«Ökumenische Situation ist heute unübersichtlicher»

«Ökumenische Situation ist heute unübersichtlicher»

«Ökumenische Situation ist heute unübersichtlicher»

Am 15. März feiert Kurt Koch, der einzige Schweizer Kurienkardinal, seinen 70. Geburtstag

Kurt Koch ist im Vatikan für die Ökumene und den Dia­log mit den Juden zuständig. Im Inter­view blickt der Kar­di­nal auf sein Leben zurück und berichtet von den aktuellen Her­aus­forderun­gen der Ökumene.Welche Momente Ihres bish­eri­gen Lebenswegs liegen Ihnen beson­ders am Herzen?Kurt Koch: Mein bish­eriges Leben beste­ht aus vie­len Über­raschun­gen. Nach drei reichen Jahren als Vikar an der Marienkirche in Bern habe ich mich in Luzern der the­ol­o­gis­chen Wis­senschaft gewid­met. Darin habe ich meine Bes­tim­mung und meine Auf­gabe gese­hen. Nach nur sechs Jahren bin ich dann Bischof von Basel gewor­den, und nach weit­eren fün­fzehn Jahren bin ich nach Rom berufen wor­den, um mich in der weltweit­en Kirche der Ökumene zu wid­men. Die Beru­fung ist dieselbe geblieben. Bei allen diesen Weichen­stel­lun­gen ist es mein Haup­tan­liegen gewe­sen, die kost­bare Botschaft des christlichen Glaubens in der Gemein­schaft der Kirche zu fördern und an die Men­schen heute weit­erzugeben.In Ihrer Jugend fand das Zweite Vatikanis­che Konzil statt. Welche per­sön­liche Erin­nerung haben Sie daran?Als das Zweite Vatikanis­che Konzil eröffnet wor­den ist, habe ich in Luzern das Gym­na­si­um begonnen. Während der ganzen Dauer des Konzils habe ich es aufmerk­sam ver­fol­gt und bin überzeugt gewe­sen, dass es der Kirche einen neuen Früh­ling brin­gen wird. Es ist für mich nach wie vor die Magna Char­ta der katholis­chen Kirche auch im drit­ten Jahrtausend. Mit ihm ist die katholis­che Kirche erneuert wor­den, es hat uns aber nicht, wie heute oft behauptet wird, einen neuen Glauben und eine neue Kirche gebracht. Damit es auch heute frucht­bar wer­den kann, ist es angezeigt, seine reichen Doku­mente erneut zu lesen und sich anzueignen.Wie haben Sie Ihre priester­liche Beru­fung erlebt? Und welchen Ratschlag wür­den Sie heute einem jun­gen Katho­liken geben, der unsich­er über diese Beru­fung ist?Den Gedanken, Priester zu wer­den, hat­te ich bere­its in der ersten Schulk­lasse, weil ich einem authen­tis­chen Pfar­rer begeg­nen durfte, der mich überzeugt hat. Natür­lich hat sich im Laufe der Schulzeit der Gedanke mod­i­fiziert, die Beru­fung jedoch ist geblieben. Ein junger Katho­lik hat es heute gewiss nicht mehr so leicht wie damals, wenn er sich mit dem­sel­ben Gedanken trägt. Ich würde ihm rat­en, seine Beru­fung immer wieder im Gebet mit Gott zu erwä­gen und sie auch mit Mitchris­ten und Mitchristin­nen zu besprechen. Wenn er zur inneren Gewis­sheit kommt, würde ich ihn gerne ermuti­gen, da ich keinen schöneren, reich­haltigeren und vielfältigeren Beruf kenne als den­jeni­gen des Priesters.Sie sind im Vatikan für die Ökumene zuständig. Wie ver­ste­ht der Vatikan den öku­menis­chen Dia­log?Wir haben in der katholis­chen Kirche den grossen Vorteil, dass sie mit dem Zweit­en Vatikanis­chen Konzil in offizieller Weise in die öku­menis­che Bewe­gung einge­treten ist und dass sei­ther alle Päp­ste ein offenes Herz für die Ökumene haben und sie fördern. Was die Sit­u­a­tion in Rom von der in der Schweiz unter­schei­det, ist dies, dass Ökumene nicht nur Dia­log zwis­chen Katho­liken und Reformierten bedeutet, son­dern dass wir Dialoge mit unge­fähr zwanzig ver­schiede­nen Kirchen und Gemein­schaften führen, und zwar in der Überzeu­gung, dass eine Ein­heit, die nicht das Ganze im Auge behält, wieder neue Spal­tun­gen schaf­fen kön­nte, und dass deshalb zur Ein­heit auch Ost und West gehören. Dieser Reich­tum weit­et den Hor­i­zont, und ich habe dabei viel dazugel­ernt.Wo sehen Sie heute die grössten Her­aus­forderun­gen in der Ökumene?Eine grosse Her­aus­forderung erblicke ich darin, dass immer neue Dialog­part­ner­in­nen und ‑part­ner in die öku­menis­che Bewe­gung ein­treten. Heute stellen wir vor allem ein enormes Wach­s­tum von evan­ge­likalen und pen­tekostal­is­chen Bewe­gun­gen fest. Der Pen­tekostal­is­mus ist heute die zweit­grösste Real­ität nach der katholis­chen Kirche. Damit hat sich die weltweite Geografie der Chris­ten­heit tief­greifend verän­dert, und die öku­menis­che Sit­u­a­tion ist unüber­sichtlich­er gewor­den. Damit hängt zusam­men, dass die Part­ner in der öku­menis­chen Bewe­gung in recht unter­schiedlich­er Weise ver­ste­hen, was zur Ein­heit der Kirche gehört. Das Prob­lem beste­ht dann darin, dass man sich wei­thin einig ist über das Dass der Ein­heit, aber uneinig über das Was. Deshalb muss neu um eine gemein­same Sicht des Ziels der Ökumene gerun­gen wer­den.Und wo sind Ihrer Mei­n­ung nach die schwierig­sten Felder inner­halb der katholis­chen Kirche?Die katholis­che Kirche ist heute – mit Recht – stark an der Aufar­beitung der belas­ten­den Hypothek der sex­u­al­isierten Gewalt an Kindern und dem Wiedergewin­nen von neuem Ver­trauen beschäftigt. Auch in pas­toraler Hin­sicht ste­hen wir vor grossen Verän­derun­gen, die wir mit Gottver­trauen wahrnehmen soll­ten. Die grund­sät­zliche Her­aus­forderung beste­ht darin, wie es der Kirche gelingt, die schöne Botschaft des Evan­geli­ums in ein­er immer mehr säku­lar­isierten Gesellschaft so zu verkün­den, dass sich auch der Men­sch von heute in seinem Innern ange­sprochen weiss. Dies gelingt nur, wenn die Verkündi­gung des Glaubens ursprungs­ge­treu und zeit­gemäss zugle­ich vol­l­zo­gen wird. Denn die Botschaft kön­nen wir nicht neu erfind­en, sie ist uns in der Offen­barung vorgegeben; aber sie muss so in die heutige Zeit über­set­zt wer­den, dass sie vom heuti­gen Men­schen ver­standen wer­den kann.Inter­view: Mario Gal­gano, Schweiz­er Redak­tor bei Vat­i­can News
Redaktion Lichtblick
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