Mentoring-Programm mit jungen Asylsuchenden

Mentoring-Programm mit jungen Asylsuchenden

  • Unbe­gleit­ete jugendliche Asyl­suchende (UJA) erhal­ten im Kan­ton Aar­gau im Rah­men eines Men­tor­ing-Pro­gramms eine Begleitung durch frei­willige Men­torin­nen und Men­toren.
  • Hor­i­zonte besuchte zwei «Tandems»: Den 18-jährige Hos­sain, der sich regelmäs­sig mit der 25-jähri­gen ETH-Stu­dentin Mag­dale­na und ihrer Fam­i­lie trifft, und die 17-jährige Eritreerin Ruta, die bei Fam­i­lie Neru­da immer wieder zu Gast ist.
 Wer sich dem Ein­gang der Fam­i­lie von Eva-Maria Neru­da und Chris­t­ian Schenk in Aarau nähert, stellt schnell fest, dass hier Fuss­ball­fans zuhause sind. Seit einem Jahr fiebert auch Ruta Kah­say bei den Fuss­ball­spie­len mit – so etwa während der Welt­meis­ter­schaft in Rus­s­land. Und sie nimmt – dank der Ver­mit­tlung von Tochter Mag­dale­na – am Fuss­ball­train­ing bei den Junioren des FC Aarau teil. Ruta stammt aus Eritrea und lebt seit Okto­ber 2016 in der Schweiz. Über Kreu­zlin­gen kam die 17-Jährige in den Kan­ton Aar­gau, wo sie in ein­er Flüchtling­sun­terkun­ft in Men­ziken lebt. Die Fam­i­lie Neru­da-Schenk begleit­et die junge Frau im Rah­men des Men­tor­ing-Pro­gramms für UJA im Kan­ton Aar­gau.

Ziel ist die Unterstützung bei der Integration

Das Men­tor­ing-Pro­gramm soll zu einem Aus­tausch zwis­chen den Flüchtlin­gen im Kan­ton und der Zivilge­sellschaft beitra­gen, sagt Susanne Klaus, die das Pro­jekt zusam­men mit Gabi Grat­wohl auf die Beine stellte. 2015 starteten die bei­den Frauen, engagierten sich ehre­namtlich in einem Schul­pro­gramm des Net­zw­erk Asyl für unbe­gleit­ete min­der­jährige Asyl­suchende. Dabei ent­stand die Idee, den Jugendlichen und jun­gen Erwach­se­nen Per­so­n­en zur Seite zu stellen, die sie bei der Inte­gra­tion und anderen Her­aus­forderun­gen unter­stützen kön­nen.Als die Nach­frage nach diesem Ange­bot immer gröss­er wurde, mobil­isierten die bei­den Frauen ihren Bekan­ntenkreis. Dort stiessen sie auf pos­i­tive Res­o­nanz und kon­nten zahlre­iche Frei­willige für das Men­tor­ing-Pro­gramm gewin­nen. Inzwis­chen sprach sich das Ange­bot auch bei anderen Schulen des Kan­tons herum, die für ihre Flüchtlingss­chüler eben­falls Men­torin­nen und Men­toren sucht­en. «Es ver­bre­it­ete sich wie ein Lauf­feuer», erin­nert sich Gabi Grat­wohl. Mit­tler­weile kon­nten über 90 Jugendliche aus dem ganzen Kan­ton an Men­torin­nen und Men­toren ver­mit­telt wer­den.

«Beziehung, Sicherheit und Perspektiven»

Was sind die Auf­gaben der Men­torin­nen und Men­toren? «Unser Ziel ist es, die Jugendlichen in ihrer indi­vidu­ellen und her­aus­fordern­den Lebenssi­t­u­a­tion zu unter­stützen», sagt Susanne Klaus. Dazu gehörten sowohl das Ange­bot zum Auf­bau ein­er Beziehung als auch das Schaf­fen von Sicher­heit, das Ver­mit­teln von Per­spek­tiv­en sowie die Inte­gra­tion in eine soziale Struk­tur.Die Men­torin­nen und Men­toren unter­stützen die Flüchtlinge bei der Bear­beitung des Schul­stoffs und motivieren sie beim Ler­nen. Sie stellen sich als Bezugsper­so­n­en für den Auf­bau ein­er part­ner­schaftlichen, kon­struk­tiv­en und halt­geben­den Beziehung zur Ver­fü­gung.Das Men­tor­ing-Pro­gramm richtet sich an alle, die an der ehre­namtlichen Zusam­me­nar­beit mit Jugendlichen aus anderen Kul­turen inter­essiert sind. «Wichtig sind eine Offen­heit im Aus­tausch mit den Flüchtlin­gen sowie Empathie und Ver­ständ­nis für ihre indi­vidu­elle Sit­u­a­tion», sagt Gabi Grat­wohl. Hinzu komme die Bere­itschaft, den «Mentees» ein nach­haltiges Beziehungsange­bot zu machen, das ihnen das Gefühl der Sicher­heit ver­mit­tle. Wie oft sich die Men­toren und Jugendlichen tre­f­fen, ist laut Susanne Klaus unter­schiedlich. Meist find­en die Tre­f­fen ein­mal pro Woche während ein bis zwei Stun­den statt.

Zum ersten Mal ein Geburtstagskuchen für die 17-jährige Ruta

Ruta trifft sich mit ihrer Men­tor­ing­fam­i­lie ein­mal pro Woche. Ab und zu nimmt sie auch an Fam­i­lien­an­lässen und Aus­flü­gen teil. Unvergesslich bleibt für die junge Eritreerin die Schlit­ten­fahrt auf der Rigi. Auch an Wei­h­nacht­en, Ostern oder an ihrem Geburt­stag feierte sie mit ihrer Men­tor­ing­fam­i­lie, wo sie zum ersten Mal einen Geburt­stagskuchen essen durfte.«Wir waren von diesem Pro­jekt von Anfang an begeis­tert, als wir ange­fragt wur­den, ob wir uns als Men­toren engagieren woll­ten», erzählt Eva-Maria Neru­da. Zum einen hät­ten sie die Möglichkeit, Ruta beim Ler­nen und der Inte­gra­tion zu unter­stützen – zum andern «wollen wir ihr auch eine gewisse Fam­i­lien­struk­tur bieten». Gle­ichzeit­ig sei es span­nend, eine andere Kul­tur ken­nen zu ler­nen. Und: «Wir spüren von Ruta sehr viel Dankbarkeit und haben es sehr gut zusam­men», sagt Eva-Maria Neru­da und nimmt Ruta in den Arm. Natür­lich gebe es auch Her­aus­forderun­gen, vor allem bei der Sprache.Regelmäs­sig wird zusam­men Deutsch gel­ernt und auch viel Deutsch gesprochen. Weil sich Ruta für Mode inter­essiert, hat­te sie zudem die Möglichkeit, bei einem Coif­feur zu schnup­pern. Auch die Kinder Eva-Maria Neru­da, Mag­dale­na (15) und ihr Brud­er Alexan­der (13), geniessen den regelmäs­si­gen Kon­takt zu Ruta. «Wir spie­len zusam­men Fuss­ball oder Uno. Da spielt es weniger eine Rolle, ob wir uns sprach­lich ver­ste­hen oder nicht“, erzählt Mag­dale­na.

Unterstützung durch den Pastoralraum Region Aarau

Das Men­tor­ing-Pro­gramm dauert min­destens ein halbes Jahr. Danach haben die Jugendlichen und Men­toren die Möglichkeit, Bilanz zu ziehen. «Viele unser­er Men­toren machen weit­er. Zum Teil entste­hen fre­und­schaftliche Bindun­gen, und manche Men­toren haben Mühe, die Jugendlichen loszu­lassen», weiss Susanne Klaus. Der Bedarf an weit­eren Men­torin­nen und Men­toren in allen Regio­nen des Kan­tons ist gross. Das Pro­jekt wird seit Beginn dieses Jahres vom Pas­toral­raum Region Aarau finanziell unter­stützt – und zwar mit einem 30 Prozent-Pen­sum. Bish­er engagierten sich die bei­den Frauen ehre­namtlich, stiessen aber zunehmend an ihre Kapaz­itäts­gren­zen. 
Andreas C. Müller
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