Pasto­ral­raum-Halb­zeit im Aargau

  • Mit der Errich­tung der Pasto­ral­räu­me Obe­res Frei­amt, Möh­lin­bach und Regi­on Lau­fen­burg im Janu­ar 2018 sind 12 von 24 Pasto­ral­räu­men im Aar­gau errichtet.
  • Zur Halb­zeit sprach Hori­zon­te mit Bischofs­vi­kar Chri­stoph Ster­k­man über Stol­per­stei­ne und Her­aus­for­de­run­gen auf dem Weg, den das Bis­tum Basel mit dem Struk­tur­pro­zess ein­ge­schla­gen hat.
 Wenn man auf der Sei­te des Bis­tums Basel liest, 74 von 104 Pasto­ral­räu­men sei­en errich­tet oder auf der Ziel­ge­ra­den, gewinnt man den Ein­druck, der gesam­te Pro­zess im Bis­tum Basel ist auf der Ziel­gra­den. Stimmt das? Chri­stoph Ster­k­man: Das ist ein biss­chen voll­mun­dig for­mu­liert. Ende Janu­ar wer­den 64 von 102 Pasto­ral­räu­men errich­tet sein.Die Bis­tums­sei­te sagt 104, hier heisst es 102. Woher kommt die Abwei­chung? Der Grund ist die Über­füh­rung von drei Pasto­ral­räu­men in einen ein­zi­gen im Bis­tums­kan­ton Basel-Stadt. Die Errich­tung die­ses Pasto­ral­rau­mes ist im Juni 2018 vor­ge­se­hen.Wann wur­de im Bis­tum Basel der erste Pasto­ral­raum errich­tet und wann im Aar­gau? Bevor der Richt­plan 2009 ver­ab­schie­det wur­de gab es drei Pio­nier­pa­sto­ral­räu­me. Stadt Luzern und die bei­den basel­städ­ti­schen Pasto­ral­räu­me. Der erste Pasto­ral­raum, der im Aar­gau errich­tet wur­de, war der Pasto­ral­raum «Am Mut­schel­len» im Febru­ar 2012.Wie lan­ge dau­ert es im Schnitt, bis aus meh­re­ren Pfar­rei­en und Kirch­ge­mein­den ein Pasto­ral­raum ent­stan­den ist. Wie ist der ide­al­ty­pi­sche Ver­lauf? Nach Klä­run­gen und Vor­ar­bei­ten ist der erste for­mel­le Schritt die Ernen­nung des Pro­jekt­lei­ters. Dann gibt es wei­te­re Zwi­schen­ar­bei­ten und mit dem Pro­jekt­start den zwei­ten for­mel­len Schritt. Ab dann rech­net man mit andert­halb bis zwei Jah­ren bis zur Errich­tung.Was hat es mit dem soge­nann­ten Pasto­ral­raum­kon­zept auf sich? Das ist das Kon­zept, das in der Pro­jekt­pha­se für den spä­te­ren Pasto­ral­raum erar­bei­tet und dann bei uns ein­ge­reicht wird. Es umfasst eine Situa­ti­ons­ana­ly­se und ein pasto­ra­les Kon­zept mit Schwer­punk­ten und Zie­len.Und das Kon­zept wird dann von Sei­ten des Bis­tums Basel abge­seg­net? Das kommt dar­auf an. Das Pasto­ral­raum­kon­zept wird in der Diö­ze­san­ku­rie geprüft. Manch­mal schla­gen wir for­ma­le oder inhalt­li­che Anpas­sun­gen vor. Manch­mal sagen wir nein, das kön­nen wir so nicht anneh­men. Und sel­ten kommt es vor, dass wir sagen, wir errich­ten jetzt zwar den Pasto­ral­raum, aber das Kon­zept muss nach­her nach­ge­bes­sert wer­den.Was wäre ein kon­kre­tes Bei­spiel für eine Nach­bes­se­rung? Es kön­nen for­ma­le Sachen sein, die schnell erle­digt sind. Und dann ist ein Kon­zept manch­mal in der Ziel­set­zung, also bei den kon­kre­ten ope­ra­tio­nel­len Zie­len ent­we­der zu schwam­mig for­mu­liert oder ohne Ter­mi­nie­rung. Da sagen wir dann: Passt das bit­te an, for­mu­liert bit­te aus.Neben den ide­al­ty­pi­schen Pro­zess­ver­läu­fen gibt es immer wie­der Pasto­ral­raum­pro­zes­se, wo es harzt und nicht vom Fleck geht. Wor­an liegt das Ihrer Erfah­rung nach? Es sind oft per­so­nel­le Grün­de. Unter­be­set­zung oder Per­so­nal­wech­sel. Wenn ein neu­er Pfar­rer kommt, sind Tei­le der Gre­mi­en in einer Kirch­ge­mein­de viel­leicht zurück­hal­tend und sagen, der Neue soll erst­mal ankom­men, bevor er direkt in einen Pro­zess ein­steigt.Das ist doch nach­voll­zieh­bar. Lässt das Bis­tum Basel die­sem Pfar­rer denn Zeit, um anzu­kom­men? In einem Fall, den ich beglei­te, habe ich das Tem­po gedros­selt, auch weil ich noch ande­re Wider­stän­de gespürt habe. Doch jetzt müs­sen wir lang­sam vor­an­ma­chen. Wenn die Deka­na­te weg­fal­len, ste­hen wir unter einem zusätz­li­chen Druck, dass wir die Orga­ni­sa­ti­on der Pasto­ral­räu­me vor­an­brin­gen.Was sind ande­re Wider­stän­de, die bei einem Pasto­ral­raum­pro­zess auf­kom­men kön­nen? Vor­han­de­ne Dorf­re­fle­xe à la «wir pas­sen nicht mit denen im Nach­bar­dorf zusam­men». Eben­so star­ke Niveau­un­ter­schie­de in den Steu­er­füs­sen. Und es gibt manch­mal Situa­tio­nen, wo etwas nicht so gelau­fen ist, wie es wün­schens­wert gewe­sen wäre und ent­spre­chend gesagt wor­den ist.Das heisst, Kom­mu­ni­ka­ti­on, die schief gegan­gen ist? Ja. Auch das kann es geben.Mit den geplan­ten Pasto­ral­räu­men AG 19 (Kaiseraugst/Rheinfelden) und AG 20 (Tierstein/Homberg) haben wir im Aar­gau zwei Pasto­ral­räu­me, die im Moment still­ste­hen. AG 19 macht Fun­da­men­tal­op­po­si­ti­on und im AG 20 wur­den Pro­jekt­kre­di­te nicht gespro­chen. Wie geht das Bis­tum mit sol­chen Situa­tio­nen um? In Kai­ser­augst wur­de 2009 durch die Kirch­ge­mein­de­ver­samm­lung apo­dik­tisch ein «Nein» gespro­chen. So ein strik­tes Nein ist sel­ten, es ist ein Spe­zi­al­fall. Wir haben zwi­schen­zeit­lich auch gemein­sam mit dem Bischof das Gespräch gesucht und gemerkt, da ist nichts zu machen. Wir haben dann gesagt, dass wir unse­re Ener­gien auf die Pasto­ral­räu­me ver­wen­den, in denen die Pro­zes­se mög­lich sind.Und AG 20? Das sind neun Pfar­rei­en in sie­ben Kirch­ge­mein­den. Mit Blick auf das Bud­get 2018 sind dort auch die Pro­jekt­kre­di­te vor­ge­legt wor­den. In drei Kirch­ge­mein­de­ver­samm­lun­gen sind die­se Kre­di­te gespro­chen wor­den. In vie­ren wur­den sie zurück­ge­wie­sen.Die bis­he­ri­gen Pasto­ral­raum­pro­zes­se zei­gen, dass vie­le Aspek­te für ein gutes Zusam­men­spiel wich­tig sind: Die vor­he­ri­ge Zusam­men­ar­beit zwi­schen den Pfarr­ge­mein­den, ob eine Lei­tungs­per­son offen für den Pro­zess ist und wie sie ihn gestal­tet. Ob die erwähn­ten «Dorf­re­fle­xe» vor­han­den sind. Gibt es Schrau­ben in die­sem System, wo das Bis­tum bereit wäre, «dran zu dre­hen» oder einen Schritt zurück zu tre­ten? Beim AG 20 habe ich an der Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung im Früh­herbst 2017 nicht sehr glück­lich infor­miert. Dazu kam der Umstand, dass wir noch kei­nen Pro­jekt­lei­ter prä­sen­tie­ren konn­ten. Es kamen zwei in Fra­ge, doch im Fall von Bern­hard Lind­ner lief sein Bewer­bungs­ver­fah­ren auf eine neue Stel­le. Das konn­te ich nicht kom­mu­ni­zie­ren.Der Bewer­bungs­pro­zess eines Kan­di­da­ten kol­li­dier­te also mit der Suche nach dem Pro­jekt­lei­ter? Ja. In der Regel ist der Pro­jekt­lei­ter schon ernannt und kann dann gegen­über der Kirch­ge­mein­de­ver­samm­lung die Fra­gen beant­wor­ten und das Bud­get ver­tre­ten. Das ist dort sehr unglück­lich gelau­fen.Dass Leu­te auf ein Pro­jekt ohne Pro­jekt­lei­ter skep­tisch reagie­ren, ist nach­voll­zieh­bar. Ja, das kann ich auch abso­lut nach­voll­zie­hen. Ich hof­fe, die Situa­ti­on ist auf­grund der Kirch­ge­mein­de­ver­samm­lun­gen nun nicht zu ver­fah­ren.Linus Hüs­ser, Prä­si­dent der Kir­chen­pfle­ge Herz­nach-Ueken, emp­fiehlt in einem Bei­trag der Aaar­gau­er Zei­tung, man sol­le nun erst mal Gras über die Sache wach­sen las­sen und dann neu star­ten. Ich den­ke, dass wir im Ver­lau­fe des Jah­res 2018 einer­seits Gesprä­che füh­ren wer­den und ande­rer­seits schau­en, wel­che Schrit­te mög­lich sind, damit wir nicht wie­der in die­sel­ben Fal­len tap­pen. Es gibt sicher ein ver­lang­sam­tes Tem­po, aber ich den­ke nicht, dass der Pasto­ral­raum blockiert ist.Aber noch­mal nach­ge­fragt: Gibt es etwas, was das Bis­tum anbie­ten kann, damit es bei schwe­ren Fäl­len zu einem Abschluss kom­men kann? Man muss sicher das Gespräch suchen und schau­en, ob es einen Weg gibt. Es kann aller­dings nicht ein Wunsch­kon­zert geben. Eine Aus­glie­de­rung des Seel­sor­ge­ver­ban­des Hom­berg ist für mich zum Bei­spiel kei­ne Opti­on, das habe ich auch klar kom­mu­ni­ziert.Beim Pasto­ral­raum Obe­res Frei­amt wur­de aber bei­spiels­wei­se ver­trag­lich gere­gelt, dass die Pfar­rei Sankt Anna Mühl­au erst 2020 dazu kommt. Es gibt also durch­aus Mög­lich­kei­ten. Sind die hier kate­go­risch aus­ge­schlos­sen? Es gibt Orte, an denen ein der­ar­ti­ger Ent­scheid den Pro­zess ins Lau­fen bringt, doch ich gehe nicht davon aus, dass man die­sen Weg hier wählt.Sind in der Anfangs­pha­se des gesam­ten Struk­tur­pro­zes­ses ab 2009 Kom­mu­ni­ka­ti­ons­feh­ler pas­siert, die heu­te noch nega­tiv nach­wir­ken? Das kann ich nicht beur­tei­len. Was uns nicht genü­gend gelun­gen ist in der Kom­mu­ni­ka­ti­on, ist, die inhalt­li­chen Anlie­gen des Pasto­ra­len Ent­wick­lungs­plans (PEP) rüber­zu­brin­gen. Dort, wo sich Seel­sor­gen­de mit dem Inhalt aus­ein­an­der­ge­setzt und das in Grup­pen und Ver­samm­lun­gen durch­dacht haben, ist es in der Regel etwas bes­ser gelun­gen, Wege zum Pasto­ral­raum zu fin­den. Wo wir den Fokus ein­zig auf die struk­tu­rel­le Fra­ge­stel­lung gerich­tet haben, ist es zum Teil eben nicht gelun­gen. Da sind Wider­stän­de erwach­sen und Din­ge schief­ge­gan­gen.Abge­se­hen von der inhalt­li­chen Sei­te des PEP: Ist jemals die Fra­ge auf­ge­kom­men, dass der Struk­tur­pro­zess an sich der fal­sche Weg in die Zukunft sein könn­te? Nein, die­se Fra­ge ist mir nie begeg­net. Aus Deutsch­land bei­spiels­wei­se bekom­men wir auch die Rück­mel­dung, dass es gut sei, dass wir die­sen Struk­tur­pro­zess nicht ein­fach mit einer orga­ni­sa­to­ri­schen Ver­fü­gung machen, son­dern mit einer Ana­ly­se der Situa­ti­on und einem pasto­ra­len Kon­zept, das vor Ort erar­bei­tet wird. Ganz falsch kann der Pro­zess also nicht sein.Im Papier «E2 Pasto­ral­räu­me im Bis­tum Basel: War­um und Wozu?» aus dem Jahr 2010 heisst es, die Pasto­ral­räu­me soll­ten mit hoher Ver­bind­lich­keit und auf Dau­er hin aus­ge­legt sein. Ist es seri­ös, etwas auf Dau­er zu errich­ten, wenn man nicht in die Zukunft gucken kann? Man kann nicht etwas für einen Zeit­ho­ri­zont von 30 bis 50 Jah­ren fest­le­gen. Ich glau­be, man hat vor allem die Ver­bind­lich­keit ins Auge gefasst. Am Schluss müs­sen wir vor allem offen sein für die Zukunft und das Wir­ken des Hei­li­gen Gei­stes. Wenn die Struk­tur des Pasto­ral­raums steht, kön­nen wir uns mit einer ande­ren Dyna­mik der inhalt­li­chen Schwer­punk­te anneh­men. Und die ver­än­dern sich viel­leicht. Was sich auch erwie­sen hat, ist, dass es ein­fa­cher ist, Per­so­nal­be­set­zun­gen in errich­te­ten und damit geklär­ten Struk­tu­ren vor­zu­neh­men.Das heisst, die Struk­tur ist auf Dau­er geplant und der Inhalt darf spie­len? Nicht belie­big. Wenn eine Lei­tungs­per­son die Stel­le wech­selt, muss die neue Lei­tungs­per­son grund­sätz­lich bereit sein, mit dem vor­lie­gen­den Kon­zept zu arbei­ten. Sie kann das Pasto­ral­raum­kon­zept nicht ein­fach igno­rie­ren.Lei­den Sie an dem Pro­zess? Je nach dem.Gibt es noch etwas, was Ihnen wich­tig ist im Zusam­men­hang mit den Pasto­ral­raum­pro­zes­sen? Ja. Es gibt auch meh­re­re «gfreu­te» Sachen. Der Moment, in dem ein Pasto­ral­raum errich­tet wird, bei­spiels­wei­se. Was mir aber beson­ders Freu­de macht, ist, wenn ich in einem Pasto­ral­raum­pro­zess eine gut fun­dier­te Situa­ti­ons­ana­ly­se lese und die Inter­pre­ta­tio­nen dar­aus für die Zukunft. Wenn das  Pasto­ral­raum­kon­zept wirk­lich Poten­zi­al hat für die Seel­sor­ge. Das macht Freu­de. Viel­leicht wäre es auch gut, wenn die­se guten Bei­spie­le von Pasto­ral­räu­men mehr spie­len und bekann­ter sein dürften.
Anne Burgmer
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