OffeÂne AusÂspraÂche zur umstritÂteÂnen PfarrÂwahl in Riehen
OffeÂne AusÂspraÂche zur umstritÂteÂnen PfarrÂwahl in Riehen
An der InforÂmaÂtiÂonsÂverÂanÂstalÂtung von SteÂfan Küng kamen UnterÂstütÂzer und KriÂtiÂker zu Wort
Wegen eines RefeÂrenÂdums mit 132 UnterÂschrifÂten finÂdet in der PfarÂrei St. FranÂzisÂkus in RieÂhen die Wahl eines neuÂen PfarÂrers an der Urne statt. An einer InforÂmaÂtiÂonsÂverÂanÂstalÂtung, an der sich der KanÂdiÂdat SteÂfan Küng zu einem früÂheÂren StrafÂverÂfahÂren äusÂserÂte, waren seiÂne UnterÂstütÂzer in der Mehrheit.Das InterÂesÂse war gross: Etwa 150 PerÂsoÂnen strömÂten um 19.30 Uhr in den GrosÂsen Saal des PfarÂreiÂheims St. FranÂzisÂkus in RieÂhen. Genau einen Monat vor der PfarrÂwahl vom 10. FebruÂar fand jene InforÂmaÂtiÂonsÂverÂanÂstalÂtung statt, die der KanÂdiÂdat SteÂfan Küng schon vor MonaÂten in AusÂsicht gestellt hatÂte. Auch eine ReiÂhe MediÂen waren verÂtreÂten, darÂunÂter ein Team der «RundÂschau» des SchweiÂzer FernÂseÂhens SRF. Grund dafür war der 2012 im KanÂton ThurÂgau rechtsÂkräfÂtig geworÂdeÂne StrafÂbeÂfehl wegen einer sexuÂelÂlen HandÂlung mit einem Kind. Die MediÂenÂleuÂte durfÂten im Saal keiÂne Bild- und TonÂaufÂnahÂmen machen und nicht das Wort ergreiÂfen. ZielÂpuÂbliÂkum des AnlasÂses waren die PfarÂreiÂanÂgeÂhöÂriÂgen von RieÂhen und BetÂtinÂgen.«Sie könÂnen auch heikÂle und konÂtroÂverÂse FraÂgen stelÂlen», begrüssÂte SteÂfan Küng die AnweÂsenÂden, «aber ohne WohlÂwolÂlen kann kein VerÂständÂnis entÂsteÂhen.» DieÂses WohlÂwolÂlen brachÂte ihm ein grosÂser Teil der AnweÂsenÂden entÂgeÂgen, wie sich an den Voten und am Applaus wähÂrend des zweiÂeinÂhalbÂstünÂdiÂgen AnlasÂses zeigÂte. In der FraÂgeÂrunÂde äusÂserÂten rund ein DutÂzend PfarÂreiÂanÂgeÂhöÂriÂge ihre UnterÂstütÂzung für den PrieÂster, der seit SomÂmer 2015 in RieÂhen GotÂtesÂdienÂste hält, preÂdigt und als SeelÂsorÂger tätig ist. In dieÂser Zeit habe er viel EinÂsatz geleiÂstet und bei ihr das Gefühl «wir sind daheim» entÂsteÂhen lasÂsen, sagÂte eine SpreÂcheÂrin des FrauÂenÂverÂeins. Auch die MutÂter einer ErstÂkomÂmuÂniÂkanÂtin sprach ihm ihr VerÂtrauÂen aus. Bei seiÂnen KinÂderÂgotÂtesÂdienÂsten sei die KirÂche voll von KinÂdern. «Wer in die KirÂche geht, weiss längst, dass er nie etwas Böses getan hat oder tun wird», meinÂte eine weiÂteÂre PfarÂreiÂanÂgeÂhöÂriÂge.
«Auch die andeÂre SeiÂte sehen»
In die andeÂre SeiÂte der WaagÂschaÂle fieÂlen ein halÂbes DutÂzend kriÂtiÂsche Voten. Zwei MänÂner bemänÂgelÂten, die InforÂmaÂtiÂonsÂpoÂliÂtik zu dieÂser PfarrÂwahl sei reakÂtiv statt proÂakÂtiv geweÂsen, die AufÂkläÂrungsÂpflicht hätÂte schon früÂher wahrÂgeÂnomÂmen werÂden solÂlen. Die direkÂte AufÂforÂdeÂrung, den StrafÂbeÂfehl der StaatsÂanÂwaltÂschaft ThurÂgau von 2012 vorÂzuÂleÂsen, lehnÂten SteÂfan Küng und der PräÂsiÂdent der PfarrÂwahlÂkomÂmisÂsiÂon, SteÂfan Suter, ab: Die SubÂstanz des Inhalts sei genüÂgend wieÂderÂgeÂgeÂben worÂden. Auf die FraÂge, ob ausÂser dem PräÂsiÂdenÂten auch die andern MitÂglieÂder der PfarrÂwahlÂkomÂmisÂsiÂon über den WortÂlaut des StrafÂbeÂfehls voll inforÂmiert waren, erklärÂte ein im Saal anweÂsenÂdes MitÂglied, den Text nicht geseÂhen zu haben. Ein KriÂtiÂker atteÂstierÂte SteÂfan Küng, ein guter SeelÂsorÂger zu sein und an dieÂser VerÂsammÂlung ehrÂlich gesproÂchen zu haben. Man müsÂse aber auch die andeÂre SeiÂte sehen: In der kathoÂliÂschen KirÂche habe es masÂsiÂven MissÂbrauch gegeÂben, man müsÂse die Opfer ernst nehÂmen.Es sei richÂtig, sich genau zu inforÂmieÂren, meinÂte eine SpreÂcheÂrin darÂauf, aber bei SteÂfan Küng seiÂen fünf BeurÂteiÂlunÂgen zum gleiÂchen ErgebÂnis gekomÂmen, dass er als PfarÂrer tätig sein könÂne: «Was brauÂchen Sie denn, bitÂte, noch?» Auch wurÂde dem PrieÂster zuguÂteÂgeÂhalÂten, dass er durch den StrafÂbeÂfehl von 2012, durch den VerÂlust seiÂner damaÂliÂgen StelÂle und die MediÂenÂbeÂrichÂte schon dreiÂfach bestraft worÂden sei; eine NichtÂwahl in RieÂhen wäre eine vierÂte StraÂfe.Eine SynÂodaÂlin äusÂserÂte ihren EinÂdruck, die «IntransÂpaÂrenz», wie SteÂfan Küng in die PfarÂrei RieÂhen gekomÂmen sei, habe die PfarÂrei gespalÂten. Zwei der kriÂtiÂschen StimÂmen beklagÂten aggresÂsiÂve ReakÂtioÂnen ihnen gegenÂüber. Küng selbst bestäÂtigÂte, es gebe in der PfarÂrei GrupÂpieÂrunÂgen. Ihm seiÂen GegenÂsätÂze und eine gewisÂse UnbarmÂherÂzigÂkeit aufÂgeÂfalÂlen. Das sei nicht in seiÂnem Sinn.
EntÂlaÂstung durch Gutachten
Vor der DisÂkusÂsiÂon hatÂte der PräÂsiÂdent der PfarrÂwahlÂkomÂmisÂsiÂon die GrünÂde für eine Wahl Küngs darÂgeÂlegt. Die KomÂmisÂsiÂon habe zunächst entÂschieÂden, in erster Linie einen PfarÂrer – also einen PrieÂster – zu suchen. Da SteÂfan Küng in unmitÂtelÂbaÂrer Nähe tätig war, habe sie ihn um eine BewerÂbung gebeÂten. Er sei sowohl als PrieÂster wie als SeelÂsorÂger herÂvorÂraÂgend, zudem mit 48 JahÂren für einen PrieÂster jung – «was will man mehr?». Die geforÂderÂte TransÂpaÂrenz sei in einer heikÂlen PerÂsoÂnalÂfraÂge fehl am Platz.WeiÂter fassÂte SteÂfan Suter die – in «KirÂche heuÂte» bereits früÂher darÂgeÂlegÂten – UmstänÂde des StrafÂverÂfahÂrens zusamÂmen, das die StaatsÂanÂwaltÂschaft des KanÂtons ThurÂgau in den JahÂren 2010 bis 2012 gegen SteÂfan Küng geführt hatÂte. Suter sagÂte, die FussÂmasÂsaÂge an einem JugendÂliÂchen weniÂge Wochen vor desÂsen 16. GeburtsÂtag sei «nicht sehr schlau», aber seiÂner MeiÂnung nach nicht strafÂbar geweÂsen. Es sei ein FehÂler geweÂsen, dass Küng den StrafÂbeÂfehl, der eine bedingÂte GeldÂstraÂfe entÂhielt, nicht angeÂfochÂten habe. Die GlauÂbensÂkonÂgreÂgaÂtiÂon in Rom habe ihn kirÂchenÂrechtÂlich freiÂgeÂsproÂchen, drei GutÂachÂten seiÂen zum Schluss gekomÂmen, dass von ihm keiÂne Gefahr ausÂgeÂhe. Suter zitierÂte aus dem vom Bischof in AufÂtrag gegeÂbeÂnen GutÂachÂten des ForenÂsiÂschen InstiÂtuts OstÂschweiz (forio), das in Küngs HanÂdeln keiÂne sexuÂelÂle MotiÂvaÂtiÂon erkannt, ihn in die tiefÂste RisiÂkoÂkaÂteÂgoÂrie einÂgeÂstuft und ihn uneinÂgeÂschränkt zur Wahl als PfarÂrer empÂfohÂlen habe. DarÂaufÂhin habe der Bischof entÂschieÂden, dass SteÂfan Küng PfarÂrer sein könÂne. «Es ist eine ChanÂce für uns, für RieÂhen», lauÂteÂte Suters Fazit.PfarÂrer SteÂfan KemmÂler legÂte der VerÂsammÂlung dar, dass er als LeiÂter des PastoÂralÂraums Basel-Stadt nicht direkt an der PfarrÂwahl in RieÂhen beteiÂligt sei. DieÂse sei nach der ZustimÂmung des Bischofs nun Sache der staatsÂkirÂchenÂrechtÂliÂchen SeiÂte: «Ihr könnt jetzt überÂleÂgen, ob ihr ihn wähÂlen wollt oder nicht.»PfarÂrer DaniÂel BachÂmann, als PfarÂrer in Aadorf TG sowohl Küngs VorÂgänÂger wie auch sein NachÂfolÂger, zeichÂneÂte ein posiÂtiÂves Bild von SteÂfan Küng, den er seit 19 JahÂren kenÂne und mit dem er auch heuÂte befreunÂdet sei. In desÂsen Wahl zum PfarÂrer sah BachÂmann eine ChanÂce für RieÂhen. Im damaÂliÂgen StrafÂverÂfahÂren habe er SteÂfan Küng empÂfohÂlen, gegen den StrafÂbeÂfehl EinÂspraÂche zu erheÂben und vor Gericht zu gehen, dieÂsen Rat habe Küng leiÂder nicht befolgt.
In «Deal» mit StaatsÂanÂwalt eingewilligtZu dieÂser FraÂge erklärÂte sich SteÂfan Küng so: «Ich war am Boden und hatÂte keiÂne Kraft mehr. DarÂum habe ich in den Deal mit der StaatsÂanÂwaltÂschaft einÂgeÂwilÂligt.» Das VerÂfahÂren, die einÂmoÂnaÂtiÂge UnterÂsuÂchungsÂhaft und der «MediÂenÂaufÂruhr» hätÂten ihn stark belaÂstet. MissÂbrauch und pädoÂphiÂle HandÂlunÂgen seiÂen für ihn ein No-Go. Die fragÂliÂche FussÂmasÂsaÂge habe keiÂne sexuÂelÂle MotiÂvaÂtiÂon gehabt. «Es war eine UnüberÂlegtÂheit von mir, eine FehlÂeinÂschätÂzung im Bereich von Nähe und Distanz.» HeuÂte sei ihm klar, dass es nicht angeÂhe, sich allein mit MinÂderÂjähÂriÂgen in PriÂvatÂräuÂmen aufÂzuÂhalÂten. Für dieÂse LekÂtiÂon habe er einen hohen Preis bezahlt. Es sei grauÂenÂhaft, wenn man – wie im «Blick» gescheÂhen – als «Pädo-PfarÂrer» verÂurÂteilt werÂde.Er könÂne verÂsteÂhen, wenn MütÂter und Väter nach all den PubliÂkaÂtioÂnen sich FraÂgen stellÂten, sagÂte Küng. Aber er sei auch verÂwunÂdert, dass «gewisÂse KreiÂse in der PfarÂrei» das Gefühl hätÂten, ohne ihr RefeÂrenÂdum seiÂen mögÂliÂcherÂweiÂse KinÂder gefährÂdet, denn all die InstanÂzen, die dieÂse FraÂge geprüft hätÂten, seiÂen «keiÂne GreenÂhörÂner». Applaus zeigÂte an, dass seiÂne AusÂfühÂrunÂgen bei einem grosÂsen Teil der AnweÂsenÂden gut aufÂgeÂnomÂmen wurÂden.Ein RauÂnen ging durch den Saal, als Küng erwähnÂte, was ihm der StaatsÂanÂwalt gesagt habe, als festÂstand, dass Küng den StrafÂbeÂfehl akzepÂtieÂren würÂde: «Wir wisÂsen sehr wohl, dass Ihr angebÂliÂches VerÂgeÂhen ‹PeaÂnuts› ist. Aber wegen der öffentÂliÂchen SenÂsiÂbiÂliÂtät konnÂte ich nicht anders entÂscheiÂden.» Ihm sei auch zugeÂtraÂgen worÂden, dass der betrofÂfeÂne JugendÂliÂche selÂber späÂter von einem grosÂsen FehÂler gesproÂchen habe, dass er damals den PfarÂrer angeÂzeigt habe.Kurz vor 22 Uhr schloss SteÂfan Küng die von ihm anbeÂraumÂte VerÂsammÂlung ab, auch wenn damit noch einÂzelÂne WortÂmelÂdunÂgen unbeÂrückÂsichÂtigt blieÂben.
ChriÂstiÂan von Arx