Nicht nur zwölf und nicht nur Männer

Stel­len Sie sich doch bit­te fol­gen­de Sze­ne vor: Mei­er und Schmid neh­men ihre Akten­ta­schen und ver­las­sen ihr Büro. Was haben Sie gese­hen? Oder genau­er: Wen haben Sie gese­hen? Hand aufs Herz: Herrn Mei­er und Herrn Schmid, also zwei Män­ner, oder? Das Glei­che geschieht mei­stens, wenn wir den Satz aus dem Lukas­evan­ge­li­um lesen: «Danach such­te der Herr 72 Ande­re aus und sand­te sie zu zweit vor­aus in alle Städ­te und Ort­schaf­ten» (10,1).Wir sehen je zwei Män­ner vor uns, die als Jün­ger aus­ge­sandt wer­den. War­um? Weil in den bekann­te­sten Beru­fungs­ge­schich­ten Brü­der­paa­re beru­fen wur­den. Petrus und Andre­as, Jako­bus und Johan­nes (z.B. im Mk1,16–20).Im Anfang der Normalfall Aber war­um soll­ten Mei­er und Schmid nicht eine Frau und ein Mann sein, die ihr Büro ver­las­sen? War­um soll­ten unter den paar­wei­se aus­ge­sand­ten 72 nicht auch Ehe­paa­re gewe­sen sein? So über­ra­schend das auch klin­gen mag — in der Anfangs­zeit des Chri­sten­tums war es der Nor­mal­fall. Das wis­sen wir aus dem ersten Brief des Apo­stels Pau­lus an die Gemein­de in Korinth. Da schreibt Pau­lus über sich und sei­nen Kol­le­gen Bar­na­bas: «Haben wir etwa nicht das Recht, eine gläu­bi­ge Frau mit uns zu füh­ren, wie auch die übri­gen Apo­stel und die Brü­der des Herrn und Kephas?» (9,5). Pau­lus nennt sol­che Paa­re beim Namen: Pris­ka und Aqui­la (16,3), Androni­kus und Junia (Röm 16,7). Er spricht von «mei­nen Mit­ar­bei­tern in Chri­stus» und nennt sie (bei­de, Frau und Mann!) «ange­se­he­ne Apo­stel, die sich schon vor mir zu Chri­stus bekannt haben». Die Frau­en waren nicht nur Beglei­te­rin­nen, son­dern selb­stän­dig an der Ver­kün­di­gung betei­ligt. So war es zur Zeit des Pau­lus.Ehe­part­ner gehen mit Wie war es bei Jesus selbst? Die Evan­ge­li­en über­lie­fern eine Art Selbst­test für Men­schen, die Jesus nach­fol­gen wol­len. «Wer Vater und Mut­ter mehr liebt als mich, ist mei­ner nicht wert. Wer Sohn und Toch­ter mehr liebt als mich, ist mei­ner nicht wert» (Mt 10,37). Hier ist die mitt­le­re Gene­ra­ti­on ange­spro­chen, die alte Eltern und noch nicht ver­hei­ra­te­te Kin­der hat, für die sie Ver­ant­wor­tung trägt. So wie die alten Eltern unter­schie­den wer­den in Vater und Mut­ter und die Kin­der in Sohn und Toch­ter, liegt es nahe, dass auch in der mitt­le­ren Gene­ra­ti­on Mann und Frau gemeint sind. Jesus for­dert sie her­aus, ihre Ver­ant­wor­tung inner­halb der Her­kunfts­fa­mi­lie abzu­ge­ben. Wofür? Um Mit­glied einer neu­en Fami­lie zu wer­den, der Fami­lie Got­tes, der Nach­fol­ge­ge­mein­schaft Jesu. Das ist nicht nur Ver­zicht und Ver­lust: «Jeder, der um mei­net­wil­len und um des Evan­ge­li­ums wil­len Haus oder Brü­der, Schwe­stern, Mut­ter, Vater, Kin­der oder Äcker ver­las­sen hat, wird das Hun­dert­fa­che dafür emp­fan­gen: Häu­ser, Brü­der, Schwe­stern, Müt­ter, Kin­der und Äcker erhal­ten» (Mk 10,29–30). Die fami­liä­ren und häus­li­chen Ver­bin­dun­gen sol­len zurück­ge­las­sen wer­den, bis auf eine: die zu Ehe­frau und Ehe­mann. Die gehen mit. Das war bei Jesus so und auch noch zur Zeit des Mar­kus­evan­ge­li­ums.Nur ein Teil Erst das spä­ter ent­stan­de­ne Lukas­evan­ge­li­um fügt die Frau unter die Per­so­nen ein, die ver­las­sen wer­den sol­len (18,29–30). Jetzt wer­den Stim­men laut, dass die Frau­en zuhau­se blei­ben sol­len. «Mei­er und Schmid», die Aus­sendung der «72»: Dass wir bei den Jün­gern zuerst an Män­ner den­ken, liegt auch am Kreis der Zwölf, die alle Män­ner sind. Zum einen sind sie aber nur ein Teil des grös­se­ren Krei­ses der Jün­ge­rin­nen und Jün­ger. Lukas nennt ja 72. Und zum ande­ren ste­hen sie sym­bo­lisch für die Zwölf Stäm­me Isra­els, also für die Gesamt­heit des Vol­kes Got­tes. «Gott will sein gan­zes Volk sam­meln» – das ver­kör­pern die Zwölf, qua­si als neue Stamm­vä­ter. Wenn das gesam­mel­te Volk eine Zukunft haben will, dann braucht es natür­lich auch Stamm­müt­ter. Also waren die Zwölf ver­mut­lich zu zweit unter­wegs, mit ihren Ehe­frau­en.Peter Zürn und Det­lef Heckin/aj
Redaktion Lichtblick
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