Mit Horizonte ans Osterspiel Muri

Paul Stein­mann wollte einst Pfar­rer wer­den. Heute ist der The­ologe als The­at­er­autor tätig. Im Juni wird seine Bear­beitung des «Oster­spiel von Muri» aufge­führt.

Lola seufzt. Die schwarze Labrador-Hündin schläft auf ein­er dick­en Mat­te unter dem Fen­ster von Paul Stein­manns Schreib­stube in Rikon. Jedes Mal, wenn sich ihr Her­rchen vom Schreibtisch erhebt, öffnet sie kurz die Augen, um ihre Chan­cen auf einen Spazier­gang zu prüfen. Doch die ste­hen heute schlecht. Paul Stein­mann muss drin­gend den Zeit­plan für einen Kul­tur­abend fer­tig machen. Der 58-jährige Co-Autor von «La mih beruoren dih», der Neubear­beitung des «Oster­spiels von Muri», das im Juli im Kloster unter freiem Him­mel aufge­führt wird, ist wie immer an mehreren Pro­jek­ten. Diese gedei­hen zunächst in Kar­ton­schachteln, die über den Boden und in den Regalen verteilt sind. Darin sam­melt Stein­mann jede Notiz.

Zweck­mäs­sige Pas­sion. Sein Büro, welch­es das ganze Erdgeschoss des ehe­ma­li­gen Kon­sums direkt gegenüber dem Bahn­hof belegt, wider­spiegelt seine enorme Pro­duk­tiv­ität. Drei The­ater­com­pag­nien sind zurzeit mit Stück­en von ihm auf Tournee, eine vierte probt das Oster­spiel, eine fün­fte das Stück «Guete Bon­jour! Die Fran­zosen in Win­terthur», ein Freilicht­spiel, das im Som­mer in Win­terthur aufge­führt wird.

Konkrete Aufträge. Paul Stein­mann schreibt The­ater­stücke, Geschicht­en und Lieder, er mod­eriert und insze­niert. Auf die Frage, woher seine uner­schöpfliche Schaf­fen­skraft rührt, gibt der in Villmer­gen aufgewach­sene Autor allerd­ings eine höchst unepis­che Antwort: «Wenn man in der Schweiz vom Schreiben leben will, mit ein­er Fam­i­lie und ein­er Angestell­ten, muss man viel arbeit­en.» Seine Stücke fliessen nicht nach Musenküssen aus der Fed­er, son­dern nach konkreten Anfra­gen, ein Stück zu einem bes­timmten The­ma zu schreiben. «Das mache ich mit gross­er Lei­den­schaft.»

«La mih beruo­ren dih» ist Stein­manns the­ol­o­gis­chstes Stück, er hat es gemein­sam mit Bar­bara Schlumpf geschrieben. Basierend auf Textfrag­menten aus dem 13. Jahrhun­dert, han­delt es von ein­er Gruppe Schaus­piel­er, die den Tod und die Aufer­ste­hung von Jesus Chris­tus insze­nieren und dabei den eige­nen Fra­gen zum Tod begeg­nen. Fra­gen, die jed­er hat, ungeachtet seines Glaubens. Beim Schreiben durch­leuchtete der Autor die eigene Auf­fas­sung über den Tod. Ob Zufall oder nicht: Am Tag, als die erste Fas­sung den Schaus­piel­ern präsen­tiert wurde, starb sein Vater. 

Glaube nach Vorschrift. Mit der Ostergeschichte ist Paul Stein­mann bestens ver­traut. Als junger Mann studierte er in Luzern katholis­che The­olo­gie. Er wollte Pfar­rer wer­den, mit Men­schen zu tun haben, in exis­ten­ziellen Momenten. «So richtig» religiös sei er allerd­ings nie gewe­sen. «Ich habe mich als junger Men­sch nie gefragt, ob ich gläu­big bin oder nicht, das war man damals ein­fach von Geburt an. Inner­lich spürte ich nichts, das ich als ‹Gott› hätte beze­ich­nen kön­nen.» Das Studi­um war für ihn eine Ernüchterung. «Ich real­isierte, dass es Men­schen waren, die den Glauben gestal­ten und bes­tim­men, was man glauben soll. Meine Mei­n­ung war gar nicht gefragt, alles war von Rom vorgeschrieben.» Er habe das Studi­um fer­tig gemacht, weil er das seinen Eltern, die es finanzierten, schuldig gewe­sen sei. Diese, selb­st lei­den­schaftliche Laien­schaus­piel­er, hät­ten allerd­ings Ver­ständ­nis gehabt, als er sich ganz dem The­ater zuwandte, weil er dort, damals noch als Schaus­piel­er, weitaus inten­si­vere Momente erlebte als im Studi­um. «Unsere ganze Fam­i­lie spielte The­ater, wir übten oft zusam­men in der Stube.»

Katholis­ch­er Humus. Trotz­dem war die The­olo­gie nicht für die Katz. «Ich habe dort gel­ernt, wie man Geschicht­en erzählt und an die grossen Fra­gen im Leben herange­ht», sagt Paul Stein­mann. Aus der Kirche aus­treten wollte er trotz sein­er Abnei­gung nicht. «Ich komme nun mal aus dem katholis­chen Humus, und ich lasse mich ja auch nicht aus­bürg­ern, obwohl ich mit vielem nicht ein­ver­standen bin, das die Schweiz bietet.»

Lola hat genug gewartet. Brum­mend erhebt sie sich und drückt sich wedel­nd gegen Paul Stein­manns Bein. Er tätschelt ihren Kopf. «Ich komme ja grad.» Doch diesen Satz ken­nt Lola schon. Sie trot­tet zurück zur Mat­te und legt sich seufzend wieder hin.   Anouk Holthuizen

 

LESERANGEBOT

Zusam­men mit reformiert.aargau bietet Hor­i­zonte für die Auf­führun­gen vom 30. Juli und 6. August 2014 in beschränk­ter Stück­zahl ein spezielles Leserange­bot.

 17.45 Uhr     Kloster­führung mit Mar­tin Egli (fakultativ/separat anmelden)

19 Uhr           Apéro riche und exk­lu­sive Ein­führung ins The­ater mit Regis­seurin Bar­bara Schlumpf

21 Uhr           Beginn des Oster­spiels 

Anmel­dung für die Kloster­führung (nur mit Leserange­bot, Teil­nehmerzahl beschränkt) beTre­ff­punkt: Mit Kloster­führung: 17.45 Uhr vor Klosterkirche Muri. Ohne Kloster­führung um 19 Uhr im Chapiteau auf dem The­atergelände.

Pack­age-Preis für reformiert.aargau/Horizonte-Lesende: 78 Franken. Buchen auf http://wo1.ticketville.net/online-ticket-buchungssystem/muri-theater/ein-osterspiel-in-muri/index.html

 

Redaktion Lichtblick
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