Pfar­rei­en im Was­ser­schloss — Zoff um die Zukunft

Pfar­rei­en im Was­ser­schloss — Zoff um die Zukunft

  • Seit Mona­ten pro­vo­ziert das Kir­chen­ver­ständ­nis des mit­ar­bei­ten­den Prie­sters in den Pfar­rei­en Gebens­torf und Tur­gi einen Kon­flikt mit ande­ren pasto­ra­len Mit­ar­bei­ten­den und Pfarreimitgliedern.
  • Wäh­rend sich der Kir­chen­pfle­ge­prä­si­dent der zustän­di­gen Kirch­ge­mein­de Gebens­torf-Tur­gi hin­ter den Prie­ster stellt, for­dert eine 50-köp­fi­ge Initia­tiv­grup­pe des­sen Kündigung.
  • Anstel­lungs­trä­ger des Prie­sters ist auch die Kirch­ge­mein­de Bir­menstorf. Dort ist man mitt­ler­wei­le der Ansicht, dass er bes­ser in sei­ner ursprüng­li­chen Posi­ti­on als Jugend­seel­sor­ger ver­blie­ben wäre.
 Die Fron­ten sind ver­här­tet. Auf der einen Sei­te posi­tio­niert sich Dani­el Ric, Kir­chen­pfle­ge­prä­si­dent der Kirch­ge­mein­de Gebens­torf-Tur­gi, und stärkt dem Prie­ster und des­sen pasto­ra­len und lit­ur­gi­schen Kurs den Rücken. Das Wich­tig­ste sei für ihn, so der Kir­chen­pfle­ge­prä­si­dent, dass gegen Pater Adam weder etwas kir­chen­recht­lich noch etwas straf­recht­lich Rele­van­tes vor­lie­ge. Man habe 2015 wegen des Über­gangs von der fünf­stu­fi­gen zur sechs­stu­fi­gen Pri­mar­schu­le im Aar­gau eine Lehr­per­son für den Reli­gi­ons­un­ter­richt in der 6. Klas­se gesucht. Pater Adam habe er aus sei­ner Zeit als Leh­rer an der Frei­en Katho­li­schen Schu­le in Zürich gekannt und für geeig­net gehal­ten. Ab die­sem Zeit­punkt fei­er­te Pater Adam aus­hilfs­wei­se auch immer wie­der Eucha­ri­stie­fei­ern.Auf der ande­ren Sei­te steht eine Initia­tiv­grup­pe aus rund 50 Per­so­nen unter­schied­li­chen Alters, die in den Pfar­rei­en Tur­gi und Gebens­torf in ver­schie­de­nen Berei­chen teil­wei­se seit vie­len Jah­ren das Pfar­rei­le­ben aktiv gestal­ten. Unab­hän­gig von­ein­an­der hat­ten sich in den Pfar­rei­en Grup­pen gebil­det, die am 6. August 2018 die Zusam­men­ar­beit beschlos­sen. Fünf Tage spä­ter, am 11. August, infor­mier­te die Grup­pe, ver­tre­ten durch fünf Dele­gier­te, die Kir­chen­pfle­ge über die­se Zusam­men­ar­beit.

Dem Bis­tum zu miss­trau­en war ein Fehler

Hil­de Sei­bert, 78, diplo­mier­te Erwach­se­nen­bild­ne­rin und eine der Dele­gier­ten, for­mu­liert im Gespräch Sät­ze, die hell­hö­rig machen. Sie habe den Ein­druck, es wer­de eine Atmo­sphä­re des Schwei­gens und Ver­tu­schens eta­bliert, die jede Art von Miss­brauch – im Fall Gebens­torf-Tur­gi den von Macht – begün­sti­gen kön­ne. Die ande­ren Aus­sa­gen hört man sei­tens von Basis-Katho­li­ken sel­ten: «Wir hät­ten damals, als es um die Anstel­lung von Pater Adam als mit­ar­bei­ten­der Prie­ster ging, auf­merk­sa­mer sein sol­len. Denn das Bis­tum zöger­te lan­ge, Pater Adam die Mis­sio zu ertei­len. Wir jedoch ver­trau­ten unse­rer Kir­chen­pfle­ge und miss­trau­ten dem Bis­tum. Das stell­te sich aus unse­rer Sicht schon bald als Feh­ler her­aus, den ich sehr bedau­re.»Auf die Fra­ge, war­um die Mis­sio (die kirch­li­che Beauf­tra­gung) den­noch erteilt wur­de, ant­wor­tet Chri­stoph Ster­k­man, der als Bischofs­vi­kar in der Regio­nal­lei­tung St. Urs für der­ar­ti­ge Fra­gen zustän­dig ist: «Die Zusa­ge für eine Ernen­nung als mit­ar­bei­ten­der Prie­ster mit Pfarr­ver­ant­wor­tung von allen drei Pfar­rei­en im zukünf­ti­gen Pasto­ral­raum Was­ser­schloss wur­de auf das aus­drück­li­che Begeh­ren der bei­den Kir­chen­pfle­gen und mit Zustim­mung des Gemein­de­lei­ters erteilt. In der Ver­ein­ba­rung ist aus­drück­lich fest­ge­hal­ten, dass ein ande­rer Dienst im Bis­tum Basel aus­ge­schlos­sen ist.»

«Du machst unse­re Pfar­rei kaputt.»

Im Okto­ber 2018, nur etwas über drei­zehn Mona­te nach Ver­trags­be­ginn von Pater Adam, und nur wenig mehr als einen Monat nach dem Zusam­men­schluss der Initia­tiv­grup­pe, lud die Kir­chen­pfle­ge Gebens­torf-Tur­gi zu einer Ver­samm­lung ein. The­ma­ti­siert wur­de bei­spiels­wei­se die star­ke Zunah­me von Eucha­ri­stie­fei­ern. Zwar führ­ten die­se zu einer Zunah­me der Got­tes­dienst­be­su­cher, wie Sta­ti­sti­ken zeig­ten. Die rei­ne Anzahl der Besu­cher sei jedoch, so eine Kri­tik der Initia­tiv­grup­pe, nicht aus­sa­ge­kräf­tig. Es wer­de nicht erho­ben, ob die Besu­cher auch in der Kirch­ge­mein­de Gebens­torf-Tur­gi Kir­chen­steu­ern zahl­ten und damit zur Finan­zie­rung der Kirch­ge­mein­de bei­tra­gen wür­den.Doch nicht nur die Sor­ge um die Steu­er­gel­der beschäf­tigt die Initia­tiv­grup­pe und deren Dele­gier­te. Sie machen sich Sor­gen um das Pfar­rei­le­ben, wel­ches unter dem Kon­flikt um die lit­ur­gi­sche Hal­tung des Prie­sters lei­det. «Sehen Sie, ich habe nichts gegen Eucha­ri­stie­fei­ern – nie­mand von uns hat etwas gegen die­se Form der Lit­ur­gie. Doch wenn ich nach einem Got­tes­dienst kaum mehr zehn Leu­te tref­fe, die ich ken­ne, dann fin­de ich das bedenk­lich. «Frü­her gab es nach der Kir­che noch Gesprä­che, das ist jetzt nicht mehr so», beschreibt es Eli­sa­beth Gem­per­le, 78, seit 1983 in Gebens­torf und seit 2002 im Kir­chen­chor aktiv.

«Ich bin so weit, zu sagen: Ich tre­te aus!»

Hedi Stre­bel, 78, stell­te ihre Posi­ti­on an der besag­ten Ver­samm­lung im Okto­ber 2018 gegen­über dem Kir­chen­pfle­ge­prä­si­den­ten Dani­el Ric klar und sag­te ihm: «Du machst unse­re Pfar­rei kaputt».Beat Bühl­mann, 50, reicht es eben­falls: «Ich bin das erste Mal soweit, zu sagen: Ich tre­te aus! Ich bin nicht mehr bereit, die­se Situa­ti­on mit mei­nen Kir­chen­steu­er­gel­dern zu finan­zie­ren.» Ob er das auch dem Kir­chen­pfle­ge­prä­si­den­ten mit­ge­teilt habe? «Ja, und sei­ne Ant­wort hat mich geschockt. Dani­el Ric mein­te, auf mein Geld kön­ne die Kirch­ge­mein­de ver­zich­ten, nicht aber auf mei­ne Per­son. So eine Aus­sa­ge von einem Kir­chen­pfle­ge­prä­si­den­ten, der die Ver­ant­wor­tung für die Ver­wal­tung der Finan­zen unse­rer Kirch­ge­mein­de hat — das geht doch nicht», sagt Beat Bühl­mann. Eine Kün­di­gung hier, eine Krank­mel­dung dort, Kir­chen­aus­trit­te und Rück­trit­te: Für die Dele­gier­ten ist die Situa­ti­on nicht mehr trag­bar.

Eucha­ri­stie­fei­ern gehö­ren zu den Auf­ga­ben eines Priesters

Auf ver­schie­de­ne Kri­tik­punk­te ange­spro­chen, erklärt Dani­el Ric: «Mei­ner Ein­schät­zung nach sind die Leu­te der Initia­tiv­grup­pe im Moment schockiert, weil jemand Neu­es von aus­sen gekom­men ist, der Din­ge anders macht als bis­her. Das ent­spricht ihnen nicht, gefällt aber Leu­ten, die bis­her kaum prä­sent waren oder sich nicht ange­spro­chen fühl­ten. Wir sind eine Migra­ti­ons­ge­mein­de – nicht nur in Gebens­torf-Tur­gi – son­dern auch auf Schwei­zer Ebe­ne. Die Eigen­hei­ten der loka­len Kir­che, und dazu gehört auch, wie Kir­che hier in den letz­ten 30 bis 40 Jah­ren gestal­tet wur­de, ist für vie­le Zuge­wan­der­te unver­ständ­lich. Eine stär­ke­re Ori­en­tie­rung an den Richt­li­ni­en der Welt­kir­che hal­te ich hier für sinn­voll. Andern­falls grenzt man einen gros­sen Teil der Katho­li­ken aus. Doch die Kir­che soll eine Zukunft haben».Die Richt­li­ni­en der Welt­kir­che, die Dani­el Ric hier anspricht, sind das, was jeden katho­li­schen Chri­sten zu einem Teil der Kir­che macht: die Tau­fe und die allen Katho­li­ken gemein­sa­men wei­te­ren Sakra­men­te und Gebe­te – die lit­ur­gi­schen Voll­zü­ge. Deren Höchst­form ist die Eucha­ri­stie­fei­er. Weil sie welt­weit durch das Mess­for­mu­lar, eine Art Pro­to­koll, gere­gelt ist, stif­tet sie Iden­ti­tät. Selbst wenn ein Katho­lik die Lan­des­spra­che nicht spricht, fin­det er sich im Ablauf der Mes­se nor­ma­ler­wei­se zurecht. Weil die Kir­che in der Eucha­ri­stie ihr zen­tra­les Sakra­ment fei­ert, soll es jedem Katho­li­ken mög­lich sein, am Wochen­en­de eine Mes­se zu besu­chen. Das ist im Bis­tum Basel nicht anders gere­gelt als in ande­ren Diö­ze­sen. Das ist der Grund, war­um Pater Adam die Eucha­ri­stie­fei­er för­dert, es ist eine sei­ner Auf­ga­ben als Prie­ster.

Frust ange­sichts uner­füll­ter Erwartungen

Doch das ist nicht die gan­ze Wahr­heit: Einer­seits erlaubt die Kir­che alter­na­ti­ve Got­tes­dienst­for­men und eine Gestal­tung des Pfar­rei­le­bens, die den loka­len Gege­ben­hei­ten ent­spricht. Wie Kir­che ist, ent­schei­det sich an mehr als an Eucha­ri­stie­fei­ern. Ande­rer­seits hat die loka­le Kir­che, auf die Dani­el Ric hin­weist, in der Schweiz eine Dop­pel­struk­tur. Welt­weit ein­zig­ar­tig, ist die­se nicht ein­fach zu ver­ste­hen – selbst Schwei­zer Katho­li­ken kom­men ins Stol­pern, wenn es um Details geht (ein erklä­ren­des Video ist unten ver­linkt). Neben der soge­nann­ten pasto­ra­len Sei­te – wel­cher Pater Adam als Prie­ster ange­hört – steht gleich­be­rech­tigt die soge­nann­te staats­kir­chen­recht­li­che Sei­te. Die­ser obliegt die Ver­wal­tung der Kirch­ge­mein­den, der Steu­er­gel­der, der Lie­gen­schaf­ten und auch die Anstel­lung von Per­so­nal.Die pasto­ra­le Sei­te ist streng hier­ar­chisch geglie­dert: top-down vom Papst bis zum Prie­ster. Die staats­kir­chen­recht­li­che Sei­te ist demo­kra­tisch orga­ni­siert: Die Kirch­ge­mein­de­mit­glie­der wäh­len, zah­len Steu­ern und tra­gen so zu einer funk­tio­nie­ren­den Kir­che bei. An die­sem Punkt wird der Ärger der Basis deut­lich: Sie zahlt mit ihren Steu­er­gel­dern das Gehalt eines Prie­sters, der zwar kir­chen­recht­lich rich­tig han­delt, aber den Erwar­tun­gen eines akti­ven Teils der Gemein­de nicht gerecht wird.

«Wir hät­ten sel­ber aktiv wer­den müssen.»

Die Initia­tiv­grup­pe sieht sich und ihre Vor­stel­lung davon, wie Kir­che sein soll, durch den gewähl­ten Kir­chen­pfle­ge­prä­si­den­ten nicht mehr ver­tre­ten. Ihnen ist aber auch bewusst, dass sie sel­ber hät­ten aktiv wer­den kön­nen: «Ver­mut­lich hät­ten wir sel­ber jeman­den für die Kir­chen­pfle­ge auf­stel­len müs­sen, als Dani­el Ric an der Pfar­rei­ver­samm­lung im Okto­ber 2018 sei­nen Rück­tritt anbot», denkt Ste­fan Mül­ler, 50, bei einem Gespräch laut nach.«Es ist bedau­er­lich, dass Dani­el Ric bei sei­ner Wie­der­wahl zum Kir­chen­pfle­ge­prä­si­den­ten im ver­gan­ge­nen Jahr nicht die Kon­se­quen­zen aus dem eher schwa­chen Ergeb­nis sei­ner Wahl gezo­gen hat. Das hät­te den Weg für neue Lösun­gen geeb­net», sagt auch Tho­mas Rüede, ehe­ma­li­ger Kir­chen­pfle­ger in Gebens­torf-Tur­gi.

Die Seel­sor­ger schweigen

Der Kon­flikt hin­ter­lässt Spu­ren auf allen Sei­ten. Der gewähl­te Gemein­de­lei­ter Peter Dani­els trat im Dezem­ber 2018 an die Bis­tums­re­gio­nal­lei­tung her­an. Auf die Situa­ti­on jetzt, im Mai 2019, ange­spro­chen, sagt der Dia­kon, dass er aus Grün­den des Selbst­schut­zes für Aus­künf­te nicht zur Ver­fü­gung ste­he. Pater Adam Ser­a­fin sagt, auf sei­ne Ein­schät­zung ange­spro­chen, er ver­ste­he sich als Brücken­bau­er und wol­le kein wei­te­res Öl ins Feu­er gies­sen.Gleich­wohl müs­sen nun Lösun­gen her. In Gesprä­chen wird deut­lich, dass die Emo­tio­nen hoch­ko­chen. Die Men­schen sind ver­letzt. Dass Ter­mi­ne mit dem Bischofs­vi­kar, die der Klä­rung die­nen soll­ten, abge­sagt und nicht neu ange­setzt wur­den, macht die Sache nicht bes­ser. Chri­stoph Ster­k­man ant­wor­tet auf Nach­fra­gen: «Es braucht Gesprä­che auf ver­schie­de­nen Ebe­nen. Die Initia­tiv­grup­pe ist eine davon. Wie immer in sol­chen Kon­flik­ten sind Lösun­gen nur mög­lich, wenn von allen Betei­lig­ten eine grund­le­gen­de Bereit­schaft vor­han­den ist. Die­se Bereit­schaft zu einer nach­hal­ti­gen Kon­flikt­be­rei­ni­gung kann ich lei­der nicht von allen Invol­vier­ten fest­stel­len.»«Letzt­lich hat Pater Adam Ser­a­fin einen fal­schen Anstel­lungs­ver­trag unter­schrie­ben und wäre bes­ser als Jugend­seel­sor­ger ange­stellt geblie­ben. Doch selbst dann bräuch­te er eine star­ke Lei­tung.» Das sagt Ruth Ripp­stein, Kir­chen­pfle­ge­prä­si­den­tin der Kir­chen­pfle­ge Bir­menstorf. Doch aus ver­schie­de­nen Grün­den sei 2017 die Über­le­gung ent­stan­den, dass Pater Adam als mit­ar­bei­ten­der Prie­ster mit Pfarr­ver­ant­wor­tung eine geeig­ne­te Per­son sein könn­te.

«Er ist nicht teamfähig.»

Ähn­lich for­mu­liert es Tho­mas Rüede: «Die Anstel­lung von Pater Adam als mit­ar­bei­ten­der Prie­ster mit Pfarr­ver­ant­wor­tung war für uns im Jahr 2017 ein gang­ba­rer Weg, um irgend­wann den Pasto­ral­raum zu errich­ten. Mitt­ler­wei­le wür­de ich aber sagen, dass Pater Adam bes­ser als Jugend­seel­sor­ger ange­stellt geblie­ben wäre. Die dazu­mal gelei­ste­te Arbeit hat nur zu wenig Kri­tik geführt. So wäre eine ande­re Auf­ga­ben­ver­tei­lung im zukünf­ti­gen Pasto­ral­raum mög­lich gewor­den.»Ruth Ripp­stein kon­kre­ti­siert die Beden­ken: «Es sind mehr­heit­lich Mit­ar­bei­ten­de, die Mühe mit Pater Adam haben. Er ist – so kann man es auf den Punkt brin­gen – nicht team­fä­hig und es besteht mitt­ler­wei­le die berech­tig­te Sor­ge, dass gute Mit­ar­bei­ten­de wegen ihm kün­di­gen und dass auch ehren­amt­lich Täti­ge ihr Enga­ge­ment ein­stel­len.» Es habe zwar eine Aus­spra­che mit ihm gege­ben, doch ohne Wir­kung. Es bro­de­le in Bir­menstorf, wenn auch nicht so stark wie in Tur­gi und Gebens­torf.Das Dua­le System ver­ständ­lich und unter­halt­sam erklärt:https://youtu.be/L77VohNcZl8
Anne Burgmer
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