Micha­el Jablo­now­ski will weg von einer Service-Kirche

  • Die Pasto­ral­räu­me kom­men bei vie­len Gläu­bi­gen nicht gut an.
  • Micha­el Jablo­now­ski, seit einem Jahr Lei­ter des Pasto­ral­raums am Mut­schel­len, sieht vor allem die Chancen.
  • Die gröss­te Chan­ce sieht er dar­in, dass die Gläu­bi­gen Ver­ant­wor­tung für ihre Kir­che übernehmen.

Die Errich­tung der Pasto­ral­räu­me in der katho­li­schen Kir­che ist eine Restruk­tu­rie­rung. Da wer­den Pfar­rei­en zu Pasto­ral­räu­men zusam­men­ge­fasst, weil es nicht mehr genug Per­so­nal gibt für alle Ange­bo­te in den Pfar­rei­en. Die Pasto­ral­räu­me sind aber auch die Fol­ge davon, dass weni­ger Men­schen, die Ange­bo­te in den Pfar­rei­en nüt­zen wol­len. Weni­ger Kir­chen­mit­glie­der, weni­ger Kir­chen­steu­ern, weni­ger Per­so­nal. Pasto­ral­raum, das bedeu­tet: Zusam­men­rücken, Res­sour­cen tei­len und Syn­er­gien nutzen.

Die Aus­wer­tung der Eva­lua­ti­on der Pasto­ral­räu­me im Bis­tum Basel durch das Schwei­ze­ri­sche Pasto­ral­so­zio­lo­gi­sche Insti­tut (SPI) hat erge­ben, dass vie­le Gläu­bi­ge in der Errich­tung der Pasto­ral­räu­me eine «sym­ptom­be­kämp­fen­de Mass­nah­me des Bis­tums gegen den Per­so­nal­man­gel» sehen. Die Mass­nah­me nüt­ze nicht nur nichts, son­dern rücke die Kir­che von den Men­schen weg.

Umbruch am Mutschellen

Micha­el Jablo­now­ski ist seit ver­gan­ge­nem August Lei­ter des Pasto­ral­rau­mes am Mut­schel­len. Er sieht vor allem das Poten­zi­al der Pasto­ral­räu­me. Und dies, obwohl er sich mit sei­nem Seel­sor­ge­team in sei­nem Umbruch­jahr befin­det. Drei Fünf­tel sei­nes Seel­sor­ge­teams ist im Juli ver­gan­ge­nen Jah­res gegan­gen. Im Moment sind sie zu zweit in der Pfar­rei­seel­sor­ge. Zusam­men mit Pater Mar­tin Kelechi Igbo­ko sind sie für den Pasto­ral­raum Mut­schel­len zustän­dig, der sechs Pfar­rei­en umfasst. Ergänzt wur­de das Team im August ver­gan­ge­nen Jah­res durch Mar­tin von Arx, der neben der Kate­che­se den neu­ge­schaf­fe­nen Bereich der Jugend­seel­sor­ge betreut. Und für den Bereich der Gemein­schafts­bil­dung, Frei­wil­li­gen­be­glei­tung und Dia­ko­nie wur­de ein neu­er Dienst ent­wickelt. Seit Juni 2023 hat mit Jai­me Armas ein Sozi­al­ar­bei­ter die­sen über­nom­men. Die gan­ze Orga­ni­sa­ti­on des Pasto­ral­rau­mes muss­te ange­passt wer­den und noch immer ist eine Stel­le unbe­setzt aber Micha­el Jablo­now­ski ist zuver­sicht­lich. «Pasto­ral­räu­me sind nie fer­tig», sagt der hoch­ge­wach­se­ne Mann.

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Der Pasto­ral­raum am Mut­schel­len wur­de am 26. Febru­ar 2012 von Bischof Felix Gmür in Rudolf­stet­ten fei­er­lich errich­tet. Seit­her ist viel Was­ser die Reuss hin­un­ter­ge­flos­sen. 2016 wech­sel­te die Lei­tung des Pasto­ral­rau­mes ein erstes Mal, ver­gan­ge­nen August ein zwei­tes Mal. Micha­el Jablo­now­ski war von Anfang an dabei. Seit er 2005 aus dem Rhein­land in Deutsch­land als Seel­sor­ger nach Berg­die­ti­kon gekom­men ist, denkt und gestal­tet er mit. Den pasto­ra­len Ent­wick­lungs­plan kennt er aus dem EfEf. Als Kir­chen­rat hat er neben dem pasto­ra­len Hut auch einen Staats­kir­chen­recht­li­chen an. Das Gespräch im schön­sten Pfarr­haus sei­nes Pasto­ral­rau­mes in Ober­wil-Lie­li, wie er sagt, führt Micha­el Jablo­now­ski mit dem pasto­ra­len Hut und lässt sich nicht aufs Glatt­eis füh­ren. Denn neben der Fusi­on der Pfar­rei­en, steht auch die Fra­ge nach der Fusi­on der Kirch­ge­mein­den im Raum. Die Dis­kus­sio­nen wür­den ähn­lich kon­tro­vers geführt, wie die über Gemeindefusionen.

Pfar­rei­en als Schatzkammern

Die­se Schatz­kam­mer-Bril­le haben vor allem die Orga­ni­sa­to­rin­nen und Orga­ni­sa­to­ren der Pasto­ral­räu­me auf der Nase. Das wird in der Eva­lua­ti­on des SPI klar. Die Gläu­bi­gen hin­ge­gen sehen vor allem den Ver­lust. Etwa den Sonn­tags­got­tes­dienst, der nicht mehr jeden Sonn­tag in der Kir­che im eige­nen Dorf statt­fin­det. Um die Äng­ste und Sor­gen der Gläu­bi­gen abzu­ho­len, orga­ni­siert der Pasto­ral­raum­lei­ter zwei­mal im Jahr Pfar­rei­fo­ren. Da wer­den auf Pfar­rei­ebe­ne Fra­gen dis­ku­tiert wie: Was ist uns wich­tig? Wor­an wol­len wir fest­hal­ten? Wor­auf kön­nen wir ver­zich­ten? «In den Pfar­rei­fo­ren wer­den die Schät­ze poliert», sagt der Pasto­ral­raum­lei­ter «und die Gläu­bi­gen wer­den ani­miert, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men, denn nur dann bleibt die Kir­che lebendig.»

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Es sei schliess­lich die Idee eines Kir­chen­mit­glieds gewe­sen, die Sonn­tags­got­tes­dien­ste auf zwei im Monat zu redu­zie­ren. Denn mit zwei Seel­sor­gen­den für fünf geplan­te Got­tes­dien­ste am Wochen­en­de sei die Auf­ga­be auf die Län­ge nicht zu stem­men. Die Kir­che in Ober­wil-Lie­li ist aber nicht leer geblie­ben. Im ver­gan­ge­nen Advent hat dort ein offe­nes Sin­gen statt­ge­fun­den. Und in Rudolf­stet­ten gab es Biblio­dra­ma statt Eucha­ri­stie. Die Ver­an­stal­tun­gen hät­ten Men­schen ange­zo­gen, die für einen Got­tes­dienst nicht gekom­men wären. Dar­in sieht Micha­el Jablo­now­ski eine Chan­ce. Er möch­te, dass mög­lichst vie­le Men­schen in der katho­li­schen Kir­che eine Hei­mat fin­den. Eine Gefahr der Zer­split­te­rung sieht er dabei nicht. Eher ein Mosa­ik. Wich­tig sei, dass es für alle einen Ort gebe. Die­je­ni­gen, die Eucha­ri­stie und Anbe­tung such­ten, besu­chen die Kapel­le auf dem Fried­lis­berg. Ande­re, die an einer par­ti­zi­pa­ti­ven Pre­digt Gefal­len fin­den, besu­chen den neu gestal­te­ten Wort­got­tes­dienst bei Micha­el Jablo­now­ski, bei dem die Gläu­bi­gen ihre Fra­gen wäh­rend der Pre­digt ein­brin­gen können.

Frei­wil­li­ge nicht allei­ne lassen

Die Eva­lua­ti­on der Befra­gung zum Pasto­ral­raum hat auch erge­ben, dass die Frei­wil­li­gen sich allein gelas­sen fühl­ten. Die Seel­sor­gen­den und Prie­ster hät­ten zu wenig Zeit für sie. Das kann Micha­el Jablo­now­ski voll unter­schrei­ben. Seit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil sei die Eucha­ri­stie-Fröm­mig­keit noch ver­stärkt wor­den. Tat­säch­lich hät­ten auch sie sich im Seel­sor­ge­team zuerst um die Got­tes­dien­ste geküm­mert. Dabei sei das Enga­ge­ment der Frei­wil­li­gen aus dem Fokus gera­ten. Aber Micha­el Jablo­now­ski hat eine Visi­on. Er will weg von einer Ser­vice-Kir­che. «Kir­che ist Gemein­schaft, in der sich alle gegen­sei­tig tra­gen», sagt der Theologe.

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Die noch offe­ne Stel­le im Seel­sor­ge­team soll von einer Fraue besetzt wer­den, wünscht sich Micha­el Jablo­now­ski. Jetzt hät­ten sie eine rei­ne Män­ner­wirt­schaft, das sei nicht gut. Dem Bis­tum schul­de er ein Orga­ni­gramm vom Team des Pasto­ral­raums Mut­schel­len. Eine schwie­ri­ge Auf­ga­be für Micha­el Jablo­now­ski, denn sein Team hat 35 Köp­fe und sei dyna­misch und agil. Je nach Auf­ga­be orga­ni­sie­re es sich neu. Die Hier­ar­chien sei­en flach. Die Begeg­nun­gen auf Augenhöhe.

Eine gros­se Errun­gen­schaft in den Augen von Micha­el Jablo­now­ski ist der Zweck­ver­band der Kirch­ge­mein­den im Pasto­ral­raum. Seit Anfang Jahr sind alle Mit­ar­bei­ten­den, von der Kir­chen­mu­si­ke­rin über die Sakri­stanin, die Seel­sor­gen­den und Sekre­tä­rin­nen am glei­chen Ort ange­stellt. Aus­ser­dem gibt es neu ein Res­sort Frei­wil­li­ge in der Kir­chen­pfle­ge, das über ein Bud­get ver­fügt. Micha­el Jablo­now­ski will näm­lich, dass sich die Frei­wil­li­gen­ar­beit lohnt. Einen Mehr­wert sol­len die Men­schen haben, die sich enga­gie­ren. Etwa in Form von Weiterbildung.

Leben­di­ge Kirche

Die Gefahr, sich als Pasto­ral­raum­lei­ter zu über­neh­men, sei real, sagt Micha­el Jablo­now­ski. Sei­ne Frau und sei­ne Kin­der hel­fen ihm, sich nicht in der Arbeit zu ver­lie­ren. Wenn er nach sie­ben Tagen nicht frei mache, dann zie­he sei­ne Frau die Notbremse.

Die Errich­tung der Pasto­ral­räu­me ist eine Restruk­tu­rie­rung der katho­li­schen Kir­che. Das Oster-Zmor­ge in Rudolf­stet­ten nach der Auf­er­ste­hungs­fei­er um sechs Uhr mor­gens hat der Pasto­ral­raum­lei­ter man­gels Res­sour­cen strei­chen müs­sen. Anstel­le wur­den Eier getütscht, mehr lag nicht drin. Noch am Anlass selbst hat sich eine Grup­pe gefun­den, die im näch­sten Jahr das Zmor­ge wie­der orga­ni­sie­ren wer­den. So stellt sich Micha­el Jablo­now­ski eine leben­di­ge Kir­che vor.

Eva Meienberg
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