Nah­raum­pa­sto­ral: Bis­tum und Lan­des­kir­che im Krebsgang

Nah­raum­pa­sto­ral: Bis­tum und Lan­des­kir­che im Krebsgang

  • In einem ein­jäh­ri­gen Pilot­ver­such haben das Bis­tum Basel und die Römisch-Katho­li­sche Lan­des­kir­che eva­lu­iert, wie bei wach­sen­dem Man­gel an Seel­sor­ge­per­so­nal die Kir­che trotz­dem nahe bei den Leu­ten sein kann.
  • Das Ergeb­nis sorgt für Ver­wir­rung und Erklä­rungs­be­darf. Ver­schie­de­ne Seel­sor­gen­de bekla­gen man­geln­den Mut und kri­ti­sie­ren, dass erst in einem Jahr über wei­te­re Schrit­te ent­schie­den wer­den soll.
 «Ich bin nicht län­ger bereit, für Beru­fun­gen zu beten, wenn so vie­le Beru­fun­gen igno­riert wer­den», bringt ein Seel­sor­ger, der nicht öffent­lich genannt wer­den will, sei­ne Fru­stra­ti­on auf den Punkt. Ent­täuscht ist er, dass nach einem ein­jäh­ri­gen Pilot­pro­jekt von Bis­tum und Lan­des­kir­che kei­ne greif­ba­ren Lösungs­an­sät­ze sicht­bar wer­den – und schon gar nicht beim The­ma Befä­hi­gung von Frei­wil­li­gen.

Ein Pro­jekt, drei­er­lei Erklärungen

Wor­um ging es bei dem Pro­jekt, bei wel­chem erst­mals das Bis­tum Basel mit einer staats­kir­chen­recht­li­chen Kör­per­schaft – der Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­che Aar­gau, eng zusam­men­ge­ar­bei­tet hat (Hori­zon­te berich­te­te)? «Ziel war, in eine Zukunft zu den­ken, die es aktu­ell so bei uns noch nicht gibt», fasst es Simon Mei­er, Lei­ter des Pasto­ral­raums Regi­on Brugg-Win­disch zusam­men und kon­kre­ti­siert: «Dass es eine Bezugs­per­son gibt, wenn sich in einem Kir­chen­zen­trum eine Per­son aus dem Seel­sor­ge­team zum Bei­spiel beruf­lich umori­en­tiert oder pen­sio­niert wird, und die­se Stel­le nicht mehr vom Per­so­nal­amt des Bis­tums besetzt wer­den kann.» Der Lösungs­an­satz zie­le in Rich­tung Mobi­li­sie­rung und Qua­li­fi­zie­rung von Frei­wil­li­gen, die bestimm­te Auf­ga­ben in dele­gier­ter Ver­ant­wor­tung über­neh­men, die nor­ma­ler­wei­se Haupt­amt­li­che machen. «Dafür müs­sen die­se aber spe­zi­ell aus­ge­bil­det wer­den.»Zwi­schen Ver­tre­tern des Bis­tums und der Lan­des­kir­che sei im Vor­feld des Pro­jekts hef­tig dis­ku­tiert wor­den, wie in den neu geschaf­fe­nen Pasto­ral­räu­men auf die Bedürf­nis­se von Gläu­bi­gen nach Nähe und Erreich­bar­keit eines Seel­sor­gen­den vor Ort reagiert wer­den kön­ne, erklärt Heinz Altor­fer, Vize­prä­si­dent des Kir­chen­ra­tes der Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­che. In Kennt­nis bereits exi­stie­ren­der Pro­jek­te im In- und Aus­land mit Frei­wil­li­gen bot die Lan­des­kir­che dem Bis­tum eine Zusam­men­ar­beit an. «Das ist sehr posi­tiv auf­ge­nom­men wor­den», resü­miert Heinz Altor­fer. Als Ziel des Pro­jekts nennt er «mehr Nähe, mehr Enga­ge­ment von Per­so­nen vor Ort» und erklärt: «Es ging dar­um, zu sehen, was es braucht und was man tun könn­te, um frei­wil­lig enga­gier­te Kir­chen­mit­glie­der zu bestär­ken und zu beglei­ten, sich aktiv vor Ort in der Pasto­ral ein­zu­brin­gen.»«Das Pro­jekt hat­te nicht zum Ziel, Frei­wil­li­ge in den pasto­ra­len Dienst zu rekru­tie­ren. Es ging dar­um, wie die Kir­che in Anleh­nung an Kapi­tel 4.1. des Pasto­ra­len Ent­wick­lungs­plans des Bis­tums Basel (PEP) vor Ort prä­sent sein kann», erklärt dem­ge­gen­über Gene­ral­vi­kar Mar­kus Thü­rig. «Der Bil­dung von Gemein­schaf­ten und Grup­pie­run­gen und ihrer Ver­net­zung kommt dabei beson­de­re Bedeu­tung zu», heisst es dort. Und wei­ter: «Die Gläu­bi­gen sind weni­ger auf­ge­ru­fen, Auf­ga­ben der Seel­sor­gen­den zu über­neh­men. Sie sind zum Dienst in ihren Lebens­räu­men beru­fen.» Im Übri­gen, so Mar­kus Thü­rig, kön­ne das Per­so­nal­pro­blem ja noch nicht so stark sein, wenn von sie­ben ange­frag­ten Pasto­ral­räu­men nur gera­de zwei Inter­es­se an einer Mit­ar­beit beim Pro­jekt gezeigt hät­ten: Die Regi­on Brugg-Win­disch und der Mut­schel­len.

«In vie­len Regio­nen ist der Stel­len­ab­bau bereits Realität»

Eine Argu­men­ta­ti­on, die Dia­kon Ueli Hess, so nicht ste­hen las­sen will. «Wir Haupt­amt­li­che wer­den aus­ge­presst wie Zitro­nen», erklärt der Lei­ter des Pasto­ral­raums Brem­gar­ten-Reus­s­tal, der die­ses Jahr demis­sio­niert. Mit Leo Stocker ver­lässt zudem der lei­ten­de Prie­ster den Pasto­ral­raum. Es blei­ben der mitt­ler­wei­le 72-jäh­ri­ge Prie­ster Franz Xaver Amrein und Georg Umbricht, der Gemein­de­lei­ter von Lunk­ho­fen. Um das Per­so­nal­va­ku­um auf­zu­fan­gen, wird der Pasto­ral­raum künf­tig nicht mehr meh­re­re Lei­tungs­per­so­nen, bzw. Bezugs­per­so­nen für die Gläu­bi­gen vor Ort haben (soge­nann­ter Typ A), son­dern nur noch eine Pasto­ral­raum­lei­tung und einen mit­lei­ten­den Prie­ster (soge­nann­ter Typ B). «De fac­to ist das ein Stel­len­ab­bau», räumt Ueli Hess ein. «Und in vie­len Gegen­den des Aar­gau ist er bereits Rea­li­tät».Dass das Bis­tum und die Lan­des­kir­che zu die­sem Zweck ein Pilot­pro­jekt lan­ciert haben, begrüsst Ueli Hess. Doch hät­te er sich mehr Mut gewünscht. Es brau­che Mut zu mehr aus­ser­or­dent­li­chen Lösun­gen in Anleh­nung an die Ehe-Assi­stenz und Tauf­voll­macht, erklärt er. «Das hies­se dann auch die Befä­hi­gung von Lai­en, Eucha­ri­stie fei­ern zu dür­fen. Klar scheint das zum jet­zi­gen Zeit­punkt undenk­bar, weil dies, wie frü­her die Tau­fe, die Trau­ung und in gewohn­ter Wei­se auch die Begräb­nis­fei­er, an die Wei­he gebun­den ist. Doch wie wir wis­sen, hat sich das geän­dert.

«Es braucht jetzt eine Lösung»

Auch Jür­gen Hein­ze, der sich wäh­rend Jah­ren bei der Fach­stel­le Bil­dung und Prop­stei für die Frei­wil­li­gen­ar­beit enga­giert hat, sieht «wenig Mut zum Auf­bruch und zur Bereit­schaft zum Expe­ri­ment mit Frei­wil­li­gen». Gegen­über Hori­zon­te erklärt er: «Ich fra­ge mich, wie das wei­ter­ge­hen soll? Ob man erst dann anfan­gen will, wenn von den Haupt­amt­li­chen kaum mehr jemand da ist, der dafür Fähig­kei­ten und Zeit hat. Wir müs­sen jetzt die Leu­te gewin­nen und aus­bil­den.» Über­haupt: Beim Enga­ge­ment der Beauf­tra­gung von Lai­en tue sich ein­fach zu wenig. «Bei­spiels­wei­se Beer­di­gun­gen: Dass dies Frei­wil­li­ge über­neh­men könn­ten, ist im Bis­tum Basel der­zeit undenk­bar. In den Bis­tü­mern Frei­burg im Breis­gau oder Aachen wird das aber schon so prak­ti­ziert.»«Mei­nes Erach­tens ist es doch gera­de mutig, auf Pro­zes­se zu set­zen», erklärt dem­ge­gen­über Heinz Altor­fer und ergänzt: «Was wir auf kei­nen Fall wol­len, ist ein vor­ge­ge­be­nes Kon­zept, das für alle Pasto­ral­räu­me im Aar­gau gel­ten soll.» Mit einem vor­sich­ti­gen Vor­ge­hen kom­me man in der katho­li­schen Kir­che eher zu Lösun­gen, wel­che die Pra­xis ver­än­der­ten. Das brau­che halt Zeit. Und ja: Wenn sich zei­gen soll­te, dass neue Funk­tio­nen defi­niert wer­den müs­sen, dann wer­de man sehen. Das müs­se dann dis­ku­tiert wer­den. Die Kir­chen­pfle­gen und die Ange­stell­ten der Kirch­ge­mein­den soll­ten jeden­falls bei der Ent­wick­lung von Pro­jek­ten und Struk­tu­ren in der Nah­raum­pa­sto­ral ein­be­zo­gen wer­den. Sei­tens der Lan­des­kir­che wol­le man beglei­tend und bera­tend mit ent­spre­chen­den Ange­bo­ten zur Sei­te ste­hen und auch spe­zi­fi­sche Wei­ter­bil­dungs­an­ge­bo­te ent­wickeln.

«Wir dür­fen die kirch­li­chen Beru­fe nicht zerstören»

Für Gene­ral­vi­kar Mar­kus Thü­rig steht jedoch fest: «Wenn man nun ein­fach hin­geht und sagt, dass Frei­wil­li­ge ange­stellt wer­den und die Auf­ga­ben von Seel­sor­gen­den über­neh­men sol­len, dann zer­stört man die­se Beru­fe. Ande­rer­seits wäre es unver­ant­wort­lich, Per­so­nen in Auf­ga­ben zu schicken, für die sie nicht aus­ge­bil­det sind.»In ihrer Medi­en­mit­tei­lung hal­ten Bis­tum und Lan­des­kir­che fest, «dass sich das Pilot­pro­jekt mit den bei­den Pasto­ral­räu­men gelohnt hat, auch wenn nicht alle Zie­le erreicht wor­den sind.» Bei­de Sei­ten beto­nen, dass die part­ner­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit für die Ent­wick­lung der Nah­raum­pa­sto­ral wich­tig blei­ben wird. Die Ent­wick­lun­gen sol­len wei­ter beob­ach­tet und all­fäl­li­ge wei­te­re Schrit­te geplant wer­den. Dazu wol­len sich Bis­tum und Lan­des­kir­che in einem Jahr wie­der zum Erfah­rungs­aus­tausch und zur Mei­nungs­fin­dung treffen.
Andreas C. Müller
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