Mit Blu­men und Kanonen

Mit Blu­men und Kanonen

  • Am zwei­ten Don­ners­tag nach Pfing­sten fei­ert die katho­li­sche Kir­che Fron­leich­nam. Es gilt als das katho­lisch­ste aller Feste.
  • Nur in knapp der Hälf­te aller Aar­gau­er Bezir­ke ist Fron­leich­nam mehr­heit­lich ein Feiertag.
  • In den über­wie­gend katho­li­schen Tei­len des Kan­tons fin­den zu Fron­leich­nam üppi­ge Pro­zes­sio­nen mit Blu­men, Fah­nen, Musik und sogar Böl­ler­schüs­sen statt.
 Am zwei­ten Don­ners­tag nach Pfing­sten fei­ert die katho­li­sche Kir­che das Fest Fron­leich­nam. Der Name bedeu­tet über­setzt «Her­ren­leib» und lei­tet sich ab aus dem Alt­hoch­deut­schen, wobei «vron» für «Herr» und «licham» für «Leib» steht. Im Mess­buch trägt das Fest den Namen «Hoch­fest des Lei­bes und Blu­tes Chri­sti». Mit dem Fest erin­nern die Katho­li­ken an die Gegen­wart Jesu im Sakra­ment der Eucha­ri­stie. Gun­da Brüs­ke vom lit­ur­gi­schen Insti­tut der Deutsch­schweiz sieht in der Lit­ur­gie die­ses Tages Ver­gan­gen­heit, Gegen­wart und Zukunft ver­eint: «Der, der einst mit den Jün­gern Mahl gehal­ten hat, fei­ert heu­te mit uns. Und gleich­zei­tig: Der, der uns einst zum himm­li­schen Gast­mahl um sei­nen Tisch sam­meln will, legt jene himm­li­sche Spei­se schon heu­te auf den Altar­tisch in unse­rer Mit­te.»

Zwei­ter Don­ners­tag nach Pfingsten

Anders als bei Ostern, Weih­nach­ten, Pfing­sten und den mei­sten ande­ren Festen geht Fron­leich­nam nicht direkt auf die Bibel zurück. Eine enge Ver­bin­dung gibt es aller­dings zum letz­ten Abend­mahl, über das die Bibel berich­tet. Ent­stan­den ist das Fest im Mit­tel­al­ter. Als die Gläu­bi­gen die Kom­mu­ni­on nur noch sehr sel­ten emp­fin­gen und doch voll tie­fen Glau­bens die Eucha­ri­stie ver­ehr­ten, trat an die Stel­le des Essens zuneh­mend der Wunsch, Chri­stus in der Hostie zu sehen. Die Hostie wur­de des­halb nach der Wand­lung erho­ben und schau­end von den Chri­sten ver­ehrt. Die Augu­sti­ner­non­ne Julia­na von Lüt­tich (1193–1258) erblick­te in meh­re­ren Visio­nen eine glän­zen­de Mond­schei­be mit einer dunk­len Stel­le. Sie und ihre Beicht­vä­ter erkann­ten dar­in die weis­se Hostie und deu­te­ten die dunk­le Stel­le als Feh­len eines eige­nen Festes zu Ehren der Eucha­ri­stie. So wur­de zunächst in der Diö­ze­se Lüt­tich das Fron­leich­nams­fest ein­ge­führt. Als ein hoher Wür­den­trä­ger aus Lüt­tich Papst wur­de, führ­te er als Urban IV. im Jahr 1264 das Fest für die gan­ze Kir­che ein. Es setz­te sich jedoch zunächst nur an weni­gen Orten durch.

Dank Pro­zes­sio­nen zum Durchbruch

Zum Durch­bruch ver­hal­fen dem Fest die Pro­zes­sio­nen. «Das Sit­zen in der Kir­che ist ein neu­zeit­li­ches Phä­no­men. Vor­her beweg­te man sich frei im Kir­chen­raum und auch im Raum um die Kir­che: Pro­zes­sio­nen in der Stadt, um die Stadt oder zu den Fel­dern waren nicht sel­ten», erklärt Gun­da Brüs­ke auf liturgie.ch. So gab es die Flur­pro­zes­sio­nen, bei der in den vier Him­mels­rich­tun­gen der Wet­ter­se­gen erteilt wur­de. Die ersten Pro­zes­sio­nen am Fron­leich­nams­tag Ende des 13. Jahr­hun­derts ver­ban­den sich mit den belieb­ten Flur­pro­zes­sio­nen und stei­ger­ten so die Ver­brei­tung des Fron­leich­nams­fe­stes. Die heu­te noch vie­ler­orts übli­chen vier Sta­tio­nen oder «Altä­re» stam­men also von den vier Him­mels­rich­tun­gen der Flur­pro­zes­si­on ab.

«Aller­schäd­lich­stes Jahresfest»

Als in der Refor­ma­ti­ons­zeit eine hef­ti­ge Kon­tro­ver­se um die Eucha­ri­stie ent­steht – Mar­tin Luther bezeich­ne­te es 1527 als «aller­schäd­lich­stes Jah­res­fest», dem die bibli­sche Grund­le­gung feh­le – wird Fron­leich­nam katho­li­scher­seits um so fest­li­cher began­gen. Die Pracht­ent­fal­tung der Pro­zes­si­on und damit die Öffent­lich­keits­wir­kung erreich­ten einen Höhe­punkt. Die Fron­leich­nams­pro­zes­si­on wird zum spe­zi­fi­schen Kon­fes­si­ons­merk­mal. Die­ser demon­stra­ti­ve Cha­rak­ter der Fron­leich­nams­pro­zes­si­on hat sich bis in die 1950er-Jah­re gehal­ten.

Blu­men, Fah­nen und Altäre

Noch heu­te steht im Zen­trum von Fron­leich­nam die Pro­zes­si­on mit der Mon­stranz, dem Gefäss, in dem die geweih­ten Hosti­en auf­be­wahrt sind. Meist geht der Pfar­rer mit der wert­voll ver­zier­ten Mon­stranz unter einem Bal­da­chin, dem «Him­mel». In vie­len Gemein­den wer­den die Pro­zes­si­ons­we­ge beson­ders geschmückt mit Fah­nen und klei­nen Altä­ren. In eini­gen Pfar­rei­en streu­en Kin­der Blu­men auf den Weg, an ande­ren Orten wer­den aus Blü­ten präch­ti­ge Blu­men­tep­pi­che gesteckt. Zur tra­di­tio­nel­len Fei­er gehö­ren Män­ner in Uni­form und Frau­en in Trach­ten sowie die Blas­mu­sik. Auch Böl­ler­schüs­se ertö­nen an die­sem Tag. In Muri feu­ert die 1618 gegrün­de­te Micha­els­bru­der­schaft Böl­ler­schüs­se aus ihrer Kano­ne ab. In Wet­tin­gen baut die Emaus-Bru­der­schaft in ehren­amt­li­cher Arbeit den Altar und Got­tes­dienst­platz auf und schiesst wäh­rend der Fei­er vom Wald­rand aus eini­ge Böl­ler­schüs­se ab.

Zwei­ge­teil­ter Aargau

Fron­leich­nam oder «Her­gotts­tag», wie er auch genannt wird, teilt den Kan­ton Aar­gau in zwei Lager, wie sich auf der Über­sichts­kar­te zeigt. Tra­di­tio­nel­ler Fei­er­tag mit Böl­ler­schüs­sen, Pro­zes­sio­nen und Got­tes­dien­sten in den katho­li­schen Gebie­ten, nor­ma­ler Arbeits­tag in den refor­mier­ten Tei­len. Fron­leich­nam ist laut dem Online-Ver­zeich­nis feiertagskalender.ch in rund der Hälf­te aller Aar­gau­er Gemein­den ein Fei­er­tag. Mehr­heit­lich als Fei­er­tag gilt Fron­leich­nam in den fünf Bezir­ken Baden, Brem­gar­ten, Lau­fen­burg, Muri und Zurz­ach. Die gröss­ten Fron­leich­nams­pro­zes­sio­nen im Kan­ton fin­den in Muri, Baden und Frick statt. Doch nahe­zu in jeder Pfar­rei, die an Fron­leich­nam einen Frei­tag geniesst, gibt es Pro­zes­sio­nen oder Eucha­ri­stie­fei­ern im Frei­en.

Noch ein­mal im weis­sen Gewand

Etwas schwie­ri­ger gestal­ten sich Fron­leich­nams­fei­ern für Pfar­rei­en in Bezir­ken, in denen nur ein­zel­ne Gemein­den den Fei­er­tag bege­hen. Wer aus­wärts arbei­ten muss, kann bei­spiels­wei­se nicht mit der Blas­mu­sik mit­mar­schie­ren. Doch da Fron­leich­nam für die Erst­kom­mu­ni­on­kin­der noch­mals ein beson­de­res Fest ist, wo dar­an erin­nert wird, dass sich Jesus uns als Brot des Lebens geschenkt hat, wer­den die Erst­kom­mu­ni­kan­ten häu­fig in die Fei­ern ein­be­zo­gen. In vie­len Aar­gau­er Pfar­rei­en ist Fron­leich­nam der Tag, an dem die Erst­kom­mu­ni­on­kin­der ihr weis­ses Gewand noch­mals tra­gen und anschlies­send abge­ben. Damit neh­men auch die Ange­hö­ri­gen der Kin­der teil, was wie­der für zahl­rei­che­res Publi­kum sorgt.
Marie-Christine Andres Schürch
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