Ob man es hören will oder nicht

Ob man es hören will oder nicht

Zweit­er Brief an Tim­o­theus 4,2–3Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in uner­müdlich­er und geduldiger Belehrung. Denn es wird eine Zeit kom­men, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt, son­dern sich nach eige­nen Wün­schen immer neue Lehrer sucht, die den Ohren schme­icheln. Ein­heit­süber­set­zung 1980 

Ob man es hören will oder nicht

Im Dra­ma «Der Richter von Zalamea» von Pedro Calderón de la Bar­ca verurteilt ein klein­er Dor­frichter einen adeli­gen Verge­waltiger. Obwohl er bei diesem Gerichtsver­fahren seine Kom­pe­ten­zen weit über­schrit­ten hat, geste­ht ihm der König zu, dass wer im Grossen Recht hat, sich im Kleinen irren darf.Ob das auch für die «Kli­mak­le­ber» gel­ten mag, die sich seit einiger Zeit in den Städten ver­schieden­ster Län­der auf die Strasse kleben? Auf diese drastis­che Art und Weise ver­suchen sie auf die eben­so drastis­chen Verän­derun­gen des weltweit­en Kli­mas aufmerk­sam zu machen: An den Polen schmelzen den Eis­bären die Schollen unter den Pfoten und den Pin­guinen die Nist­plätze weg, in den Kornkam­mern Ital­iens und Spaniens ver­nichtet die Dürre Ern­ten und Exis­ten­zen, und im Paz­i­fik frisst der steigende Meer­esspiegel manchen Insel­be­wohn­ern Land, Heimat und Lebens­grund­lage weg, um nur ein paar Beispiele zu nen­nen.Diese Tat­sachen sind den Kli­mak­le­bern drama­tisch genug, um uns, um die Welt mit drama­tis­chen Aktio­nen wachzurüt­teln. Längst sind es nicht mehr nur junge Men­schen, die sich angesichts der raschen Kli­maverän­derung schon als «let­zte Gen­er­a­tion» sehen, son­dern besorgte Men­schen jeden Alters, die mit ihren Aktio­nen halbe Städte lahm­le­gen. Nichts weniger als die akute Bedro­hung des Lebens treibt sie an und die Tat­sache, dass die Gesellschaft nicht oder kaum darauf reagiert.Dass jet­zt und schnell gehan­delt wer­den muss, ist eine Botschaft, die den Ohren nicht «schme­ichelt». Zu ein­schnei­dend sind die Fol­gen, und zu viel Selb­stver­ständlich­es in unserem All­t­agsleben wird in Frage gestellt. Weil sie den Ein­druck haben, dass man ihre Not nicht hören will, greifen die Aktivis­ten zu Mit­teln, die nicht überse­hen wer­den kön­nen. Einige Reak­tio­nen der durch solche Aktio­nen Aus­ge­brem­sten und Block­ierten sind dann auch sehr heftig. Ger­ade deshalb weckt die Hart­näck­igkeit der Fest­gek­lebten auch Respekt und ver­mag manche Betra­chter zu beschä­men.Kön­nte auch hier das Wort gel­ten, dass die Grösse des Anliegens die Fehler rel­a­tiviert und entschuldigt? Seit im let­zten Okto­ber in Berlin ein Ret­tungswa­gen im durch Kli­mak­le­ber verur­sacht­en Verkehrsstau block­iert blieb und ver­spätet bei ein­er schw­er ver­let­zten Rad­fahrerin ein­traf, haben die Kli­mak­le­ber wohl ihre Unschuld ver­loren. Auch sie sitzen im sel­ben Boot wie jene, die bere­it sind, ihrer uneingeschränk­ten per­sön­lichen Mobil­ität die Lebensvielfalt in der Welt und eine gesunde Umwelt zu opfern.Wer in den Spuren Jesu geht, weiss, dass nur wer ohne Schuld ist, auch legit­imiert sein kann, zu verurteilen und den ersten Stein zu wer­fen. Wir andern, wir sind gerufen, dem Leben eine Chance zu geben, ein­dringlich und nach­haltig, damit die Vielfalt des Mor­gen nicht an unser­er Enge im Heute scheit­ert.Felix Ter­ri­er Rek­tor der Klosterkirche Dor­nach   
Christian von Arx
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