Papst Fran­zis­kus bekennt in der Abschluss­mes­se in Dub­lin das Ver­sa­gen der katho­li­schen Kirche

Papst Fran­zis­kus bekennt in der Abschluss­mes­se in Dub­lin das Ver­sa­gen der katho­li­schen Kirche

Welt­fa­mi­li­en­tref­fen im Schat­ten von Missbrauchsskandalen

Papst Fran­zis­kus bekennt in der Abschluss­mes­se in Dub­lin das Ver­sa­gen der katho­li­schen Kirche

Höl­le und Him­mel inner­halb von vier Stun­den: Am Sams­tag­abend sprach Papst Fran­zis­kus mit acht Über­le­ben­den von Miss­brauch und Miss­hand­lung in Irlands Kir­che. Spä­ter erzähl­ten ihm Fami­li­en aus fünf Län­dern von ihren Freu­den und Lei­den und wie sie Schwie­rig­kei­ten mei­stern. Beim sonn­täg­li­chen Abschluss­got­tes­dienst bat der Papst ein­dring­lich um Ver­ge­bung für die Ver­feh­lun­gen der Kirche.Papst Fran­zis­kus ist anläss­lich des neun­ten Welt­fa­mi­li­en­tref­fens nach Irland gereist. Über­schat­tet war der Besuch aber vom Miss­brauchs­skan­dal in der katho­li­schen Kir­che – nicht nur medi­al. Sowohl Irlands Staats­prä­si­dent Hig­gins und Pre­mier­mi­ni­ster Varad­kar wie auch meh­re­re Bischö­fe des Lan­des spra­chen das The­ma vor und zu Beginn der Rei­se öffent­lich an. Und erwar­te­ten Kon­kre­tes. Pre­mier Varad­kar for­der­te den Papst auf, «Amt und Ein­fluss zu nut­zen», um eine ech­te Auf­ar­bei­tung und Wie­der­gut­ma­chung in Irland und welt­weit sicher­zu­stel­len.

Ent­täu­schung und Zufriedenheit

In die­ser Hin­sicht ent­täuscht Fran­zis­kus’ Rede vor Poli­ti­kern, Diplo­ma­ten und ande­ren Gesell­schafts­ver­tre­tern am Sams­tag­vor­mit­tag aller­dings. «Nichts Neu­es», befand nicht nur Marie Coll­ins, pro­mi­nen­tes Opfer von Miss­brauch in Irlands Kir­che. Anders bei dem erwar­te­ten Gespräch mit Opfern in der Nun­tia­tur. Über­le­ben­de der «Mother and Baby Homes» äus­sern sich anschlies­send zufrie­den. «Ein sehr star­kes Tref­fen; er hat uns wirk­lich inter­es­siert zuge­hört», sagt Clo­dagh Mal­o­ne, die in einem die­ser Hei­me «für gefal­le­ne Mäd­chen» zur Welt kam, ihrer Mut­ter weg­ge­nom­men und im Alter von zehn Wochen zwangs­ad­op­tiert wur­de. Marie Coll­ins, die bei dem Gespräch in der Nun­tia­tur eben­falls dabei ist, sagt, der Papst habe aber auch bestä­tigt, er pla­ne kei­ne wei­te­ren recht­li­chen Rege­lun­gen. Die bestehen­den genüg­ten.Die Men­schen in Irland sind von Miss­brauch, Miss­hand­lung und Ver­tu­schung durch Kle­ri­ker auch des­halb so getrof­fen, weil die katho­li­sche Kir­che über fast 500 Jah­re eng­lisch-pro­te­stan­ti­scher Besat­zung iri­sche Iden­ti­tät sicher­te. Die Ent­hül­lun­gen zu Miss­brauch und Ver­tu­schung – auch im Vati­kan – tra­fen die iri­sche See­le bis ins Mark. Aus den Gesich­tern und der wüten­den, oft bre­chen­den Stim­me der Opfer, die davon erzäh­len, ist all das mit her­aus­zu­le­sen.

Gebet für Missbrauchsopfer

Im Mari­en­wall­fahrts­ort Knock betet der Papst mit 45 000 Gläu­bi­gen in einer Schwei­ge­mi­nu­te, unter­bro­chen nur durch Glocken­schlä­ge, für «alle Opfer und Über­le­ben­den von Miss­brauch». Knock liegt im Erz­bis­tum Tuam. Die Klein­stadt war inter­na­tio­nal bekannt gewor­den, weil 2014 dort anony­me Mas­sen­grä­ber mit Kin­der­kno­chen gefun­den wor­den waren – auf dem Gelän­de eines der zehn ehe­ma­li­gen «Mother-and-Baby»-Heime Irlands.In die­sen waren ins­ge­samt rund 35 000 ledi­ge Müt­ter, soge­nann­te «gefal­le­ne Frau­en», unter­ge­bracht. Sie muss­ten dort zum Teil Zwangs­ar­beit ver­rich­ten und wur­den von ­ihren Kin­dern getrennt, die wie­der­um zur Adop­ti­on frei­ge­ge­ben wur­den.

Far­ben­fro­hes Familienfestival

Es ist auch die­ser geschicht­li­che Hin­ter­grund, vor dem am Sams­tag­abend im Cro­ke Park, Irlands gröss­tem Sta­di­on, mit knapp 80 000 Men­schen das far­ben­fro­he, laut­star­ke Fami­li­en­fe­sti­val statt­fin­det: Tanz, Musik, Gesang und etli­che hoff­nungs­vol­le State­ments. Fran­zis­kus geniesst die Fei­er, die sich bis in den spä­ten Abend zieht, sicht­bar. Nach rund drei Stun­den Pro­gramm erwei­tert er sei­ne ohne­hin aus­führ­li­che Rede über Schön­heit und Her­aus­for­de­run­gen des Fami­li­en­le­bens mit etli­chen Ein­las­sun­gen.

Christ­li­che Idea­le lebens­nah vermitteln

Das Tref­fen in Dub­lin trägt den Titel «Das Evan­ge­li­um von der Fami­lie – Freu­de für die Welt». In den Gesprä­chen, Work­shops und Reden die­ser Tage geht es um unter­schied­lich­ste Erfah­run­gen rea­ler Fami­li­en; oft zitier­te Grund­la­ge ist «Amo­ris lae­ti­tia». Mit sei­nem Schrei­ben über Ehe und Fami­lie will Fran­zis­kus christ­li­che Idea­le lebens­nah ver­mit­teln und leb­bar machen.Wer frü­her sol­chen Idea­len der Kir­che nicht ent­sprach – nicht nur, weil er anders dach­te, son­dern auch, weil er nicht auf­ge­klärt wur­de, unmün­dig gehal­ten, gar miss­braucht wur­de oder weil das Leben ihm schlecht mit­spiel­te – für den hat­te das schlim­me Kon­se­quen­zen. Irland kann Tau­sen­de sol­cher Schick­sa­le erzäh­len.Das Welt­fa­mi­li­en­tref­fen ist der Ver­such, in einer Gesell­schaft, die über Sex, Ehe, Fami­lie und Auto­ri­tät heu­te oft anders denkt als die Kir­che, wei­ter­hin für katho­li­sche Idea­le zu wer­ben. Ohne jene zu ver­dam­men, die anders den­ken. Dass die Kir­che dies tut, ist unter ande­rem den Stim­men jener Opfer zu ver­dan­ken, deren «Schrei stär­ker war als die Mass­nah­men all derer, die ver­sucht haben, ihn tot­zu­schwei­gen», wie Fran­zis­kus in sei­nem Brief am ver­gan­ge­nen Mon­tag schrieb.

Bekennt­nis zum Ver­sa­gen der Kirche

Und so bekennt der Papst im Schuld­be­kennt­nis der Abschluss­mes­se so aus­führ­lich wie nie das Ver­sa­gen der Kir­che. Bit­tet um Ver­ge­bung für Miss­brauch, Miss­hand­lung und Ver­tu­schung. Dazu hat­ten ihn die Über­le­ben­den, mit denen er am Sams­tag­abend sprach, auf­ge­for­dert. Er kön­ne damit «ein klei­nes Wun­der» bewir­ken.Roland Juchem, cic/kath.ch 
Redaktion Lichtblick
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