma­lige Sachen, son­dern um Regelmäs­sigkeit. Und da auch nicht um irgendwelche riesi­gen Sum­men, son­dern darum, dass wenig­stens ein Teil der Lohn­prozente sich­er finanziert ist», erläutert Adri­an Bolz­ern.Sowohl er als auch Kurt Lus­ten­berg­er wer­fen die Frage nach der Zuständigkeit auf. Die läge – das wird auch Mar­cel Not­ter, Gen­er­alsekretär der Römisch-Katholis­chen Lan­deskirche im Aar­gau, sagen – ihrem Ver­ständ­nis nach bei migra­tio. Migra­tio «arbeit­et im Auf­trag der Bischof­skon­ferenz als deren Beratungs­gremi­um, Stab­sorgan und Aus­führung­sor­gan in allen Fra­gen der Seel­sorge für die Migranten und Men­schen unter­wegs», heisst es auf deren Inter­net­präsenz.

Zirkusfamilien zahlen auch Kirchensteuern

Kurt Lus­ten­berg­er bestätigt, dass ein Gesuch der Philipp-Neri-Stiftung bei migra­tio abschlägig beant­wortet wurde. Patrick Renz, Nationaldirek­tor von migra­tio, ist ferienbe­d­ingt abwe­send. Auch Luc Hum­bel, Kirchen­rat­spräsi­dent im Aar­gau und Präsi­dent der Römisch-Katholis­chen Zen­tralkon­ferenz RKZ weilt in den Ferien. Genauere Infor­ma­tio­nen sind also im Moment nicht zu erhal­ten.«Die Seel­sorg­er für die Fahren­den zahlt migra­tio, doch für die Zirkusleute, Händler und Schausteller fühlt sich finanziell nie­mand ver­ant­wortlich. Dabei sind sie auch ‚Men­schen unter­wegs‘. Der Unter­schied zu den Fahren­den ist, dass sie einen Ort haben, an dem sie gemeldet sind und Steuern zahlen. Auch Kirchen­s­teuern. Vielle­icht kön­nte man schauen, wo die einzel­nen Zirkus­fam­i­lien gemeldet sind und diejeni­gen Lan­deskirchen ansprechen. Eine Art Finanzschlüs­sel erar­beit­en. Es gibt immer­hin neun tra­di­tionelle Zirkusse in der Schweiz», über­legt Adri­an Bolz­ern.Dass eine einzelne Lan­deskirche nicht das Gehalt für eine schweizweite Arbeit übernehmen möchte, kann Adri­an Bolz­ern nachvol­lziehen. Doch viele Men­schen liessen sich von Zirkussen oder beliebten Märk­ten und Messen durch das Jahr hin­durch unter­hal­ten. Es läge also im Inter­esse aller, dass es den Men­schen, die hin­ter den Stän­den und Zel­ten arbeit­en, gut gehe.

Zirkuswagen-Tour durch die Deutschschweiz

Adri­an Bolz­ern redet aber nicht nur und wartet, dass eine Lösung vom Him­mel fällt. Er han­delt. Um die Stiftung bekan­nter zu machen, wird er zum 20-Jähri­gen Jubiläum 2019 mit einem Zirkus­wohn­wa­gen in ver­schiede­nen Pfar­rge­mein­den in der Deutschschweiz Sta­tion machen. «Der Stiftungs­beirat hat diese Idee gehabt und so werde ich jew­eils von Sam­stag bis Son­ntag in den Pfar­rge­mein­den sein und die Gottes­di­en­ste hal­ten. Ich nehme den dor­ti­gen Pfar­rern Arbeit ab und das Aushil­f­s­ge­halt und die Kollek­te gehen in die Philipp-Neri-Stiftung.Die Rück­mel­dun­gen aus den Pfar­reien bish­er sind pos­i­tiv», erk­lärt Adri­an Bolz­ern. Der Seniorchef des Zirkus Stey stellt den Wagen zur Ver­fü­gung und bringt ihn jew­eils an den näch­sten Ort. Start ist am 26. Mai 2019. Das ist der Gedenk­tag des Heili­gen Philipp Neri. Der Ort ste­ht bere­its fest: das luzernische Reuss­bühl. Denn da ste­ht die schweizweit einzige Kirche mit dem Patronat des Heili­gen Philipp Neri.www.philipp-neri.ch
Anne Burgmer
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