Ohne FreiÂheit kein wahÂres Christsein
Ohne FreiÂheit kein wahÂres Christsein
Ein Buch von Prof. AdriÂan LoreÂtan behanÂdelt die SpanÂnung zwiÂschen KirÂchenÂrecht und moderÂnem Rechtsstaat
In seiÂnem neueÂsten Werk verÂsucht der ÂLuzerÂner KirÂchenÂrechtÂler AdriÂan LoreÂtan, das römisch-kathoÂliÂsche SelbstÂverÂständÂnis mit den GrundÂlaÂgen des moderÂnen RechtsÂstaaÂtes zu verÂsöhÂnen. Dabei scheut er sich nicht, heikÂle TheÂmen anzuÂgeÂhen.Der WiderÂspruch ist offenÂsichtÂlich: Hier eine – gemäss gelÂtenÂdem KirÂchenÂrecht – als absoÂluÂtiÂstiÂsche MonÂarÂchie verÂfassÂte KirÂche, in der KleÂriÂker (ausÂschliessÂlich MänÂner) ohne demoÂkraÂtiÂsche LegiÂtiÂmieÂrung und unabÂhänÂgiÂge Justiz regieÂren; dort der RechtsÂstaat, der mit einem KataÂlog von GrundÂrechÂten die freiÂheitÂliÂche SelbstÂbeÂstimÂmung der IndiÂviÂduÂen und die MitÂbeÂstimÂmung aller bei gesellÂschaftÂliÂchen FraÂgen garanÂtiert. Es verÂschärft eher noch die UnglaubÂwürÂdigÂkeit, wenn die KirÂche deklaÂriert, sie sei eine «GrossÂbeÂweÂgung zur VerÂteiÂdiÂgung und zum Schutz der WürÂde des MenÂschen» – so zitiert LoreÂtan Papst JohanÂnes Paul II.LoreÂtan hält fest, dass die römisch-kathoÂliÂsche KirÂche nach wie vor die HälfÂte ihrer MitÂglieÂder aufÂgrund ihres Geschlechts von wichÂtiÂgen LeiÂtungsÂämÂtern ausÂschliesst. Und zugleich erhebt sie mit ihren offiÂziÂelÂlen ErkläÂrunÂgen zur WürÂde der Frau und dem VerÂbot von DisÂkriÂmiÂnieÂrunÂgen den Anspruch, in der GesellÂschaft die RolÂle einer ethiÂschen Instanz wahrÂzuÂnehÂmen. Wie soll sie da zum BeiÂspiel über die RolÂle der Frau im Islam – die LoreÂtan auch anspricht – glaubÂwürÂdig mitÂdisÂkuÂtieÂren? Und kann eine KirÂche sich als StütÂze des RechtsÂstaaÂtes verÂsteÂhen, wenn es ihr nicht gelingt, einen GrundÂrechtsÂkaÂtaÂlog in ihr RechtsÂsyÂstem aufÂzuÂnehÂmen?
Soll der Staat eingreifen?
Da die KirÂche in unseÂren BreiÂten öffentÂlich-rechtÂlich anerÂkannt ist, stellt der RechtsÂwisÂsenÂschaftÂler die FraÂge, ob der Staat die VerÂletÂzung von MenÂschenÂrechÂten in der KirÂche toleÂrieÂren müsÂse. Er zitiert den PhiÂloÂsoÂphen JürÂgen HaberÂmas, der meint: «WarÂum geniesst die kathoÂliÂsche KirÂche das Recht, FrauÂen vom PrieÂsterÂamt ausÂzuÂschliesÂsen, obwohl die GleichÂbeÂrechÂtiÂgung von Mann und Frau VerÂfasÂsungsÂrang hat und in andeÂren SekÂtoÂren der GesellÂschaft durchÂgeÂsetzt wird?» Und LoreÂtan stellt die AnschlussÂfraÂge: «Sind staatÂliÂche BehörÂden … berechÂtigt oder evenÂtuÂell sogar verÂpflichÂtet, staatÂliÂche LeiÂstunÂgen an die römisch-kathoÂliÂsche KirÂche von einer bestimmÂten Form der GleichÂstelÂlung von GeschlechÂtern abhänÂgig zu machen?»LoreÂtan betont aber, dass die VerÂänÂdeÂrung in den ReliÂgioÂnen nicht AufÂgaÂbe des StaaÂtes sein kann. VielÂmehr forÂdert er eine ErneueÂrung des SelbstÂverÂständÂnisÂses der römisch-kathoÂliÂschen KirÂche. Er forÂmuÂliert das PrinÂzip, nach dem eine ReliÂgiÂon in einer pluÂraÂliÂstiÂschen Welt in einen echÂten DiaÂlog mit den MenÂschen in FreiÂheit treÂten kann, wie folgt: «AbsoÂluÂte WahrÂheitsÂanÂsprüÂche sind immer relaÂtiv absoÂlut, da dieÂse WahrÂheitsÂanÂsprüÂche von einem MenÂschen vorÂgeÂtraÂgen werÂden, der, in einem histoÂriÂschen ErkenntÂnisÂproÂzess steÂhend, das von ihm als absoÂlut ErkannÂte vorÂträgt.» Es ist dem engaÂgierÂten ProÂfesÂsor dafür zu danÂken, dass er die für die Zukunft der KirÂche entÂscheiÂdenÂden FreiÂheitsÂrechÂte immer wieÂder ins Gespräch bringt.
FloÂriÂan FlohrAdriÂan LoreÂtan, WahrÂheitsÂanÂsprüÂche im KonÂtext der FreiÂheitsÂrechÂte, TVZ TheoÂloÂgiÂscher VerÂlag Zürich, 2017. LoreÂtan, geboÂren 1959 in Brig, ist seit 1996 ProÂfesÂsor für KirÂchenÂrecht und StaatsÂkirÂchenÂrecht an der UniÂverÂsiÂtät Luzern.