Mit Feu­er­fun­ken und Glocken­klän­gen ins neue Jahr

  • Im Aar­gau geht das alte Jahr nicht sang- und klang­los zu Ende.
  • Sil­ve­ster­glögg­le in Seen­gen, Brun­nen­sin­gen in Rhein­fel­den und Sil­ve­ster-Dre­schen in Hall­wil sind eini­ge der Bräu­che zum Jah­res­wech­sel, die im Aar­gau noch gepflegt werden. 
  • Das Brauch­tum soll böse Gei­ster fern­hal­ten und Segen für das neue Jahr bringen. 

In Rhein­fel­den wüte­te vor Jahr­hun­der­ten die Pest. Als sie 1541 erneut aus­brach, wur­de die Seba­stia­ni-Bru­der­schaft gegrün­det. Benannt ist sie nach dem hei­li­gen Seba­sti­an, der seit dem Mit­tel­al­ter als Patron der Pest­kran­ken ver­ehrt wird. Die Bru­der­schaft führ­te den Weih­nachts- und Neu­jahrs­brauch des Brun­nen­sin­gens ein. Die­ser leben­di­ge Brauch hat sich bis heu­te erhalten. 

Schutz vor Krankheiten

Zu Sil­ve­ster holen jeweils zwölf Män­ner, alle geklei­det in dunk­le Män­tel, die Pest­la­ter­ne aus der Stadt­kir­che Sankt Mar­tin. Nach dem letz­ten Glocken­schlag um 23 Uhr zie­hen sie mit ihr durch die Alt­stadt. In Drei­er­ko­lon­nen mar­schie­ren die Män­ner in völ­li­ger Dun­kel­heit durch die Alt­stadt von Rhein­fel­den. Kein Licht brennt, wäh­rend die Seba­stia­ni-Bru­der­schaft die sechs Brun­nen auf­sucht.  Der Auf­takt des Brun­nen-Sin­gens erfolgt am Stor­chen­brun­nen. An jenem Ort, wo nach alten Über­lie­fe­run­gen die Pest aus­ge­bro­chen sein soll. Die Män­ner sin­gen im Kreis Lie­der, die den Segen für das neue Jahr brin­gen und das Städt­chen vor Krank­hei­ten aller Art schüt­zen sol­len. Der alte Brauch des Brun­nen­sin­gens wird jeweils mit einem fei­er­li­chen Orgel­kon­zert in der Kir­che Sankt Mar­tin abgeschlossen. 

Sil­ve­ster und Neujahr

Sil­ve­ster hat kei­nen Bezug zur bibli­schen Geschich­te. Die Kir­che trug jedoch den Namen zur Jah­res­end-Par­ty bei. Der Name Sil­ve­ster stammt näm­lich vom gleich­na­mi­gen Papst Sil­ve­ster ab, der im Jahr 335 am 31. Dezem­ber starb. 

Im Jahr 1582 fand eine Reform des soge­nann­ten «Gre­go­ria­ni­schen Kalen­ders» statt, was zur Fol­ge hat­te, dass der letz­te Tag des Jah­res vom 24. auf den 31. Dezem­ber ver­legt wur­de. Nach Papst Sil­ve­ster – der Name stammt aus dem Latein und heisst auf Deutsch «Wald­mensch» – nann­te man seit­dem das Fest zum Jah­res­en­de Sil­ve­ster. Auch das Feu­er­werk zum Jah­res­wech­sel hat eine uralte Geschich­te. Schon die Römer fei­er­ten zum Jah­res­wech­sel Feu­er­fe­ste, nach­dem der Jah­res­be­ginn von März auf Janu­ar ver­scho­ben wur­de. Die alten Ger­ma­nen zün­de­ten in der Nacht zum ersten Janu­ar Holz­rä­der an, weil sie sich vor bösen Gei­stern schüt­zen woll­ten. Aus die­sem Brauch ent­stand das heu­ti­ge Silvesterfeuerwerk.

Wech­sel­haft ist auch die Geschich­te des 1. Janu­ars, den die katho­li­sche Kir­che heu­te als Hoch­fest der Got­tes­mut­ter Maria fei­ert: Die frü­hen Chri­sten fei­er­ten zunächst ent­we­der den Drei­kö­nigs­tag (6. Janu­ar) oder das Fest von Jesu Geburt Geburt (25. Dezem­ber) als Jah­res­be­ginn. 1691 setz­te Papst Inno­zenz XII. schliess­lich den «christ­li­chen» Jah­res­wech­sel end­gül­tig auf den 1. Janu­ar fest.

Noch heu­te wird der Jah­res­be­ginn in ande­ren Reli­gio­nen und Kul­tur­krei­sen an ande­ren Tagen gefei­ert. Das bekann­te­ste Bei­spiel: Chi­na fei­ert das Neu­jahrs­fest am Tag des Neu­monds zwi­schen dem 21. Janu­ar und dem 21. Februar. 

Sil­ve­ster­glögg­le in Seengen

Rich­tig laut wird es zu Sil­ve­ster jeweils in Seen­gen. Seit Gene­ra­tio­nen mar­schie­ren in die­ser Nacht die Schul­kin­der mit Kuh­glocken durch die nächt­li­chen Stras­sen des idyl­li­schen Dor­fes. Zuvor haben sie ihr Geläut auf Hoch­glanz poliert. Dreis­sig Minu­ten vor Mit­ter­nacht tref­fen sich die Kin­der aus dem Dorf auf einem gros­sen Platz. Die Gäste die­ses Festes kom­men in den Genuss eines fas­zi­nie­ren­den Wech­sels der Klän­ge: Zuerst läu­ten die Glocken der Dorf­kir­che bis Vier­tel vor Mit­ter­nacht das alte Jahr aus. Dann star­ten die Kin­der mit ihrem Geläu­te. Dabei mar­schie­ren sie mit ohren­be­täu­ben­dem Lärm durch das Dorf. Um Mit­ter­nacht über­neh­men erneut die Kir­chen­glocken. Schluss­end­lich läu­ten die Kin­der mit ihren Glocken das neue Jahr ein. 

Fun­ken-Dre­scher und Feu­er­py­ra­mi­de in Hallwil

Vor Mit­ter­nacht bege­ben sich die Hall­wi­ler Dorf­be­woh­ner an Sil­ve­ster hin­auf zum Bru­der­hü­bel. Dort pas­siert Unge­wöhn­li­ches. «Dre­scher» errich­ten dort eine neun Meter hohe Holz­py­ra­mi­de. Sie besteht aus gros­sen Tann­zwei­gen und alten Weih­nachts­bäu­men. Eine hal­be Stun­de vor Mit­ter­nacht wird der gros­se Holz­sta­pel ange­zün­det. Vier­tel vor zwölf erklingt das Kir­chen­ge­läu­te. In den letz­ten zehn Minu­ten des alten Jah­res tre­ten die Dre­scher dann in Akti­on. Unter Gejoh­le las­sen die Män­ner ihre Dresch­fle­gel in einem spe­zi­el­len Rhyth­mus nie­dersaus­sen, so dass die Fun­ken sprin­gen. Das alte Jahr wird buch­stäb­lich ver­dro­schen. Ein Schauspiel!

Die Män­ner benüt­zen dazu eine jahr­hun­der­te­al­te Tech­nik: Der Fle­gel besteht aus zwei Holz­stie­len. Das län­ge­re Ende hält man mit bei­den Hän­den fest, den kür­ze­ren Stil lässt man auf ein Brett nie­der­sau­sen. Die Dorf­be­woh­ner wär­men sich der­weil am Feu­er mit Glüh­wein und Mehl­sup­pe auf. Der Lärm der Dre­scher hört erst auf, wenn das neue Jahr ein­ge­läu­tet wird.


Wei­te­re Bei­trä­ge zum Thema

https://www.horizonte-aargau.ch/zwoelf-brueder-gegen-tod-und-schrecken/
Marie-Christine Andres Schürch
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