Pastoral der Familienvielfalt sucht Gottes Spuren

Pastoral der Familienvielfalt sucht Gottes Spuren

  • Im Pas­toral­raum Region Brugg-Windisch geschah ein Par­a­dig­men­wech­sel mit Blick auf die Pas­toral für Fam­i­lien. Brigit­ta Minich und Simon Meier erzählen, was es damit auf sich hat.
  • Das Bis­tum Basel, die Fach­stelle Kat­e­ch­ese-Medi­en in Aarau und Bil­dung und Prop­stei wur­den auf das Engage­ment im Pas­toral­raum aufmerk­sam und lancieren nun einen bre­it­en Ver­net­zung­sprozess.
 Ein Sprung in die virtuelle Welt der Sozialen Medi­en, genauer, in die Face­book-Gruppe Fam­i­lien­vielfalt Region Brugg-Windisch. Zahllose Fotos zeigen Kinder, Jugendliche und Erwach­sene, die Pal­men binden, Feuerwache hal­ten, Ostern und das Kirchen­jahr miteinan­der feiern. Man glaubt beim Betra­cht­en der Fotos ihr Lachen zu hören.

Suche nach neuen Zugängen zu den Familien

«Manch­mal kommt es mir so vor, als wenn zwis­chen uns, also der Kirche, und den Men­schen eine dicke Mauer ste­ht. Und ich bin im Moment dabei, viele kleine Tun­nel unter dieser Mauer zu bud­deln». Die Frau, die das sagt, heisst Brigit­ta Minich, ist Seel­sorg­erin im Pas­toral­raum Region Brugg-Windisch und für das ver­ant­wortlich, was in den fünf Kirchen­zen­tren früher Fam­i­lien­pas­toral hiess. Früher deshalb, weil das Team im Pas­toral­raumprozess diesen Begriff irgend­wann aus dem Wortschatz gestrichen hat.Simon Meier, Leit­er des Pas­toral­raums Region Brugg-Windisch, blickt zurück und sagt: «Am Anfang stand die Erken­nt­nis, dass die Fam­i­lien die zum Pas­toral­raum gehören, durch ihren All­t­ag stark gefordert sind. Auch durch die Frage, wo sie sich mit wieviel Gewicht und Dauer ein­brin­gen wollen. In diesen Fam­i­lien wächst die Zukun­ft, auch die der Kirche, her­an. Wir über­legten also, was für neue Zugänge wir zu den Fam­i­lien find­en kön­nen, was die Fam­i­lien brauchen, um sich aufge­hoben zu fühlen. Es ent­stand die Res­o­nanz­gruppe Fam­i­lien­pas­toral. Diese sollte ein Gefäss ein, das näher bei den betr­e­f­fend­en Per­so­n­en ist. Wir woll­ten ver­ste­hen, was die Bedürfnisse der Fam­i­lien sind».

Überforderung durch erlernte Familienbilder

Im Laufe des Prozess­es sei ihnen, so Simon Meier und Brigit­ta Minich, bewusst gewor­den, dass der altherge­brachte Begriff «Fam­i­lien­pas­toral» nicht mehr funk­tion­iert. «Ich erin­nere mich, dass eine Frau aus ein­er klas­sisch katholis­chen Fam­i­lie, sich vom Begriff Fam­i­lien­pas­toral nicht mehr ange­sprochen fühlte, weil sie meist ohne ihren Mann, nur mit ihren Kindern gekom­men wäre», sagt die The­olo­gin Brigit­ta Minich. Simon Meier ergänzt: «Wir sahen, wie ver­schieden die Real­itäten und Kon­stel­la­tio­nen von Fam­i­lien mit­tler­weile sind. Dem woll­ten wir in der Begrif­flichkeit Respekt zollen und etablierten die For­mulierung Pas­toral der Fam­i­lien­vielfalt».Die grosse Her­aus­forderung for­muliert Simon Meier so: «Die Män­ner und Frauen, die heute Eltern sind, wuch­sen mehrheitlich mit dem klas­sis­chen katholis­chen Fam­i­lien­bild auf, Vater und Mut­ter katholisch, zwei Kinder. Sie haben dieses tra­di­tionelle Fam­i­lien­bild von ihren Eltern oder Grossel­tern ver­mit­telt bekom­men. Doch diesen Eltern gelingt es aus ganz unter­schiedlichen Grün­den oft nicht, diesem schein­bar «richti­gen» Bild von Fam­i­lie gerecht zu wer­den. Wenn Eltern nicht dem entsprechen, was sie eingeprägt bekom­men haben, kann das ein­er­seits über­fordern oder ander­er­seits dazu führen, dass sie sich in der Fam­i­lien­phase von der Kirche abzuwen­den begin­nen». Ein-Eltern-Fam­i­lien, Regen­bo­gen­fam­i­lien, klas­sis­che Fam­i­lien – sie alle sollen sich behei­matet fühlen im Pas­toral­raum Region Brugg-Windisch. Brigit­ta Minich verdeut­licht: «Men­schen in Schei­dung oder anderen nicht katholisch-kon­for­men Beziehun­gen wis­sen, dass die nicht der kirch­lichen Vorstel­lung entsprechen. Sie gehen noch weit­er weg von der Kirche und haben das Gefühl, nicht dazuzuge­hören. Mit der Pas­toral der Fam­i­lien­vielfalt ver­suchen wir, mit allen Fam­i­lien, gle­ich welch­er Kon­stel­la­tion, in Kon­takt zu kom­men. Wir heis­sen sie willkom­men und bieten ihnen die Möglichkeit sich mit Anderen auszu­tauschen». Let­ztlich gehe es, so Simon Meier, um einen Par­a­dig­men­wech­sel; weg von der Auf­fas­sung, die Kirche bringt Gott in die Fam­i­lien, hin zu der Überzeu­gung, dass Gott bere­its in den Fam­i­lien anwe­send ist. «Ich sage den Men­schen, die ich anspreche, dass wir gemein­sam Gottes Spuren in ihrem Leben find­en wollen, denn Gott ist bere­its bei ihnen», sagt Brigit­ta Minich.

Notwendige Vernetzung im Bistum Basel…

Was im Pas­toral­raumkonzept auf ein­er DinA‑4 Seite for­muliert ist, und in der Arbeit von Brigit­ta Minich, den anderen Ansprech­per­so­n­en und in der Kat­e­ch­ese umge­set­zt wird, find­et Anklang in den fünf Kirchen­zen­tren – die Fotos zeigen das. Doch nicht nur im Pas­toral­raum Region Brugg-Windisch wird dieser Blick­wech­sel wahrgenom­men. In der Abteilung Pas­toral und Bil­dung des Bis­tums Basel wurde man auf die Arbeit im Pas­toral­raum aufmerk­sam. 2016 wurde das apos­tolis­che Schreiben «Amor­is laeti­ta – über die Liebe in den Fam­i­lien» veröf­fentlicht. Die Schrift löste (kon­tro­verse) Diskus­sio­nen aus. Auf dieser Grund­lage wollte man sich seit­ens des Bis­tums einen Überblick darüber ver­schaf­fen, was es im Bere­ich Fam­i­lien­pas­toral bere­its gibt. «Im Pas­toral­raumkonzept der Region Brugg-Windisch wird eine «Pas­toral­raumko­or­di­na­torin Fam­i­lien­vielfalt» erwäh­nt und eine Arbeits­gruppe, welche den Pas­toral­raum bei solchen The­men begleit­en soll. Solche Stellen als «Mul­ti­p­lika­toren» sind von gross­er Bedeu­tung für die Ver­net­zung und die Sicht­barkeit der Pas­toral für Fam­i­lien. Darin äussert sich auch ein «exper­i­men­tier­freudi­ger Charak­ter», eine Offen­heit für neue For­men in der Pas­toral. In der Abteilung Pas­toral und Bil­dung sind wir daran inter­essiert, solche Mod­elle und Erfahrun­gen ken­nen­zuler­nen», erk­lärt Olivia Mar­si­cov­et­ere Karab­u­lut, Fach­mi­tar­bei­t­erin im Pas­toralamt in Solothurn.Nun ist das Pas­toralamt in Kon­takt mit Brigit­ta Minich und Simon Meier. Die freuen sich nicht nur darüber, dass ihre Arbeit Beispielcharak­ter haben kann, son­dern sind auch begeis­tert, weil das Bis­tum eine Art Not­stand wahrn­immt. «Als wir uns im Rah­men der Pas­toral Fam­i­lien­vielfalt umhörten, ob es auf kan­tonaler Ebene eine Ver­net­zung in Sachen Pas­toral für Fam­i­lien gibt waren wir schnell ernüchtert», erzählt Brigit­ta Minich. Es gebe im Moment schlicht kein Net­zw­erk für den Ideen- und Erfahrungsaus­tausch. Dies sei, so Simon Meier, sicher­lich auch der Tat­sache geschuldet, dass die Pas­toral­rau­men­twick­lung allerorten Energie kostet, die nun für die inhaltliche Arbeit fehlt. «Wir kön­nen im Pas­toral­raum Region Brugg-Windisch anfan­gen, Sauerteig zu sein. Es ist schön, dass das Bis­tum auf uns zukommt, um die Ver­net­zung in Angriff zu nehmen», sagt der Pas­toral­raum­leit­er.

…Impulsgeber für den Kanton?

Doch auch auf Kan­ton­sebene läuft der Prozess gle­ich ent­lang zweier rot­er Fäden an. Ein­er­seits entwick­elt Brigit­ta Minich mit der Gruppe Fam­i­lien­vielfalt gemein­sam mit Chris­tiane Burg­ert, Pro­jek­tleitung Kat­e­ch­ese für Kleinkinder und ihre Fam­i­lien an der Fach­stelle Kat­e­ch­ese-Medi­en in Aarau, einen Kof­fer für Fam­i­lien mit Kindern im Alter von 0 bis 1 Jahr. Ander­er­seits meldete sich Peter Micha­lik, Fach­mi­tar­beit­er Bil­dung und Prop­stei mit Schw­er­punkt Paare und Fam­i­lien, bei Brigit­ta Minich. Peter Micha­lik begrün­det seine Kon­tak­tauf­nahme so: «Es gibt nicht den einen Königsweg in der Pas­toral für Fam­i­lien, doch in vie­len Pfar­reien und Pas­toral­räu­men entste­hen Pro­jek­te und ist Inter­esse an Mate­r­i­al zum The­ma da. Es bildet sich im Moment, auch in Zusam­me­nar­beit mit dem Bis­tum, eine Arbeits­gruppe, die sich des The­mas annimmt. Das ist gut und wichtig, denn so beste­ht die Möglichkeit sich auszu­tauschen und überp­far­reilich Inputs und Ideen weit­erzugeben. Das Einzelkämpfer­denken ver­schwindet langsam zugun­sten ein­er ver­net­zten Zusam­me­nar­beit. Daran kön­nen andere Pfar­reien, Pas­toral­räume und Kan­tone teil­haben». Auf Ebene der Fir­mung gebe es etwas Ähn­lich­es bere­its. Einen jährlichen Impul­stag, an dem Ver­ant­wortliche für die Fir­mung teil­nehmen kön­nen, um sich aus den Vorschlä­gen und Konzepten das mitzunehmen, was in ihren Pfar­reien und Pas­toral­räu­men sin­nvoll sein kön­nte.Das Kof­fer-Pro­jekt in Zusam­me­nar­beit mit der Fach­stelle Kat­e­ch­ese-Medi­en ist auf ein­er anderen Ebene ver­ankert. Chris­tiane Burg­ert beschreibt: «Im Rah­men des Pro­jek­tes Kat­e­ch­ese für Kleinkinder und ihre Fam­i­lien disku­tierten wir mit drei Pfar­reien und dem Pas­toral­raum Region Brugg-Windisch, was für Wege began­gen wer­den kön­nen, damit sich Fam­i­lien mit Kleinkindern in der Kirche behei­matet fühlen kön­nen. Dabei geht es uns nicht darum, dass die Fam­i­lien dann am näch­sten Son­ntag in der Kirche sitzen, son­dern, dass sie Unter­stützung erfahren und erleben, dass wir als Kirche Part­ner sein wollen und kön­nen».

Taufbäume und bunte Fahnen

Für Simon Meier und Brigit­ta Minich ist die Pas­toral der Fam­i­lien­vielfalt, wie sie im Pas­toral­raum Region Brugg-Windisch ange­boten wird, zen­traler Teil von Seel­sorge und Diakonie. «Unab­hängig von Ori­en­tierung oder Fam­i­lien­mod­ell sollen Men­schen die Erfahrung machen, dass sie nicht abgelehnt wer­den, son­dern willkom­men sind. Wir brin­gen Ver­ständ­nis für ihre Leben­sre­al­ität auf und stellen von dort das Leben dann in den Glaubens- und Kirchenkon­text», sagt Simon Meier.Die Erfahrung angenom­men zu sein und zu ein­er Gemein­schaft zu gehören zeigt sich neben den ver­schiede­nen Ange­boten ent­lang des Kirchen­jahres im Pas­toral­raum Region Brugg-Windisch auch an schein­baren Kleinigkeit­en. Fünf gle­ich gestal­tete Tauf­bäume gibt es. In jedem Kirchen­zen­trum einen. Jedes der Zen­tren hat zudem eine eigene, bunt gestal­tete Fahne. Sym­bol für die Pas­toral Fam­i­lien­vielfalt vor Ort. Doch die Fahne bleibt nicht im jew­eili­gen Ort, son­dern ist mit den Fah­nen der anderen Kirchen­zen­tren auf Tour. Alle paar Monate ziehen die fünf Fah­nen weit­er und machen in jedem Teil des Pas­toral­raums Region Brugg-Windisch Halt.
Anne Burgmer
mehr zum Autor
nach
soben